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HEATHER WOODS BRODERICK
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"Musikerin zu sein ist für mich eine Selbstverständlichkeit"
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Neu und doch vertraut: Mit ihrem dieser Tage erscheinenden Album "Labyrinth" bugsiert Heather Woods Broderick ihren Sound in unerwartete Richtungen, ohne deshalb ihre eigene Vergangenheit zu vergessen und unterstreicht so einmal mehr ihre Wandlungsfähigkeit. Auf ihrem fünften Werk unter eigenem Namen tauscht die 39-jährige Amerikanerin den verschleierten Dream-Pop-Sound ihrer früheren Werke gegen eine bemerkenswert vielschichtige Melange aus Trip-Hop-Finesse, handgemachter Songkunst und Electro-Pop-Grandezza ein und schlägt dabei mühelos einen Bogen von spartanisch instrumentierten, betont ruhigeren Momenten wie "As I Left" und "Tiny Receptors" zu ungewohnt druckvoll-energischen Nummern wie den Singles "Blood Run Through Me" und "Crashing Against The Sun", mit denen sie ihr Tun in neue Sphären katapultiert und ihren Gesang mehr denn je nicht nur zum Mittelpunkt der Songs, sondern zum Herzschlag des Albums macht.
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Für das Gaesteliste.de-Interview erwischen wir Heather Woods Broderick am Ende eines langen Tages daheim in Los Angeles. "Es ist dunkel draußen, sehr nass und stürmisch", verrät sie. "Wir hatten dieses Jahr einen ungewöhnlich feuchten und kalten Winter in L.A." Dass sie sich davon nicht aus der Ruhe bringen lässt, versteht sich von selbst, denn ganz egal, ob als versierte Multiinstrumentalistin an der Seite von Sharon Van Etten, Alela Diane, Lisa Hannigan und Efterklang oder auf ihren ersten vier Platten als Solistin: Broderick hatte immer schon ein Händchen dafür, das Beste aus schwierigen Situationen zu machen. Auch die Herausforderungen der Pandemie meisterte sie auf ihre Weise und nahm die Produktion ihrer neuen LP kurzerhand selbst in die Hand. "Ich habe im Frühjahr und Sommer 2020 begonnen, die Songs für diese Platte zu schreiben", erklärt sie. "Ich hatte nur eine kleine Auswahl an Instrumenten zur Verfügung und einen alten Studiocomputer - ein abgelegtes Modell meines Bruders. Ich hatte einige grundlegende Aufnahmekenntnisse, aber ich hatte zuvor ProTools nie groß verwendet. Das ganze Projekt begann deshalb als eine Art tiefere Erforschung der Möglichkeiten von Aufnahme und Produktion. Ich hatte nur begrenzte Werkzeuge und Kenntnisse, mit denen ich arbeiten konnte, aber viel Zeit, die ich isoliert mit Musik verbringen konnte."
Die neue Herangehensweise änderte ein Stück weit auch ihren Fokus weg von ihrem Können als Multiinstrumentalistin hin zu stärker von produktionstechnischer Finesse geprägten Einflüssen. Weil sie dieses Mal beim Schreiben der Songs kein Klavier zur Verfügung hatte und auch nicht zur Gitarre hingezogen fühlte, wendete sie sich einem Sound zu, der von der Musik beeinflusst ist, die sie in ihrer Jugend gehört hatte. "Ich habe einen ziemlich breiten Musikgeschmack, aber in den letzten Jahren habe ich mehr Hip-Hop, Trip-Hop und die Musik der späten 80er und frühen 90er gehört, mit der ich aufgewachsen bin", sagt sie. "Ich mag die Klänge und Texturen in dieser Musik und die einfache, sich wiederholende Natur vieler Hip-Hop-Nummern."
Die neuen Wege, die Broderick bei der Arbeit an diesem Album beschritten hat, spiegelt sich auch im Titel der LP wider, denn entgegen der weitverbreiteten Annahme ist ein Labyrinth nicht synonym mit dem Wort Irrgarten zu verwenden. Ein traditionelles Labyrinth, so wie es Broderick beim Albumtitel im Kopf hatte, besteht aus einem einzigen, aufwändig konstruierten Pfad. Nach dieser Definition geht es beim Meistern eines Labyrinths nicht darum, den richtigen Weg zu wählen, sondern vielmehr darum, überhaupt durchzuhalten. Der Titel scheint dennoch mehr als nur die Arbeit an diesem neuen Album zu symbolisieren, denn die Beharrlichkeit, mit der Broderick in den letzten 15 Jahren ihren Weg als Musikerin gegangen ist, legt die Vermutung nahe, dass sie auch ihr Tun als Künstlerin ganz allgemein als Labyrinth betrachtet, bei dem es trotz oft verworrenerer Wege ein klares Ziel gibt. Doch hatte sie je Zweifel? "Natürlich habe ich Momente, in denen ich meine Entscheidungen in Frage stelle, aber ich denke, das kann etwas Gutes sein", erwidert sie. "Letztendlich bleibe ich immer auf Kurs. Musikerin zu sein ist für mich eine Selbstverständlichkeit, die Musik bringt mir unglaublich viel Freude und sorgt für viele Entdeckungen. Allerdings wird es heutzutage immer schwieriger, sich mit einer kreativen Tätigkeit über Wasser zu halten, was mich manchmal dazu veranlasst, meinen Weg in Frage zu stellen. Ich denke, unsere Lebensläufe offenbaren sich uns auf gewisse Weise. Das soll nicht heißen, dass wir passiv dasitzen und Antworten erwarten können, die uns in den Schoß fallen. Es ist vielmehr so, dass jeder Schritt eine Chance bietet. Der Stoff unserer Existenz ist wie ein dicker Teppich und manchmal muss man nur das Gleiche oft genug sehen, etwas zur richtigen Zeit hören, hinter die Dinge schauen oder sich von der Neugier treiben lassen, um zu sehen, was sich auf der anderen Seite befindet und weitermachen zu können."
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Schon auf "Domes", ihrem letztjährigen Ambient-Instrumental-Album mit facettenreichen Cello-Loops und -Drones, hatte sich Broderick in der Kunst der Reduktion geübt und in Interviews den Wunsch geäußert, auch abseits der Musik nach mehr Klarheit zu streben. "Labyrinth" klingt nun, als habe sie diese Ideen auch auf den kreativen Prozess angewendet. "Es gab für mich keinen bestimmten Wendepunkt, aber ich bin davon überzeugt, dass weniger oft mehr ist", sagt sie bestimmt. "Viele interessante kreative Entscheidungen sind das Ergebnis der Arbeit mit den Werkzeugen, die uns zur Verfügung stehen. Je begrenzter sie sind, desto kreativer müssen wir manchmal mit dem umgehen, was wir haben."
Begonnen hat Broderick die Arbeit an "Labyrinth" allein, vollendet aber hat sie das Album gemeinsam mit dem Produzenten und Tontechniker D. James Goodwin, der zuletzt mit Kevin Morby, Cassandra Jenkins oder Maia Friedman zusammengearbeitet und auch Broderick bereits bei ihren letzten beiden Werken unterstützt hatte. "D. James Goodwin war ein Schlüsselspieler bei der Fertigstellung dieses Albums", erklärt sie. "Wie ich bereits erwähnt habe, waren mein Aufnahme-Setup und meine Fähigkeiten in puncto ProTools sehr begrenzt, als ich anfing, diese Songs zu schreiben und aufzunehmen. Vieles von dem, was ich zu Hause eingespielt habe, haben wir auf der Platte verwendet, aber es gab auch einige Songs, für die ich nicht die Werkzeuge hatte, um sie fertigzustellen. Zum Beispiel wusste ich von Anfang an, dass 'Crashing Against The Sun' stärkere Beats und Bassklänge braucht und umfangreicher produziert werden muss als einige der anderen Stücke. Das Lied verlangte einfach danach. Bei meinen Aufnahmen zu Hause habe ich deshalb mit einem Beat gearbeitet, der die Grundstimmung rüberbrachte, gleichzeitig aber auch Raum für Wachstum ließ. Dan wusste genau, was zu tun war. Der Song hat nun einen großartigen Drum-Sounds, der ihn wirklich auf die nächste Stufe gehoben hat. Insgesamt hat Dan einfach eine unglaubliche Sensibilität und ich liebe alles, was er der Platte hinzugefügt hat."
Entstanden ist so ein Album, das man in dieser Form von Broderick nicht erwarten durfte. Mit "Labyrinth" öffnet sie die Tür zum Mainstream einen Spalt breit - im Info der Plattenfirma fällt sogar der Begriff "stadiontauglich", und auch von "krachendem Arena-Schlagzeug" ist dort die Rede, Beschreibungen, die übrigens Broderick selbst auch zum Schmunzeln bringen. Das Rückgrat der Platte bilden derweil simple Beats, Bässe und eine sich wiederholende Melodielinie, mit denen Broderick ganz organisch in Richtung Pop deutet, wenngleich sie natürlich immer noch meilenweit von dem entfernt ist, was heute die vorderen Plätze der Verkaufscharts bevölkert. "Ich hatte dieses Mal den Wunsch, ein paar Songs mit einem schnelleren Tempo zu schreiben", sagt sie über den vielleicht offensichtlichsten Unterschied zu den Vorgängern. "Ich liebe Mid-Tempo-Musik, und dort fühle ich mich am wohlsten, aber es war eine gute Herausforderung, dieses Mal andere Wege zu gehen." Der sanften Kurskorrektur zum Trotz ist "Labyrinth" natürlich trotzdem noch ein Heather-Woods-Broderick-Album. Doch was braucht ein Lied eigentlich, um ein echter HWB-Song zu sein? "Stimmliche Harmonien sind immer der Schlüssel zu meinen Liedern mit Texten", sagt sie. "Viele der Hauptgesangslinien in diesen Songs sind ziemlich monoton, und die Dimension und Dynamik kommen von den um sie herum aufgeschichteten Gesangsharmonien. Ich denke auch, dass es in meinen Texten definitive Themen gibt, die ein Hörer auf all meinen Platten finden können."
Tatsächlich führt die klangliche Reduktion auf das Wesentliche dazu, dass Brodericks Stimme und ihre Texte mehr in den Mittelpunkt rücken. Die Texte sind verspielter als zuvor und tauchen tiefer in das Storytelling ab, was Broderick nicht zuletzt darauf zurückführt, dass sie in der Ungewissheit des Lockdowns entstanden sind und nicht gezielt mit einer Veröffentlichung im Hinterkopf geschrieben worden sind. "Ich benutze Texte definitiv als Werkzeug, um meiner Umgebung einen Sinn zu geben", sagt sie über ihre Herangehensweise. "In diesem Fall war ich an einem neuen Ort, daher gibt es viele direkte Bezüge zu den Farben und Formen Kaliforniens. Ähnlich wie sich die Bedeutung von Liedern im Nachhinein offenbaren kann, denke ich, dass sich auch verändern kann, an wen oder wohin sie gerichtet sind. Selbst wenn ich einen Song mit einer bestimmten Erfahrung oder Person im Sinn geschrieben habe, denke ich, dass wir alle ähnliche Erfahrungen machen, die die Geschichten anderer Menschen auf breiterer Ebene nachvollziehbar machen."
Obwohl es im Info zum Album heißt, dass Broderick auf "Labyrinth" keine einfachen Antworten gibt, bedeutet das nicht, dass sie selbst durch die Beschäftigung mit ihren Fragen nicht doch schlauer geworden ist, auch wenn die Erkenntnisse nicht immer auf den ersten Blick ersichtlich sind. "Oft entwickelt oder ändert sich die Bedeutung der Texte während des Schreibens eines Songs und manchmal sogar erst im Nachhinein", bestätigt sie. "Ich persönlich finde es am interessantesten, wenn das Publikum eine eigene Beziehung zu den Texten eines Liedes aufbauen kann und sich die Bedeutung den Zuhörenden quasi von selbst erschließt. Die Bedeutung eines Songs zu erklären, fühlt sich manchmal an, als würde man Kurzusammenfassungen liefern und so den Liedern die Poesie nehmen. Bei den Songbeschreibungen für Social Media habe ich oft das Gefühl, dass man sich damit von der Essenz des Songs entfernen. Zu viel Erklärungen führen für mich weiter vom Herzen weg."
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Will meinen? Auch wenn Broderick sich mit ihrer neuen LP klanglich einem größeren Publikum als je zuvor öffnet und sich ihr Fokus damit leicht verschoben hat, ist die Musik für sie doch immer noch eine Herzensangelegenheit. Das bedeutet auch, dass es auch nach all den Jahren im Hamsterrad des Musikbusiness kaum Abstand zwischen Heather Woods Broderick, der Künstlerin und Heather Woods Broderick, dem Menschen gibt. "Ich habe tatsächlich das Gefühl, dass es da überhaupt keine große Trennung gibt, und ich bin mir nicht sicher, ob das gut oder schlecht ist", gesteht sie. "Vieles von dem, was ich tue, hat nichts mit Musik zu tun, und ich nehme an, dass andere Teile meiner Persönlichkeit in diesen Momenten mehr zum Vorschein kommen. Aber weil die Musik, die ich mache, so sehr meine Erfahrungen widerspiegelt, ist es schwer, da einen Trennstrich zu ziehen. Es wäre interessant, mal ein Projekt zu haben, bei dem das anders ist." Sie lacht. "Vielleicht ist das etwas für die Zukunft!"
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Weitere Infos:
www.heatherwoodsbroderick.com
www.facebook.com/heatherwoodsbroderick twitter.com/_h_w_b_ www.instagram.com/heatherwoodsbroderick heatherwoodsbroderick.bandcamp.com
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Interview: -Carsten Wohlfeld- Foto: -Sophie Kuller-
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Aktueller Tonträger: Labyrinth (Western Vinyl/Cargo)
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