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BASIA BULAT
 
Die natürliche Art zu sein
Basia Bulat
Manchmal muss man Hindernisse einfach auch als Chance begreifen. Das tat jedenfalls die kanadische Songwriterin Basia Bulat, die es geschafft hatte, ihr letztes Album "Are You In Love?" 2020 tatsächlich genau in der ersten Lockdown-Woche der ausbrechenden Pandemie zu veröffentlichen. Die sich anschließenden Lähmungsphasen konnte sie natürlich im Folgenden nicht zur Promotion der LP nutzen, wodurch diese dann im allgemeinen Chaos etwas unter ging. Basia machte das, was sich einer sensiblen Künstlerin als Lösung dieses Zustandes anbot: Sie nahm sich eine Auszeit, um zu sich selbst zu finden, erfüllte sich einen lang gehegten Herzenswunsch und spielte für das Projekt "The Garden" ihre eigenen Lieblingssongs mit einem Streicherensemble neu ein, erfüllte sich einen weiteren Herzenswunsch und wurde Mutter und begann dann im Folgenden an neuen Songs zu arbeiten, die sie dann in ihrem Kellerstudio mit Hilfe ihres Freundes Mark Lawson, der ihr als Co-Produzent unter die Arme griff, ihrer Katze und ihres Mannes Andrew Woods als Tontechniker realisierte. Besagtes Kellerstudio ist dann auch der physische Ort, den Basia als "Basia’s Palace" bezeichnet - über eine weiterführende Bedeutung des Begriffes als Geisteszustand und alternative Traumwelt hinaus.
Das neue Album ist insofern reduzierter, als dass Basia und Mark Lawson weitestgehend alleine arbeiteten. Was war denn überhaupt das musikalische Ziel des neuen Projektes? "Ziel?", fragt Basia, "also ich hatte keinen speziellen Plan. Das musikalische Ziel war vielleicht, neugierig zu bleiben und herauszufinden, wie ich als Künstlerin zu einem Moment weitermachen könnte, wo ich nun nicht mehr alle Zeit der Welt zur Verfügung hatte. Es gab ja eine Menge Veränderungen und ich musste mir überlegen, wie ich etwas Neues versuchen könnte. Denn ich hätte es mir ja einfach machen und mich mit meiner Harfe oder einer Gitarre hinsetzen und acht bis zehn Songs raushauen können. Das wäre ja vielleicht auch eine coole Scheibe geworden - wer weiß. Aber es war schon schwierig, weil ich ja jetzt nicht mehr viel Krach machen konnte und darauf achten musste, dass ich niemanden aufwecke." Wonach suchte Basia auf einer musikalischen Ebene? Und wodurch stillt sie denn ihre zuvor angesprochene musikalische Neugier? "Wenn man einen Nervenkitzel von einem Sound bekommt, den man zuvor noch nicht gehört hat, ist das ein unbeschreibliches Gefühl - und da spürte ich dann auch, wie meine musikalische Neugier geweckt wurde. Das ist dann fast als habe man eine physische Reaktion - wie etwa als Kind etwas neu entdeckt zu haben. Das ist aufregend."

Ein bisschen kindliche Neugier hat ja beim Musizieren sowieso noch nie geschadet. "Genau - für mich hat es jedenfalls funktioniert", gibt Basia zu Protokoll, "ich habe bei diesem Projekt auch die Texte daraufhin nachbearbeiten. Meine kindliche Neugier hängt auch damit zusammen, dass ich mich gerade in der Mitte meines Lebens befinde. Nicht nur das Alter betreffend, sondern auch die Generationen. Ich habe meine Mutter und meine Großmutter und jetzt meine Tochter. Visuell habe ich die Songs dann zwischen Unschuld und Weisheit gesehen. Die weisesten Leute bewahren sich nämlich einen Sinn für die Unschuld und die kleinsten Personen entwickeln zuweilen eine erstaunliche Weisheit - auch wenn sie gerade mal zwei Jahre alt sind und eigentlich noch gar nichts von der Welt wissen." Es scheint auf dem Album dann um Erinnerungen - und Träume - zu gehen. Sind das die Inspirationen für Basias Lyrics? "Auf jeden Fall", bestätigt sie die Vermutung, "besonders bei dieser Scheibe. Das hängt vielleicht damit zusammen, dass ich oft zu jeder gegebenen Zeit wach war und mich deswegen mit der Traum- und Spirit-Welt so verbunden fühlte, wie seit meiner Kindheit nicht mehr. In der späten Jugend oder als früher Erwachsener versucht man dann ja auch aufzuwachsen und orientiert sich dann eher an der realen Welt. Aber Träume sind ja eigentlich auch real. Es geht da so viel in deinem Inneren ab - oder sogar außerhalb - von dem du gar nicht weißt, woher das alles kommt. Ich versuche auf jeden Fall, mit dieser Ebene in Kontakt zu bleiben."
Musik ist ja auch ein geeignetes Medium, um Träume wie auch Erinnerungen über den offensichtlichen Fakt einer Momentaufnahme hinaus zu bewahren, oder? "Ich denke, dass Musik eine besondere Kraft hat, mit Erinnerungen umzugehen. Gemälde und Fotos bleiben auf die Leinwand beschränkt, auf der sie zu sehen sind und Filme geben dir eine Richtung vor und erzählen dir eine Geschichte. Musik hingegen hat diese einzigartige Qualität, indem sie eine eigene Geschichte oder eigene Erinnerungen evozieren kann. Jeder interpretiert Songs auf seine eigene Weise - sei es den Inhalt betreffend oder die Art in der sie gesungen werden. Ich mag Cover-Versionen - oder im Falle von 'The Garden' auch eigene Songs - neu zu interpretieren. Einen Song 15 Jahre später neu zu entdecken, hat mir so viel eröffnet. Was der Song damals bedeutet hat und was er heute bedeutet, ergibt sich ja schon alleine dadurch, dass er 15 Jahre lang ein Eigenleben entwickelt hat. Das ist dann wie eine Erinnerungsreise - aber auch wie ein Schnappschuss." Wobei man Erinnerungen ja nicht so recht vertrauen kann. "Genau - du kannst Erinnerungen - wohl aber deiner Präsenz im Bezug auf den Song. Ich selbst habe nicht das beste Erinnerungsvermögen, kann aber darauf vertrauen, dass mich die Musik über die Emotionen an einen bestimmten Ort zurückführt - und dabei geht es nicht darum, wie genau etwas wirklich passiert ist. Das ist einzigartig. Wir brauchen die Musik eigentlich für all unsere Großen Lebens-Angelegenheiten."

Das bringt uns nahtlos zu der Frage, was die Musik als solche für Basia Bulat ausmacht bzw. bedeutet? "Musik ist eine wesentliche Funktion der ganzen Menschheit", meint Basia, "und eigentlich auch für Tiere und überhaupt alle lebenden Dinge. Jedes Wesen hat sein Lied - sei es der Wind, der durch die Blätter streicht und Bäume die sich so unterhalten, Grillen die zirpen, Vögel die zwitschern oder Ameisen, die winzige Schrittchen machen. Musik ist also nicht nur eine Kommunikationsform, sondern unsere natürliche Art zu sein. Und Musik ist ein Begleiter. Selbst wenn du alleine bist, bist du mit Musik dann doch nicht allein. Klang und Songs sind für mich Anzeichen des Lebens."
Was ist denn die größte Herausforderung für die Songwriterin Basia Bulat? "Das hat sich über die Jahre verändert", erklärt sie, "Melodien fallen mir sehr leicht und ich muss dann daran arbeiten, dass die Texte auch gut klingen - etwa indem ich sie laut ausspreche, bevor ich sie aufschreibe. Es geht dann darum, Inhalte und die Musik miteinander zu verbinden - und daran muss ich ordentlich arbeiten. Man darf es aber auch nicht übertreiben mit dem Bearbeiten von Songs, denn dann geht der Flow der Musik verloren. Man muss darauf achten, die Sachen nicht allzu sehr zu durchdenken und in Frage zu stellen - denn dann wechselt man ja von der Welt der Magie wieder in die Welt der Logik."

Eine kleine Sache muss noch ergründet werden. In dem Song "Disco Polo" nimmt Basia Bezug auf ihre polnischen Roots. Worum geht es denn da genau? Was ist "Disco Polo"? "Das ist eine Art Musikgenre, das ungefähr zur selben Zeit entstanden ist wie Italo-Disco, aber bis heute noch vertreten ist", verrät Basia, "mein Vater und meine Mutter haben sehr verschiedene Beziehungen zur Musik. Meine Mutter hat klassisches Klavier und Gitarre gelernt und mich mit Chopin und Klassik und Folkmusik bekannt gemacht - während mein Vater wirklich Disco Polo liebte. Ich habe das als Teenager wirklich gehasst, weil es mir so kitschig und peinlich erschien. Erst als mein Vater verstorben war, habe ich versucht, dieser Musik eine Chance zu geben. Es gibt so einige Sachen aus den 80ern - bei denen Folk-Elemente mit Euro-Disco-Beats zusammengeführt wurden -, die ich heute ganz charmant finde. Was aber wichtig ist, ist dass der Song 'Disco Polo' nicht nach Disco Polo klingen sollte - dazu wäre ich gar nicht in der Lage. Was ich aber gemacht habe, ist eine Drum-Machine namens 'Rhythmn 16' aus Polen zu verwenden, die mein Freund Mark Lawson für mich gefunden hatte. Diese alten Synthie-Maschinen haben einen bestimmten Charakter, der mich an meine Kindheit erinnert."

Kurzum: Mit ihrem brillanten neuen Album "Basia's Palace" schlägt Basia Bulat über die Rückbesinnung auf ihre eigene Kindheit dann am Ende sogar eine Brücke zwischen den Generationen und musikalisch zwischen ihren Folkroots und einer für sie neuen Möglichkeit, sich neu kreativ auszudrücken. Für den Sommer hat sie dann auch eine Headliner-Tour in unseren Breiten angedacht.
Weitere Infos:
basiabulat.com
www.facebook.com/BasiaBulat
www.instagram.com/basiabulat
www.youtube.com/@basiabulatmusic/videos
Interview: -Ullrich Maurer-
Foto: -Richmond Lam-
Basia Bulat
Aktueller Tonträger:
Basia's Palace
(Secret City/Rough Trade)
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