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KITTY SOLARIS
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Live fast, die young
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"Girls & Music" ist nun auch schon wieder das achte Album von Kirsten "Kitty Solaris" Hahn, der "heimlichen Indiequeen Berlins". Wie alle vorangegangenen ihrer Werke auch, hat auch dieses nun wieder das Flair des Zufälligen, Spontanen, Beiläufigen - denn mit einem ausgeklügelten Masterplan ist Kitty Solaris ja eh noch nie an die Sache herangegangen. Auch wenn "Girls & Music" nun einem Thema zu folgen scheint und musikalisch überraschend ausgreift, schlüssig und vielseitig daherkommt, heißt das nicht, dass Kitty ihr "Pandemie-Album" mit einem bestimmten Kalkül konzipierte. Das hat einen ganz einfachen Grund: Kitty macht ihre Musik einfach deswegen, weil sie das möchte und nicht, um etwas Konkretes zu erreichen. Auch der Titel des Albums ist dabei auch gar nicht so konkret und eindeutig, wie es scheint, oder?
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"Ja, viele Leute denken, dass es auf dem Album einfach um 'Girls & Music' geht - was aber nur ein Backthema ist", erklärt Kitty, "aber der Titel ist mir eigentlich eingefallen, als ein alter Freund - ein Musiker namens Matthias - von mir verstorben ist. Ich hatte die Nachricht von einer Freundin bekommen, dass er sich länger nicht gemeldet hätte, und dann tot in seiner Wohnung aufgefunden worden war. Matthias war zwar kein ganz enger Freund von mir, aber ein Musiker, den ich auch schon lange Jahre kannte und wir haben uns auch immer mal wieder getroffen. Der wohnte hier in der Nähe und war auch oft zu Besuch in der LowFi-Lounge. Er hatte mir schon davon erzählt, dass der Arzt ihm gesagt hatte, dass er nicht mehr lange zu leben hätte, weil er Leberzirrhose hatte - was ich zuvor nicht wusste. Diese Sache mit seinem Tod hat mich aber trotzdem komplett geschockt, weil mir da so richtig bewusst geworden ist, wie vergänglich das Leben doch ist und wie schnell es vorbei sein kann." Heißt das dann dann Kitty die Hommage an diesen Musiker dann mit therapeutischer Absicht angegangen ist? "Na ja", meint sie, "wenn man einen Song über eine solche Sache macht, dann verarbeitet man das Thema unterbewusst ja sowieso ein bisschen. Eigentlich bin ich immer noch geschockt und kann gar nicht glauben, dass er nicht mehr da ist und man ihn nicht mehr anrufen kann. Die Schlussfolgerung, die ich aus dieser Sache gezogen habe ist die, dass ich mich nicht mehr stressen will - was natürlich nicht immer klappt - und ich künftig das machen möchte, was ich will und mit dem Album wollte ich kreativ sein, weil mir das wirklich Spaß macht." Das ist ja eigentlich ein klassischer Akt der Selbstverwirklichung, richtig? "Ja - denn ich will dann ja auch nichts mehr machen, wozu ich keine Lust mehr habe", pflichtet Kitty bei, "für viele Musiker ist Musik ja auch eine Art Traum - reich und berühmt zu werden oder so etwas. Vielleicht sollte man aber darauf aber gar nicht so viel geben und Kunst nicht aus einem bestimmten Grund heraus machen, sondern mehr für sich selbst. Das Wichtigste ist, dass du im Einklang mit dir selbst bist. Ich meine: Wie viele Leute machen irgendwas, wozu sie keinen Bock haben und sind unglücklich dabei. Und man kann ja auch krank werden, wenn man dann immer diesen Stress hat. Irgendwann ist das Leben dann vorbei und dann fragt man sich: Was habe ich eigentlich gemacht?" Eine Schlussfolgerung aus solchen Erkenntnissen muss doch auch die sein, dass es keinen Sinn macht, Dinge aufzuschieben, oder? "Ja, das stimmt schon - das mache ich aber recht gerne", zögert Kitty, "diesen Ratschlag habe ich aber auch schon oft gehört." Für diese Scheibe brauchte sie einen solchen Ratschlag aber auch gar nicht, oder? "Nein, ich habe ca. 30 neue Songs geschrieben und habe vor, daraus später noch eine ganze Alben-Trilogie zu machen."
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Das ist also der eine Aspekt, den Kitty auf dem neuen Album beleuchtet. Dann gibt es aber auch Songs wie "Cash Flow" - eine Art Kapitalismus-Kritik im Gewand eines attraktiven elektronischen Pop-Songs - der dann auch noch seinen eigenen Remix beinhaltet. "Du meinst das Ende hinten dran?", fragt Kitty, "das ist spontan so entstanden. Während der Pandemie hatte ich ja tatsächlich mehr Zeit und habe dann zu Hause die Demos für die Songs gemacht - bin aber parallel dazu mit Damian Press ins Studio gegangen und wir haben das dann zusammen produziert. Das ist ganz schnell passiert. Ich hatte den Song auf der Gitarre geschrieben und die Idee dafür im Kopf. Matthias - der Typ, der zu früh verstorben ist - hatte auch einen Song namens 'Cash Flow' und ich war davon inspiriert." Worum geht es denn genau in dem Song - in dem Kitty sich fragt, wohin das Geld wohl fließen mag? "Ich habe vor einiger Zeit eine arte-Dokumentation über den Wirecard-Skandal gesehen, die ganz großartig war und von der ich ganz geflasht war", berichtet Kitty, "ich wusste vorher gar nicht viel darüber. Wirecard wurde ja immer so gehypt, war aber wohl nur ein Fake. Die Dokumentation handelte davon, wie ein ehemaliger Mitarbeiter in Singapur herausgefunden hat, dass da wohl etwas nicht stimmte und sich an die Geschäftsleitung gewandt hat und diese ihn dann als Antwort gefeuert hat. Irgendwann haben sie dann eine Journalistin gefunden, die das Ganze recherchiert und veröffentlicht hat. Na ja - da ging es ganz schön um Korruption. Und das ist ja wohl auch exemplarisch für viele Fälle dieser Art und das hat mich so geflasht, dass ich dann mal einen Song darüber machen wollte, wohin das ganze Geld verschwunden ist." Das ist dann sozusagen der sozialkritische Aspekt des Albums. Der letzte Song - "Arrietta" - ist dann aber wieder eine persönliche Hommage an den verstorbenen Matthias, oder? "Ja - das ist sogar ein modernes Requiem für den verstorbenen Freund", räumt Kitty ein, "der ist ein paar Monate von seinem Tod über Weihnachten nach Lanzarote gereist und hat mir eine Postkarte aus Arrietta geschrieben. Er ist mit dem Fahrrad um die ganze Insel gefahren und hat dabei Delfine gesehen und total davon geschwärmt. Da hatte der Arzt ihm schon gesagt, dass er nicht mehr lange zu leben habe und er war aber ganz positiv gestimmt, weil er sich das dann noch gönnen wollte mit dem Urlaub, weil ihm das noch mal ganz viel gegeben hat - und das war eine schöne Geschichte. Eigentlich hat er ja auch ein Rock'n'Roll-Leben geführt - live fast, die young."
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Wie entstehen diese Songs denn bei Kitty? "Zu Hause spiele ich immer, wenn ich ein bisschen Zeit habe, auf der Gitarre und meistens fällt mir eine Line ein - oder zwei", erklärt Kitty, "dann bastele ich da so drum herum. Aber ich schreibe die Songs grundsätzlich auf der Gitarre. Ich lasse mich dabei von allem möglichen inspirieren. Mein Songwriting läuft auf einer unterbewussten Ebene ab. Wenn du mich fragst, worum es in einem Song tatsächlich geht, kann ich es dir auch nicht so wirklich sagen - weil es unterbewusst in einem Art Alpha-Zustand passiert. Das ist fast schon eine meditative Ebene. Ich habe sowieso auch angefangen mich mit Meditation zu beschäftigen und versuche, das dann auch kreativ einzubringen - so als Verbindung mit dem Unterbewusstsein. Die Meditation hilft mir dabei auch, meine Gedanken zu sortieren. Eine Geschichtenerzählerin bin ich aber nicht direkt - höchstens ein bisschen -, das läuft bei mir aber dann auf einer ganz anderen Ebene ab, als bei einem klassischen Storyteller."
Sagen wir mal so: Kittys Geschichten entstehen vielleicht über den Gesamtzusammenhang und die Interpretation des Hörers. Mit "Girls & Music" hat sie dabei nun ein klassisches Rock'n'Roll-Thema gefunden - auch wenn es vielleicht aus einem traurigen Anlass heraus entstand. Mal schauen, was die geplanten weiteren zwei Teile der angedachten Kitty-Trilogie bringen werden. Erst ein Mal ist jetzt eine Tour angedacht - so lange es die Pandemie noch erlaubt.
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Weitere Infos:
www.kitty-solaris.de
www.instagram.com/kitty_solaris www.facebook.com/KittySolarisBerlin twitter.com/kittysolaris www.youtube.com/kittysolaris kittysolaris.bandcamp.com
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Interview: -Ullrich Maurer- Fotos: -Ullrich Maurer-
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Aktueller Tonträger: Girls & Music (Solaris Empire/Broken Silence)
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