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CLAIRE DAYS
 
Das soziale Tier
Claire days
Als sie im Alter von zehn Jahren zugleich die klassische Gitarre wie auch die Punk- und Hardrock-Sammlung in der CD-Abteilung der Bibliothek für sich entdeckte, war es um Claire Moreau a.k.a. Claire days geschehen. Seit jener Zeit ist die französische Songwriterin der Musik verfallen. Und nachdem sie dann später einen Abschluss in wirtschaftlicher, technischer und redaktioneller Übersetzung in der Tasche hatte, war es für sie endgültig klar, dass sie hinkünftig ihr Dasein der Musik widmen wollte - wobei ihr die zuvor erworbenen Kenntnisse der englischen Sprache zupass kamen, denn die meisten ihrer fragilen Indie-Folk-Pop- und Rocksongs kommen mit poetischen, englischen Lyrics daher. Das mag auch daran liegen, dass Claire sich schon früh mit dem englischen Musiker Fin Paul Greenall (besser bekannt unter seinem Künstlernamen "Fink") zusammen tat, mit dem sie 2022 sowohl ihr erstes Album "Emotional Territory", wie auch das nun vorliegende zweite Werk "I Remember Something" co-produzierte.
Apropos Künstlernamen: Claires Projektnamen "Claire days" kommt deswegen mit der eigentümlichen Schreibweise daher, weil sie deutlich machen möchte, dass es eben nicht ihr Familienname ist. Stattdessen bezieht sie sich damit auf Redewendungen wie "salad days" oder "dog days". Zwar erklärt das dann noch nicht, warum auf dem Cover des neuen Albums nicht sie selbst, sondern ihre Mutter zu sehen ist - aber das kann man ja noch hinterfragen...

Was ist denn der Hintergrund für die Auswahl des Titelmotivs? "Es ist ein sehr altes Bild von meiner Mutter im Alter von 24 Jahren, das ich bei mir trage", führt Claire aus, "ich mag das Bild sehr, weil ich mich selbst in dem Bild erkennen kann - aber ich es nicht selbst bin. Ich war zu der Zeit, in der das Bild aufgenommen wurde, ja noch gar nicht geboren, also bin ich es nicht selbst. Es geht hier um Projektionen und Erinnerungen (was ja auch das Thema des Albums ist). Ich liebe das Foto mit seinen warmen, verwaschenen Farben und dem leicht unscharfen Fokus. Außerdem ist es ganz angenehm, dass ich nicht ein Foto von mir selbst auf das Cover nehmen musste, weil es so anstrengend ist, immer sein Gesicht zeigen zu müssen." Claire lässt demzufolge eher ihre Musik für sich sprechen. Mit ihren ungewöhnlich strukturierten Songs in einem weitestgehend akustischen Indierock-Setting bearbeitet sie dabei intuitiv ein Terrain, das kapriziöse Kolleginnen wie z.B. Joni Mitchell oder heutzutage Laura Marling in ähnlich offener Weise beackern - wenngleich auch auf eine betont eigentümliche Weise, die ganz deutlich Claire selbst repräsentiert und die nichts mit Kopisten- oder Epigonentum zu tun hat.

Worum geht es Claire Moreau also bei ihrer Kunst? "Das ist eine gute Frage, an die mich selbst gelegentlich erinnern muss", meint Claire, "Musik ist meine Art das Leben zu erfahren und das ist dann auch meine Art auszudrücken, wer ich bin und was meine Beziehung zum Leben und dieser Welt, in der wir leben, bedeutet. Das ist alles sehr persönlich und intim. Schon als Kind verspürte ich, dass ich mich auf eine andere Weise ausdrücken müsste, als alleine über die Sprache. Also habe ich Melodien und Songs geschrieben. Das hat sich bis heute nie geändert. Meine Beziehung zur Musik ist auf gewisse Weise eine Erweiterung meiner Ausdrucksmöglichkeit als menschliches Wesen. Das muss ich mir immer wieder vergegenwärtigen. Zwar ist die Musik auch mein Beruf - aber es ist gut, sich gelegentlich daran zu erinnern, warum ich das mache. Und ich mache das, weil es das ist, was mich als Menschen ausmacht - und nicht um Geld zu verdienen oder weil ich jemandem gefallen oder anerkannt oder geliebt werden will. Ich mache das eigentlich schon seitdem ich fünf Jahre alt bin und ich bin mir sicher, dass ich das auch weiterhin machen werde - bis zu dem Tag, an dem ich sterben werde. Das ist mein Ding und meine Beziehung zum Leben. So etwas muss man vor der Industrie und den kommerziellen Ideen beschützen, weil das etwas sehr Reines, Pures ist."
Musik kann in diesem Sinne ja auch ein Begleiter sein, richtig? "Ja - mit Musik bist du niemals alleine", pflichtet Claire bei, "ich habe zum Beispiel hier meine Gitarre. Das ist ein gutes Instrument, das du in deinen Händen halten kannst und das du mit auf Reisen nehmen kannst. Das ist wie eine Präsenz, die tatsächlich greifbar ist, während man die Musik selbst ja gar nicht anfassen kann. Für mich ist Musik auf jeden Fall eine Begleiterin. Ich gehe damit durchs Leben - aber sie hilft mir auch, durchs Leben zu gehen." Wie geht Claire den Prozess des Songwritings an? In einem Interview sagte sie ein Mal, dass der Moment der Inspiration ein sehr zerbrechlicher sei. Was ist damit gemeint? "Das ist deswegen sehr zerbrechlich, weil es passiert und dann auch gleich wieder vorbei ist, wenn du den Moment nicht einfängst. Wenn du in dem Moment nicht bereit bist und dann nicht in der Lage bist, etwas, was ja aus den Schatten aufgetaucht ist, festzuhalten, dann wird es wieder verschwinden. Das ist aber dann auch okay. Es geht eben um bestimmte Momente. Jeder Song kommt mir auf diese Weise zu. Ich habe ein Gefühl, das ich irgendwie ausdrücken möchte und manchmal klappt es auf diese Weise und manchmal nicht und manchmal muss man es dann auch lassen und etwas anderes machen. Ich kann mich jedenfalls nicht hinsetzen und mir sagen, dass ich einen Song über dies und das schreiben möchte. Das funktioniert nicht für mich - oder es ist doch zumindest eine schmerzvolle Herausforderung. Man kann das nicht erzwingen. Ich weiß natürlich, dass man das Song-Schreiben auch handwerklich erlernen kann - aber das ist nichts für mich. Für mich ist das Schreiben von Songs eine - wie ich ja schon sagte - pure Angelegenheit. Die Musik muss zu mir kommen und ich kann sie nicht dazu zwingen, denn wenn ich das versuche, ist es nicht gut und interessant genug für mich. Es ist dann bestenfalls eine Fingerübung - oder ein Job, den man für andere Leute erledigt. Für mich selbst funktioniert das aber nicht."

Das bedeutet ja, dass Claire auf einer eher intuitiven Basis arbeitet. Wenn man mit anderen Musikern zusammenarbeitet, muss man ja aber bestimmten Regeln folgen und mit diesen seine Absichten kommunizieren. Wie macht Claire das denn? "Das ist schwierig zu beantworten", überlegt Claire, "wenn man mit anderen zusammenarbeitet, dann muss man halt zum sozialen Tier werden. Wenn ich mit anderen zusammenarbeite, dann versuche ich mit denen darüber zu kommunizieren, was ich selber gerne mag. Das ist eine Frage des Geschmacks, weißt du? Man muss seinen Geschmack natürlich kennen. Man muss dann auch ein guter Zuhörer sein und verspüren, was das Gegenüber möchte. Und wir haben die Songs so weit wie möglich live im Studio eingespielt und konnten so aufeinander eingehen."

Dieser organische Ansatz macht die Musik dann auch für den Hörer besser greifbar, richtig? "Ja, das war mir sehr wichtig, weil ich nämlich Live-Musik liebe und auch mit den Musikern kommunizieren zu können, wobei dann immer interessante Sachen entstehen. Ich mag es auch wie imperfekt Instrumente klingen können. Daher kommt dann das Greifbare, das du erwähnst. Das klingt dann nach echter Musik und das brauchten die Songs meiner Meinung nach." Wie kommen Worte - also die Texte - und die Musik denn dann zusammen? "Für gewöhnlich kommen die Texte gleich mit einer Melodie zustande", erklärt sie, "dann nehme ich meine Gitarre und schreibe beides zusammen. Normalerweise habe ich zunächst einen Satz im Kopf und nehme den als Ausgangspunkt für alles weitere. Ich versuche dann, einen ganzen Song daraus zu machen. Der Song "Help You" begann tatsächlich, als ich "Help You" vor mich hin sang und dann etwas passierte, aus dem ich den ganzen Song machen konnte. Manche Songs haben aber auch Texte, die ich als Gedicht geschrieben habe und die ich dann mit Musik versehe. Das passiert aber nicht so oft." Heißt das, dass dann die Musik bzw. der Song die Richtung vorgibt - und nicht Claire selber? "Die meiste Zeit schon", gesteht sie, "aber ich muss etwas zu sagen haben. Ich muss etwas im Sinn haben, über das es sich zu singen lohnt."
Was ist dann bei dieser intuitiven Herangehensweise die größte Herausforderung für Claire? "Kontinuierlich weiter zu schreiben", antwortet Claire nach einer langen Denkpause, "das schlimmste Szenario für mich wäre nicht mehr zu wissen, wie man schreibt. Die Songs, die so entstehen, können auch schlecht sein - das spielt keine Rolle. Wichtig ist es, dranzubleiben, zu schreiben und bestimmte Sachen zum Ausdruck zu bringen. Natürlich versuche ich auch schon mal einen perfekten Song zu schreiben aber darum geht es nicht. Ich muss mich einfach ausdrücken und dabei so frei wie möglich sein. Ich will die Sache auf meine eigene Art machen."

Mit "I Remember Something" erschuf Claire days ein bemerkenswertes Statement in Sachen musikalischer Selbstdarstellung. Dass das Werk dabei musikalisch eher an englischen bzw. amerikanischen Musiktraditionen anknüpft als etwa an spezifisch französische, ist dabei in Hinsicht auf die internationale Repräsentation sicherlich ein Bonus-Faktor. Obwohl sie das sicherlich gar nicht möchte, braucht Claire den Vergleich mit angesagten Indie-Queens aus der Singer/Songwriter-Ecke jedenfalls nicht zu scheuen.
Weitere Infos:
www.facebook.com/iamclairedays
www.instagram.com/iamclairedays
www.youtube.com/@iamclairedays/videos
www.youtube.com/watch?v=iOVJkKCAXGc
Interview: -Ullrich Maurer-
Foto: -Anne-Laure Etienne-
Claire days
Aktueller Tonträger:
I Remember Something
(Contrejours)
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