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FRIEDBERG
 
Alles und nichts, oder?
Friedberg
"Gut Ding will Weile haben” - nach diesem Prinzip hat die österreichische Musikerin (und Schauspielerin) Anna Wappel offensichtlich ihre musikalische Laufbahn ausgerichtet. Bereits seit 2005 ist Anna unter ihrem Künstlernamen Anna F. musikalisch tätig - wobei das "F" für den Anfangsbuchstaben ihres Geburtsortes Friedberg in der Steiermark stand. Unter diesem Namen veröffentlichte sie zwischen 2009 und 2014 zunächst drei recht erfolgreiche Alben - von denen die erste "...For Real" auch gleich Goldstatus erreichte. Danach überdachte sie das Konzept, woraus dann die Idee entstand, mit einer festen Band die Sache auf eine breitere Basis zu stellen.
Nachdem Anna ihre Basis in London aufgeschlagen hatte, formierte sie mit der Gitarristin Emily Linden, der Bassistin Cheryl Pinero und der Drummerin Laura Williams dann die Band Friedberg (dieses mal dann ausgeschrieben). Bereits 2019 erschien die Single "Boom" als Testballon, dem 2021 dann eine EP mit dem beziehungsreichen Titel "Yeah Yeah Yeah Yeah Yeah Yeah Yeah Yeah" folgte. Es dauerte dann allerdings noch drei Jahre, bis nun endlich auch ein Mal ein kompletter Longplayer fertig wurde. Ihren Sound hatte die Band Friedberg dabei bereits gefunden - was sie mit Auftritten bei diversen Festivals oder als Support-Act für z.B. Placebo oder AnnenMayKantereit sowie einer US-Tour mit der Band Hot Chip unlängst gezeigt hatte. Warum also dauerte es so lang, bis das Album "Hardcore Workout Queen" fertig wurde? "Also ich will das jetzt gar nicht auf die Pandemie schieben", antwortet Anna, "das war ich selbst schuld. Ich bin halt einfach nicht die Schnellste. Entscheidungen fallen mir wahnsinnig schwer und um zu Entscheidungen zu kommen, brauche ich ein Ausschlussverfahren. Sprich: Ich muss von jedem Song immer 1.000 Versionen machen, um dann zu wissen, welche nicht funktionieren. Deswegen dauert das immer alles so lange. Ich denke, ich bin aber jetzt ein bisschen schlauer geworden und bin dann drauf gekommen, dass meistens die ersten Versionen sowieso am nächsten an dem dran sind, was man sich vorgenommen hat - deswegen wird es hoffentlich in Zukunft nicht mehr so lange dauern. Außerdem habe ich ganz lange gebraucht, ein Label zu finden, damit alles seinen Platz hatte. Ich habe bei Clouds Hill das Gefühl gehabt, dass das am persönlichsten war und dass die richtig dahinter standen und das unbedingt auch machen wollten. Man muss bei den Leuten, mit denen man zusammenarbeitet, sowieso immer das Gefühl haben, dass die das unbedingt wollen.” Gut - dann gibt es also ab jetzt öfter Musik von Friedberg. Bedeutet das dann, dass auf der LP nun die Aufnahmen zu hören sind, mit denen Friedberg die Arbeit begonnen hatten? "Genau", bestätigt Anna, "das sind oft die ersten Demos, die mit ganz spärlichem Equipment bei irgendwelchen Roadtrips in Airbnbs entstanden sind. Da habe ich dann vielleicht die Drums noch mal neu aufgenommen, weil ich die unterwegs nur programmiert hatte. Die Haupt-Elemente stammen in den meisten Fällen von diesen ersten Demos." Und dann ist es ja doch auch so, dass die Aufnahmen sowieso nie genauso klingen, wie das, was man sich vorher ausgedacht hat - auch nicht, wenn man ewig daran arbeitet, richtig? "Ja genau", pflichtet Anna bei, "man versucht dann immer sich dem anzunähern, was man im Kopf hat, weiß aber manchmal eben auch gar nicht, was man ändern müsste, um dem nahezukommen.”

Interessanterweise singt Anna in ihren Texten weniger über sich selbst, sondern über Charaktere, die sie beobachtet. Was sind denn für gewöhnlich ihre Themen? Auf ihrer Website heißt es, dass es um "Alles und Nichts" ginge. Kann man das so stehen lassen? "Also ich schreibe Gedichte und Musik separat", verrät sie, "das bringe ich dann irgendwie zusammen. Ich finde Musik zu schreiben super-einfach - aber an den Lyrics muss ich immer sehr lange arbeiten - weil mir die super-wichtig sind. Wenn ich dann schon eine Melodie habe, auf die ich einen Text anpassen muss, dann achte ich schon darauf, dass der dann nicht nur gut klingt, sondern auch etwas bedeutet. Die Inspiration für meine Texte kommt aus der Umgebung der Warehouse-Community in London, in der ich wohne. Da gibt es zum Beispiel diesen Maler, der morgens seine Fenster öffnet und Kaffee für alle Nachbarn macht. Das sind dann alles Künstler und Künstlerinnen und da gibt es immer sehr viele interessante Gespräche und man findet immer wieder Ausgangspunkte für Texte. Wenn ich etwas höre, was ich gut finde, schreibe ich das auf und bearbeite das dann weiter. Es geht um Beobachtungen aus meinem Leben. Das Café ist schon sehr interessant und eine gute Art, seinen Tag zu starten.”

Wenn Friedberg auf der Bühne stehen, dann rockt das zuweilen schon ganz schön. Dieser Aspekt wird auf der nun vorliegenden LP aber deutlich zugunsten eines wavig/poppigeren Sounddesigns zurückgefahren. "Ja, denn ich wollte es auf den Aufnahmen nicht zu rockig haben", bestätigt Anna diese Vermutung, "auf der Bühne klappt das ganz gut - aber die Sachen live im Studio einzuspielen, hat nicht so gut funktioniert. Wir haben das ausprobiert - weil ich ja alles ausprobiere -, aber ich finde es gut, so wie es jetzt ist. Ich finde es auch gut, dass es auf der Bühne rockig ist - weil das dann auch etwas anders ist, als auf dem Album und wir dann auch extended Versions von verschiedenen Songs ausprobieren können - mit Bandparts, Cowbells und Percussion.” In dem Zusammenhang: Was bedeuten denn Kuhglocken für Anna? Denn die sind mittlerweile zum Markenzeichen von Friedberg geworden. "Alles", meint Anna, "denn die machen mich einfach super-glücklich. Ich war jetzt bei LCD Soundsystem und habe mir dort alles aus der ersten Reihe ganz genau angeschaut - so ein Fan bin ich. Ich kenne Al Doyle von Hot Chip - mit denen wir in den USA getourt sind - und der spielt auch bei LCD Soundsystem und hat mich dann James Murphy als Cowbell-Enthusiast vorgestellt. Wir haben dann auch über Cowbells geredet. Cowbells machen mich einfach glücklich, seit ich ESG - einer Band die nur mit Schlagzeug, Bass und Perkussion gibt - und LCD Soundsystem live gesehen habe."
Die Scheibe enthält ja auch einige unerbittliche Krautrock-Passagen und wird zudem eingerahmt von zwei längeren Songs namens "100 Times" und "Pull Me Off The Passing Lane". Wurde dann bei diesen Tracks im Studio auch improvisiert? "Genau", bestätigt Anna, "das hast du richtig erkannt. Insbesondere die beiden Songs am Anfange und Ende der Scheibe entstanden aus sehr langen Jams im Studio. Und Krautrock finde ich eh geil. Schön, dass du das gleich angeführt hast.” Wie entstehen denn die Tracks? Es ist doch so, dass Anna die Stücke schreibt, oder? "Ja - ich habe viel mit dem Produzenten Oli Bayston im Studio gejammt und dann die Lyrics meistens zu Hause geschrieben. Das kann ich nicht so auf Knopfdruck machen. Musik mache ich ja sowieso dauernd.” Das bringt uns zu der Frage, warum Anna denn überhaupt dauernd Musik macht? "Da habe ich überhaupt noch nie drüber nachgedacht", führt Anna aus, "ich habe schon als Kind angefangen zu singen, habe dann im Chor gesungen und Gitarrenstunden genommen und mit 11 oder 12 Jahren habe ich angefangen Songs zu schreiben. Dann gab es da diesen Moment, wo ich in der Pubertät eine Riesen-Angst davor hatte, auf die Bühne zu gehen - was für mich als Kind ganz normal gewesen war. Dann habe ich mir aber gedacht: 'Du musst das halt jetzt machen'. Es war dann mein Musiklehrer, der mir gesagt hatte, dass ich unbedingt was mit Musik machen sollte. Solche Leute habe ich dann immer wieder getroffen.” Wonach sucht Anna, wenn sie einen Song schreibt? "Nach einem Gefühl", antwortet sie, "ich fange immer dann gerne an zu schreiben, wenn ich einen Rhythmus im Kopf habe. Auch meine Melodien sind ja immer sehr rhythmisch. Es gibt dann zwei Arten Songs zu schreiben: Entweder ich sitze zu Hause mit einer Gitarre und schreibe alleine - was ich auch cool finde, womit ich mich aber schwer tue. Ich mag es lieber im Studio mit jemand anderem zu schreiben, weil man dann immer gleich Feedback bekommt. Und ich schreibe gerne mit rhythmischen Elementen und schreibe dann Single-Line Gitarrenhooks, die mein Produzent immer 'Surf Gitarren' nennt. Die Vocals sind dann nicht rockig, sondern laid back - wegen der Balance. Diese Spannung finde ich interessant. Mich reizt dann das Widersprüchliche.” Und was ist dabei die Herausforderung? "Die Herausforderung ist etwas zu machen, was mir selber gefällt", verrät Anna, "und die größte Herausforderung ist eigentlich, gute Lyrics zu schreiben. Bei diesem Album am wichtigsten war mir zum Beispiel Themen zu finden, die zum Nachdenken anregen. Themen anzubieten und Leute, die das hören dazu zu bringen einen anderen Gedankenansatz zu verfolgen." Das bedeutet dann aber doch, dass die Texte eine gewisse Ambivalenz ausstrahlen müssen, oder? "Ja das finde ich schon", meint Anna, "ich finde es selber immer spannend, wenn Texte nicht so klar und offensichtlich sind und stattdessen Bilder im Kopf entstehen."
Da Anna immer so viel unterwegs und ständig irgendwo aktiv ist, wäre es doch mal interessant zu fragen, wo sie heutzutage eigentlich ihre Mitte und ihre "Selbst" sieht? "Das ist auf jeden Fall immer an das gebunden, was ich mache und an Menschen - und nicht an Orte - gebunden. Es geht auch um das, was mich gerade happy macht. Wenn ich das verspüre, dann geht es mir überall gut.” Na das sind ja ideale Voraussetzungen für eine Musikerin, die ihre eigentliche Berufung in der Live-Performance sieht: Friedberg gehen demzufolge dieser Tage auf ihre erste Headliner-Tour.
Weitere Infos:
friedbergmusic.com
www.facebook.com/FriedbergMusic
www.instagram.com/friedbergmusic
www.youtube.com/@FriedbergMusic/videos
Interview: -Ullrich Maurer-
Foto: -Lewis Vorn-
Friedberg
Aktueller Tonträger:
Hardcore Workout Queen
(Clouds Hill/Warner Music)
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