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MARINA ALLEN
 
Im Krebsgang
Marina Allen
Die aus Los Angeles stammende Songwriterin Marina Allen hat ein einfaches Prinzip: In der Absicht, sich nicht selbst zu wiederholen, ist jede ihrer Veröffentlichungen als eine Reaktion auf die vorhergehende konzipiert. Während ihr Debütalbum "Candlepower" noch eine Folk-orientierte Angelegenheit war, weitete sie ihr Konzept für das zweite Album "Centrifics" aus in Richtung Psychedelia, Kook-Pop und Laurel Canyon-Flair. Das nun vorliegende, dritte Album "Eight Pointed Star" ist nun eine im Vergleich lebhaftere Produktion geworden, wo Marina und Produzent Cohen den Solo-Charakter der ersten beiden Alben mit fülligeren Arrangements, Band-Instrumentierung und sogar einigen Up-Tempo-Nummern mit angedeuteten Rock-Elementen anreichern. Kein Wunder eigentlich, dass dieses Album dann auch ein positives, tröstliches und hoffnungsvolles Flair ausstrahlt.
"Nun, 'Hoffnung' wie auch die Natur als solche sind große Themen in meiner Arbeit", berichtet Marina, "'Centrifics' war in dieser Hinsicht vielleicht ein wenig launischer. Für mich war aber sogar dieses Album eher positiv und ich habe mich gewundert, dass einige Leute dachten, es ginge da um das Thema 'Trauer'. Im Rückblick machte das aber Sinn. Was ich an der Kunst liebe, ist die Tatsache, dass man eine Welt erschaffen kann, die noch gar nicht existiert - oder aber eine optionale Welt, in der man leben kann. Das ist für mich, was den Begriff 'Hoffnung' verkörpert und es ist das, was die Welt im Allgemeinen heutzutage eigentlich braucht. Ich bin zwar nicht täglich eine Pollyanna, aber versuche eine Welt für mich zu erschaffen, die hoffnungsvoll ist. Weniger im eskapistischen oder utopischen Sinne, sondern als Person, die auf ehrliche Weise die Welt und die Konsequenzen unseres Handelns betrachtet - aber mit der Option, eine hoffnungsvollere Alternative aufzuzeigen - wie zum Beispiel Bernie Sanders. Es geht nicht darum, sich in Phantasien zu flüchten, sondern sich der Realität zu stellen und dabei ein Gefühl der Hoffnung anzuregen. Das ist der einzige Weg, der uns wirklich nach vorne bringen kann." Das lockere Thema, das "Eight Pointed Star" zusammenhält, ist sind Erinnerungen aus Marinas Jugendzeit und aus dem Familienumfeld. "Ich habe mich selbst nie als Vakuum oder Quelle der eigenen Inspiration betrachtet", erklärt Marina, "in gewisser Weise fühle ich mich von der Welt um mich herum geprägt und verwende das, um mich selbst zu inspirieren - beispielsweise Ereignisse oder eben Erinnerungen. Bei 'Eight Pointed Star' ging es mir darum, eine Scheibe zu machen, die viele verschiedene Aspekte meiner selbst adressierte und dadurch eine Art Auflösung zu erreichen. Deswegen wählte ich das Bild eines Sterns mit acht Spitzen. Auch der Polarstern hat ja acht Spitzen und in vielen Kulturen wird dieses Bild als spirituelles Sinnbild verwendet."

In Marinas Bio sagt sie, dass der Staat Nebraska eine wichtige Quelle für sie sei. "Ja, ich bin zwar in New Jersey und im Norden Kaliforniens aufgewachsen", führt Marina aus, "aber meine Mama und meine Verwandten stammen aus Nebraska. Es waren die Geschichten meiner Mutter, die mich prägten. Es ist noch gar nicht so lange her, dass meine Mutter tatsächlich auf der Prärie lebte. Und das ist etwas ganz anderes, als das, was ich in meiner Jugend erlebt habe. Ich war immer schon an Geschichten aus dieser Zeit interessiert. Was ich interessant finde ist, dass die Geschichten, die du über deine Kindheit hörst oder an die du dich erinnerst, nie so richtig akkurat sind - und deswegen interessierte mich die Sichtweise meiner Mutter. Ich spielte also mit diesem Gedanken gespielt." Das ist ja das spannende an Erinnerungen: Denen kann man ja faktisch nicht trauen - was da viel Raum für Interpretationen offen lässt. Andererseits sind Songs ja so ziemlich die einzige Möglichkeit, Erinnerungen über eine Momentaufnahme hinausgehend festzuhalten. "Ja - so erhält man eine Sammlung von Erinnerungen", bestätigt Marina, "es geht dabei aber nicht darum, die Erinnerungen zu verifizieren, sondern sie als Startpunkt für neue Geschichten zu nutzen - beispielsweise indem ich eine Geschichte meiner Mutter als Startpunkt für eine neue, eigene Geschichte nutze. Ich denke, es geht dabei um die abstrakte Idee, Fantasie und Fiktion in gleicher Weise einzusetzen wie Erinnerungen."
Das Covermotiv zeigt Marina auf einer Sitzbank vor einem Klavier balancierend und dabei zugleich zur Decke und zu dem Tasteninstrument reichend. Was will uns denn dieses Bild sagen? "Ich mag die Idee, dass ich mich nicht als gute Klavierspielerin oder Instrumentalistin bezeichnen würde", führt Marina aus, "ich meine, ich tue, was ich kann - aber die Art, in der ich das Schreiben von Songs angehe, ist sozusagen im Krebsgang. Ich spiele nicht wirklich Klavier, aber ich reiche zu diesem hin. Der Raum ist offen aber zugleich abgeschlossen - wie in einem Gemälde. Ich möchte also, dass der Betrachter das dann in seinem Kopf alles zusammenführt, so wie ich das beim Schreiben von Songs tue." Dabei kann die Ambition dann wohl öfter mal im Wege stehen - jedenfalls sagt das Marina in ihrer aktuellen Bio. "Natürlich könnte man niemals einen Song schreiben, wenn da nicht - zusätzlich zur musischen Inspiration - ein bisschen Wille als Antrieb im Hintergrund stünde", führt Marina aus, "aber was ich meinte ist, dass die Beziehung zwischen der Ambition und der Hoffnung sehr schwierig ist, denn das sind zwei unterschiedliche Dinge. Wenn ich also mit einer bestimmten Erwartungshaltung in die Zukunft oder auf meine Inspirationen oder der Richtung des Polarsterns schaue, kann das zwar vielleicht als Ambition gesehen werden - aber wenn man tatsächlich nur die Ambition als Triebfeder hat, dann wird man nicht in der Lage sein etwas zu erschaffen, das eine tiefere Bedeutung hat. Alleine der Ambition zu folgen - speziell in Los Angeles, wo ich heute lebe -, ist also vielleicht nicht die beste Idee für Künstler. Ich denke auch, dass diese Aussage mein genereller Kommentar zum Kapitalismus und der Musikindustrie ist. An einem Gewissen Punkt hört das Ganze nämlich auf, Kunst zu sein. Es geht dann eher um Produkte und Maschinerien. Der Grund, warum wir uns immer mehr von qualitativ hochwertiger Musik entfernen, ist schlicht der, dass wir versuchen, erfolgreich zu sein." Nun gut, wenn die Ambition als alleinige kreative Triebfeder ausfällt, wie sieht es denn mit Träumen aus? (Also nicht denen, die man Nachts hat, sondern Zielen, die man anstrebt.) "Natürlich", pflichtet Marina bei, "ich will ja gar nicht sagen, dass Ambition etwas Schlechtes ist. Wenn du Kunst erschaffst, musst du am Ende immer noch die Finger kreuzen, eine eMail schreiben und versuchen, es in ein physisches Ding umzuwandeln. Es gibt eine Menge Dinge, die man jenseits der Kunst beachten muss. In jedem Fall musst du aber einen Traum haben und den Willen, diesen Traum auch zu erfüllen."
Kommen wir mal zur Musik: Gab es denn eine bestimmtes Ziel, das Marina auf der musikalischen Seite ansteuerte? "Ich denke, ich wollte etwas lockerer an die Sache herangehen", meint Marina, "ich wollte auch etwas spontaner agieren. Bei dieser Scheibe habe ich mich nicht so nervös gefühlt mit Bezug auf das, was ich aussagen wollte. Bei meinen früheren Sachen hatte ich meine Ideen mehr mit einem Reißverschluss zugemacht. Jetzt wollte ich die Sachen einfach sein lassen, was sie sein wollten." Musste dafür auch das Songwriting angepasst werden? "Also ich mag es schon, mit dem Schreiben von Songs zu experimentieren", gibt Marina zu bedenken, "wenn ich da an einem toten Punkt angekommen bin, dann mag ich es, einen Gang hochzuschalten und etwas anderes auszuprobieren (was vielleicht erklärt, dass es mehr Up-Tempo-Songs gibt). Ich hoffe aber doch sowieso sehr, dass alle meine Scheiben sich unterschiedlich anhören. Es mag dann vielleicht schwieriger sein, mich zu vermarkten, aber gerade das macht mir Spaß beim Schreiben von Songs."

Geht es Marina dabei denn überhaupt um Stile und Genres? "Das kommt drauf an", überlegt Marina, "ich mag es mehr, meiner Intuition zu folgen - aber manchmal landet man dann doch in einem bestimmten Genre. Typischerweise möchte ich dann umkehren, wenn mir das auffällt und mir bewusst wird, wovon ich da beeinflusst werde - weil ich finde, dass ein Song weniger interessant wird, wenn er Erwartungshaltungen bedient. Also versuche ich, den Flow dann zu unterbrechen - sofern man das als Administrator überhaupt leisten kann. Ich kann es jedenfalls erkennen, wenn ein Song in eine bestimmte Richtung drängt. Bei dem 'Centrifics'-Album war ich mehr willens das zuzulassen, aber bei dem neuen Album wollte ich dem Hörer dann weniger das bieten, was er erwarten würde."
Weitere Infos:
www.firerecords.com/artists/marina-allen
www.instagram.com/hello_marina_allen
www.facebook.com/profile.php?id=100064232941359
www.youtube.com/watch?v=YghWK8xhzvs
www.youtube.com/watch?v=Q3zDuD9hJ8c
Interview: -Ullrich Maurer-
Foto: -Juliana Giraffe & Nicola Giraffe-
Marina Allen
Aktueller Tonträger:
Eight Pointed Star
(Fire Records/Cargo)
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