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Interview-Archiv

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THE BETHS
 
Nichts ist selbstverständlich
The Beths
The Beths sind heimliche Giganten: Im Dunstkreis von Indierock, Emo und Power-Pop verwandelt das Quartett aus Neuseeland auf seinem dritten, augenzwinkernd "Expert In A Dying Field" betitelten Album ein Gefühl der Niedergeschlagenheit und Beklemmung mit Wucht und Köpfchen in betont fröhlich klingende Lieder, die mühelos an die hochgelobten Vorgängerwerke "Future Me Hates Me" aus dem Jahre 2018 und das 2020 mitten im ersten Pandemie-Lockdown veröffentlichte Zweitwerk "Jump Rope Gazers" anknüpfen, aber doch oft raffinierte Schlenker machen und so mit viel Liebe zum Detail, ungewöhnlicher Melodik und Rhythmik stets aufregend und neu klingen. Doch auch wenn sich Sängerin, Gitarristin und Songwriterin Liz Stokes, Gitarrist Jonathan Pearce, Bassist Benjamin Sinclair und Drummer Tristan Deck während ihres Jazz-Studiums kennengelernt haben: Selbst die trickreichsten Passagen machen stets den Weg frei für wunderbar prägnante Hooklines, die sich sofort in den Köpfen und Herzen des Publikums festsetzen. Im Gaesteliste.de-Interview spricht Liz über die Lehren der Pandemie, Musik als Job, die Besonderheiten der neuseeländischen Musikszene und so einiges mehr.
GL.de: Liz, wir wollen uns nicht zu lange mit der Pandemie aufhalten, trotzdem sei zu Beginn die Frage erlaubt: Gibt es bestimmte Lektionen aus dieser verrückten Zeit, die du in die neue Normalität hinüberretten möchtest?

Liz Stokes: Ich denke, aus der Perspektive eines Teiles einer Band ist die wichtigste Lektion sicherlich, nichts als selbstverständlich zu erachten. Ich denke, viele Bands haben Touring als genau das betrachtet. So viel unterwegs zu sein, ist natürlich sehr anstrengend, und oft fehlt es dir einfach an Schlaf. Aber wenn man tatsächlich vor Menschen auf der Bühne steht, sollte man versuchen, präsent zu sein und den Moment zu genießen. Die andere wichtige Lektion, die wir in den vergangenen zwei Jahren gelernt haben, ist, dass wir auch auf andere Art und Weise zusammenarbeiten können. Wie viele andere auch waren wir gezwungen, bisweilen örtlich getrennt als Band zusammenzuarbeiten. Das ist sicher nichts, was wir in Zukunft ausschließlich verfolgen werden, aber es gibt uns eine weitere Option, und es war spannend, damit zu experimentieren.

GL.de: Hat sich die erzwungene Pause und die unerwartete Freizeit auf dein Verhältnis zur Musik, sowohl als Hörerin als auch als Performerin, ausgewirkt?

Liz Stokes: Auf jeden Fall! Meine Hörgewohnheiten waren während der Pandemie wirklich seltsam, das sind sie öfter, wenn ich ziemlich überfordert bin, mich gestresst fühle oder zu wenig Schlaf habe. Obwohl ich das früher getan habe, neige ich inzwischen nicht mehr dazu, mich von Musik trösten zu lassen. Vielleicht liegt das daran, dass es so sehr mit meinem Job verbunden ist? Ich höre viel mehr Musik, wenn ich gute Laune habe, wenn ich mich entspannt fühle und es genießen kann. Dass das so ist, wusste ich irgendwie schon vorher, aber während langer Phasen in 2020 und 2021, als ich kaum Musik gehört habe, wurde es wirklich offensichtlich. Aus Sicht der Songwriterin hat es dagegen geholfen, mehr Zeit zu haben. Nicht so sehr im Jahr 2020, als ich nicht viel geschrieben habe, weil wir ja gerade ein Album veröffentlicht hatten und erst einmal herausfinden mussten, was es bedeutet, anstelle von Konzerten plötzlich nur Live-Streams zu haben. Dann, im Jahr 2021, fing ich an, wieder mehr zu schreiben, und ich hatte viel mehr Zeit als bei der vorherigen Platte, die Lieder zu schreiben und sie fertigzustellen. Dabei wurde mir klar: Zeit ist wirklich ein Luxus.

GL.de: Wie hat sich deine Herangehensweise an das Songwriting mit der Zeit gewandelt. Betrachtest du es heute mehr als Handwerk?

Liz Stokes: Ja, ein bisschen! Ich schreibe immer noch emotional, aber die Tatsache, dass es ein Job ist, den wir nicht als selbstverständlich ansehen, bringt mich dazu, hart zu arbeiten und meinen Job so gut wie möglich zu machen (lacht). Je mehr ich schreibe, desto mehr richte ich mein Augenmerk auf den handwerklichen Teil. Aber besonders die Texte, zumindest der Kern des Songs, sind normalerweise "stream of consciousness". Auf diese Art schreibe ich des Öfteren, und ich versuche auch, sofort zu schreiben, wenn ich ein Gefühl verspüre, das ich ausdrücken möchte.

GL.de: Wenn du sagst, dass du 2020 nicht viel geschrieben hast - gab es dann einen Wendepunkt, an dem du gemerkt hast: Es geht wieder los?

Liz Stokes: Ich habe 2020 einige Songs geschrieben, die im Nachhinein betrachtet einfach nicht besonders gut waren. Wie jeder war ich wahrscheinlich in einem leichten Ausnahmezustand und es fiel mir schwer, nicht nur über das zu schreiben, was gerade passierte. Allerdings wollte ich das nicht wirklich noch einmal durchleben. Es gab tatsächlich einen Wendepunkt, eine Art Neujahrsvorsatz. Ende des Jahres 2020 sagte ich mir: "Okay, diesen Sommer - das Ende des Jahres ist ja Sommer in Neuseeland - ich werde 20 Songs schreiben, und anschließend werden wir sehen, wie sie klingen und ob ein Album draus werden kann."

GL.de: Interessanterweise drehte sich ja auch auf dem Vorgängeralbum "Jump Rope Gazers" viel um Isolation und Dinge, die die Leute nun besonders mit der Pandemie in Verbindung bringen. Hat dich das in irgendeiner Weise beeinflusst, hast du dir vorgenommen, diese Aspekte bei den Songs für "Expert In A Dying Field" bewusst auszusparen?

Liz Stokes: Auf dem letzten Album dreht sich viel um ein Gefühl, das sich mit Mitte 20 einstellt. Viele Leute aus deinem Umfeld ziehen weg, vielleicht gehen sie für eine Weile nach Übersee oder gehen sogar für immer. Das haben viele gute Freude von mir getan, sie haben sich in alle Winde verstreut, und deshalb drehte sich auf dem letzten Album viel um Distanz, ein Gefühl, dass dann während der Pandemie noch einmal auf ganz andere Weise relevant wurde. Ein wenig taucht das Thema auch auf der neuen Platte noch auf, vor allem geht es aber einfach darum, zu lernen, mit schwierigen Situationen umzugehen. Es gibt einige Künstlerinnen und Künstler, die ich sehr mag, die stets aus einem sehr liebevollen Blickwinkel schreiben. Man kann hören, dass sie die Menschen um sich herum sehr gern haben. Ich dagegen schreibe eher aus einem Gefühl der Unruhe und Beklemmung. Dabei gehe ich oft selbst hart mit mir ins Gericht, was mir allerdings zumeist erst in der Rückschau bewusst wird. Das klingt dann oft so, als könnte ich mich selbst nicht ausstehen (lacht).

GL.de: Klanglich grabt ihr auf "Expert In A Dying Field" ein wenig tiefer als zuvor. Wir hören oft von Künstlerinnen und Künstlern, dass sie Angst haben, zu viel theoretisches Wissen könnte ihnen beim Hören auf das Bauchgefühl im Wege stehen. Ihr habt auch alle Musik studiert, scheint damit aber keine Probleme zu haben?

Liz Stokes: Nein, überhaupt nicht, eher im Gegenteil. Ich will jetzt nicht sagen, dass jeder Musik studieren sollte, aber wenn du etwas schreibst und es sich magisch anfühlt, dann geht die Magie doch nicht flöten, nur weil du ein bisschen mehr darüber weißt. In meinen Augen gilt das für alles, was du magst. Wenn du an einer Modelleisenbahn baust, dann hast du doch nicht deshalb weniger Spaß daran, wenn du besser verstehst, wie sie funktioniert. Jonathan würde wohl sagen: Immer, wenn sich ein Vorhang hebt, gibt das den Blick frei auf weitere Vorhänge. Genau das gibt dir die Chance, tiefer zu graben.

GL.de: Du hast gerade auch schon Neuseeland erwähnt. Hat sich dein Verhältnis zu deiner Heimat verändert, seit ihr auf Tour gleich mehrere Runden rund um den Globus gedreht habt?

Liz Stokes: Ja, total! Auf unserer ersten Tour und eigentlich während der ersten anderthalb Jahre, in denen wir sehr viel unterwegs waren, verspürte ich einen gewissen Stolz, aus Neuseeland zu stammen. Bevor wir aufbrachen, hatte ich das Gefühl, dass es bei uns eine wirklich tolle Musikszene gibt, aber als wir dann zurückkamen, da WUSSTE ich, dass wir eine tolle Szene haben. Natürlich gibt es überall in der Welt viel gute Musik, aber nachdem ich so viel davon gesehen habe, ist die Bedeutung, die die Musikszene hier in Neuseeland für mich hat, nur noch gewachsen. Was hier passiert, ist ziemlich einmalig und auf hohem Niveau interessant.

GL.de: Hast du eine Ahnung, warum das so ist? In den 80er-Jahren mag es an der isolierten Lage Neuseelands gelegen haben, aber inzwischen ist die Welt ja zusammengewachsen.

Liz Stokes: Ich bin mir nicht sicher, ich versuche selbst, dahinterzukommen. Die isolierte Lage hilft sicherlich. Die meisten Leute, die hier Musik machen, tun es, weil sie es lieben, denn für die allerwenigsten Menschen ist das eine echte Karriereoption. Du musst als Band erst mal ziemlich lange durchhalten und Geld gespart haben, bis du deine erste internationale Tournee in Angriff nehmen kannst, denn selbst in Australien zu touren, ist richtig kostspielig. Wir sind nun mal einfach kein Land, in den man in den Bus springen kann und in ganz vielen verschiedenen Städten auftreten kann. Es gibt in Neuseeland vielleicht fünf Orte, in denen man spielen kann, und alle anderen sind winzig und liegen ewig weit auseinander. Die Größe des Landes hat sicherlich auch Einfluss. Weil es so klein ist, gibt es nicht viel Überlappung zwischen verschiedenen Genres, weil die landesweite Szene dafür einfach nicht groß genug ist.
GL.de: Wo wir gerade beim Unterwegssein sind: Gibt es bestimmte Orte rund um den Globus, in denen eure Musik besonders gut ankommt?

Liz Stokes: Auf jeden Fall - und auch aus verschiedensten Gründen. In den USA haben wir eine tolle Fangemeinde, die wir vor allem dem College Radio und ein wenig auch dem Internet verdanken. In Großbritannien dagegen liegt es einfach an dem besonderen Faible für eine bestimmte Art von Gitarrenmusik. Das ist etwas, an das wir anknüpfen können, und doch hat das, was wir machen, ein etwas anderes Aroma. Auch auf dem europäischen Festland ist es total spannend, von Land zu Land, oft aber auch nur von Stadt zu Stadt zu schauen. Jede Stadt hat eine anders ausgerichtete Musikszene, in Deutschland zum Beispiel sind die Shows in Köln immer ganz besonders großartig.

GL.de: Vorhin hast du anklingen lassen, dass du die Musik inzwischen nicht zuletzt auch als Job betrachtest. Was hat die Tatsache, dass ihr euer Hobby zum Beruf gemacht habt, konkret verändert?

Liz Stokes: Wie Arbeit fühlen sich eigentlich nur all die Dinge an, die am eigentlichen Musikmachen dranhängen. All die E-Mails und das Social-Media-Zeug und die Promo füllen dir schnell den ganzen Tag und du sagst dir: Hmm, ich dachte, Musikerin zu sein bedeutet, dass ich mich auf das Musikmachen konzentrieren kann! Das ist aber wohl nur bei den extrem erfolgreichen Künstlerinnen und Künstlern so (lacht). All die Aufgaben, die wir zu erledigen haben, fühlen sich wie ein Job an, und du denkst dir: Okay, wenn ich all das geschafft habe, bleibt vielleicht noch etwas Zeit zum Musikmachen!
Weitere Infos:
thebeths.com
www.facebook.com/thebethsnz
twitter.com/thebeths
instagram.com/thebeths
thebethsnz.bandcamp.com
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Frances Carter-
The Beths
Aktueller Tonträger:
Expert In A Dying Field
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