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HEATHER NOVA
 
Die dankbare Wort-Connaisseurin
Heather Nova
Heather Nova zeigt sich auf ihrem neuen, inzwischen 13. Album von ihrer verletzlichsten Seite: In den oft leisen, ja geradezu meditativ anmutenden Songs auf "Breath And Air" spürt die 57-jährige, in Bermuda heimische Singer/Songwriterin guten wie schlechten wiederkehrenden Zyklen und Mustern in ihrem Leben und in der Natur nach und formt aus diesen Gedanken zartbesaitete Selbstfindungssongs, die behutsam instrumentiert Heathers unverkennbar ätherischen Gesang in den Mittelpunkt rücken. Entstanden bei Sessions mit Ben-Howard-Produzent Chris Bond, gesellen sich auf "Breath And Air" akustische Instrumente zu elektronischen Sounds und Ambient-Klangflächen, die den emotionalen Charakter der Lieder wirkungsvoll unterstützen und Heather neue Ausdrucksmöglichkeiten ein klein wenig abseits ihres seit drei Jahrzehnten etablierten Markenzeichensounds geben, der ihr einst Evergreens wie "Walk This World", "Heart And Shoulder" oder "London Rain" beschert haben.
Heather Nova hat sich dieses Mal Zeit gelassen. Fast sechs Jahre sind seit der Veröffentlichung ihres letzten Albums mit selbstgeschriebenen Songs vergangen, und auch wenn es bedingt durch die COVID-19-Pandemie natürlich gute Gründe gab: Nie hat im Laufe ihrer langen Karriere mehr Zeit zwischen zwei Alben gelegen. "Das stimmt, und das war ein Problem für mich, denn am Ende hatte ich einfach zu viele Songs", gesteht Heather gleich zu Beginn des Interviews mit Gaesteliste.de. "Ich meine das ganz ernst: Das war ein echtes Problem, denn du kannst nicht mehr als die 12 oder 14 aufnehmen, die am Ende auf der Platte landen. Wenn du in ein großes Studio mit einem Produzenten und einem Tontechniker gehen willst, wäre mehr auch unbezahlbar. Also musst du dich im Vorfeld auf deine Favoriten festlegen, und das ist mir nicht leichtgefallen, da sich seit 'Pearl' zu viele Songs angesammelt hatten."

Ein bisschen könnte man sich beim Hören von "Breath And Air" fast einbilden, dass die Isolation der Pandemie-Jahre bisweilen auf die neuen Lieder abgefärbt haben, denn anders als beim betont auch außen gerichteten, bandlastigen Vorgängerwerk scheinen einige der neuen Songs wie "Ghost In A Room" oder "Ebbs And Flows" einen eher solistischen, introspektiven Charakter zu haben. Eine Absicht steckte aber nicht dahinter. "Ich mache mir nie Gedanken darum, wie ein Song später klingen wird", gibt Heather zu bedenken. "Beim Schreiben gibt es immer nur mich und meine Gitarre, und wenn du dann die rockigeren Nummern hörst, selbst frühe Sachen wie 'Walk This World' oder eben die bandlastigen Nummern auf 'Pearl' - sie alle haben ihren Ursprung bei mir und meiner Gitarre und klingen letztlich wie Folk-Songs. Erst wenn wir im Studio anfangen zu arrangieren, nehmen die Songs Form an. Deshalb bin ich in der Lage, Soloshows genauso wie Konzerte mit der Band zu spielen."

Trotzdem bedeutet das nicht, dass Heather für ihre neue Platte nicht trotzdem etwas anderes ausprobieren wollte, als nur den Pfad weiterzuverfolgen, der sie in den letzten 30 Jahren unverwechselbar gemacht hatte. "Für diese Platte war mein ursprünglicher Plan, mich weitestmöglich von meinem typischen Sound zu entfernen", verrät sie. "Zunächst habe ich tatsächlich gedacht, ich würde auf der Platte komplett ohne meine Gitarre aufnehmen - auch wenn ich alle Songs auf der Gitarre schreibe. Das Interessante war: Als wir im Studio waren, bettelten die Songs geradezu um diesen erdigen Signature-Sound, der einfach ein Teil von mir ist, und letztlich habe ich dann doch zur Gitarre gegriffen. Allerdings gibt es eben auch Songs wie 'Human Experience', bei denen ich auf die Akustikgitarre verzichtet und etwas Neues ausprobiert habe."

Tatsächlich ist "Human Experience" nicht nur die ungewöhnlichste, sondern vielleicht auch beste Nummer, gerade weil Heather hier über den Tellerrand blickt, ohne deshalb ihr vorheriges Schaffen komplett zu verleugnen. "Oh, das ist schön zu hören", freut sie sich. "Das war ein Experiment, und auch wenn ich anfangs gedacht hatte, dass das ganze Album eher in diese Richtung tendieren würde, geht es am Ende doch darum, das zu tun, was dem Song am besten gerecht wird. Von 'Ghost In My Room' existiert eine Version, bei der wir die Akustikgitarre rausgenommen haben, das war dann viel Synth-lastiger, aber da fehlte einfach das organische Feeling, und deshalb haben wir die Gitarre dann wieder mit reingenommen."

Für Heather war es dieses Mal eine Priorität, sich ganz der - oft angenehm seelenvollen/souligen - Atmosphäre hinzugeben, anstatt bei den Aufnahmen darauf zu achten, radiotaugliche Single-Pop-Hits zu produzieren. Deshalb finden sich auf dem Album eine ganze Reihe betont entspannter, zurückgenommener Songs, was perfekt zu den traumhaft lyrischen Texten passt, über die Heather bereits im Info zum Album sagte: "Je älter ich werde, desto mehr stelle ich fest, dass ich mein ganzes Leben lang Muster wiederholt habe, sogar solche, die mir nicht dienlich sind: Gedankenmuster, Beziehungsmuster... Wir wiederholen die Zyklen, bis wir wirklich lernen, was unsere Kernwunden sind und wie wir sie heilen können. Das Songwriting an sich ist eine Suche nach Bedeutung und Klarheit über uns selbst und die Welt, in der wir leben." Doch auch wenn die Intension dieses Mal eine etwas andere war, der Weg dorthin war letztlich unverändert. "Ich suche immer nach einer gewissen Poesie", sagt sie. "Ich suche nach etwas, das wahrhaftig, gefühlvoll, wunderschön und nicht offensichtlich ist. Ich bin gewissermaßen eine Wort-Connaisseurin. Ich benutze nicht irgendwelche Worte, es müssen stets welche sein, die die Sinne und Emotionen ansprechen."

Das Konzept der Dualität, das sich wie ein roter Faden durch das Album zieht und gleich in einer Reihe Songtitel - "Breath And Air", "Ebbs And Flows" oder "Butterflies And Moths" - verankert ist, rückt nun zwar stärker in den Fokus als je zuvor, das Interesse an der Thematik und an zyklischen Verläufen ist allerdings nichts Neues für Heather. "Je älter du wirst, desto eher wird dir bewusst, dass zwei Dinge gleichzeitig existieren können", sagt sie, "ganz egal, ob das Dunkelheit und Licht oder Trauer und Dankbarkeit sind. Letztendlich kommst du dann an den Punkt, an dem dir klar wird, dass die einzige Lösung Akzeptanz und der Blick nach vorn ist." Das gilt letztlich auch für das, was man in diesem Kontext vielleicht "Dualität der Meinungen" nennen könnte. Statt wie so viele heute die Welt nur in Schwarz und Weiß zu sehen, würde es sicherlich oft schon helfen, die Perspektive zu wechseln und sich zu fragen, wie und warum das Gegenüber zu einer anderen Sichtweise kommt. "Das ist ein toller Ansatz, weil es nicht nur darum geht, warum eine Person eine andere Meinung hat, sondern auch um die Frage, warum ich dagegen eine so starke Aversion habe", sagt Heather. "Warum fällt es mir so schwer, beide Seiten zu akzeptieren? Das ist eine wichtige Frage!"
Passend zu der nachdenklichen Stimmung der neuen Platte wird auch die Tournee zu "Breath And Air" in intimem Rahmen stattfinden, denn die rund zwei Dutzend Shows, die Heather im März in Deutschland und dem angrenzenden Ausland bestreiten wird, sind Duo-Konzerte mit ihrer langjährigen Kollaborateurin Midori Jaeger, die eine eklektische Mischung aus akustischen, Cello-betonten Stücken kombiniert mit Synthesizern, Beats und Percussion versprechen. Dass die meisten Konzerte der Gastspielreise schon Wochen oder sogar Monate im Voraus ausverkauft waren, zeigt Heather, dass sie immer noch auf dem richtigen Weg ist, oder wie sie es abschließend ausdrückt: "Es macht mich glücklich, dass ich nach all den Jahren immer noch Songs schreibe, die den Menschen nahegehen. Für mich ist das immer noch faszinierend: Da schreibe ich einen kleinen Song und sende ihn hinaus in die Welt und er bekommt eine Bedeutung für sie in ihrem Leben. Das finde ich wunderschön, denn für mich ist der Zweck der Musik, eine Verbindung herzustellen, damit wir alle uns ein bisschen weniger allein fühlen. Dafür bin ich sehr dankbar, und Dankbarkeit führt zum Glücklichsein!"
Weitere Infos:
www.heathernova.com
instagram.com/heathernova
www.facebook.com/HeatherNovaOfficial
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Vincent Lions-
Heather Nova
Aktueller Tonträger:
Breath And Air
(V2/Bertus)
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