Das neue Album wirkt im Vergleich zu den beiden Vorgängern in Bezug auf die Arrangements reduziert - aber auf eine Art, bei der die Sache musikalisch wohl eher verdichtet als entkernt werden soll, oder? "Ja", bestätigt Tara, "bei meinen letzten Alben habe ich mit Produzenten zusammengearbeitet und habe mich dann auch mehr auf deren Geschmack gestützt und inspirieren lassen - denn das ist ja der Sinn, wenn man mit anderen zusammenarbeitet. Ich habe aber im Nachhinein gedacht, dass es sowohl vom Schreiben wie auch von der Produktion vielleicht zu verkopft angelegt war - und zwar in dem Sinn, dass da Sachen gemacht wurden, die zwar spannend waren, der Musik aber soviel gar nicht gegeben haben. Ich bekomme auch oft das Feedback, dass wenn ich reduziert oder solo spiele, die Leute das eigentlich am Schönsten finden. Dann habe ich mich oft gefragt, warum ich dann zehn Leute dabei habe, wenn es auch so funktioniert. So schreibe ich die Lieder ja auch - und deswegen geht es dieses Mal darum, ein bisschen zu diesen Wurzeln zurückzukehren und zu schauen welche Dinge in der Produktion einen Mehrwert für den Song bringen - und alles andere machte ich dann einfach nicht. Das hat mir dann auch einen einfacheren Einstieg in die Co-Produktion ermöglicht, eben weil es nicht so super komplex war."
Ganze drei Jahre sind seit dem letzten Album ins Land gezogen. Gab es demzufolge eine Schaffenskrise? "Ja, das würde ich schon sagen", bestätigt Tara, "es war eine Kombination aus vielen Sachen - inklusive einer absoluten Schreibblockade und einer Schaffenskrise. Ich wusste damals gar nicht, ob ich das überhaupt noch weiter machen kann und will - auch weil sich viele fundamentale Dinge in meinem Leben in meinem Umfeld geändert hatten und viele unterstützende Personen weggefallen waren. Ich musste erstmals entscheiden, ob ich überhaupt noch Musik machen will und Energie da reinstecken sollte - weil ich zuvor immer das große Glück hatte, dass ich da immer so mitgetragen wurde. Ich musste bis dahin nichts erzwingen - was ja auch gut und schön war. Aber irgendwann merkte ich, dass dann gar nichts mehr passierte und ich es nun erzwingen müsste, wenn ich wollte, dass wieder etwas passiert. Das ist ja für viele Leute ja eigentlich der Normalzustand ist, für mich aber einen Umbruchpunkt darstellte - raus aus der kindlichen Erwartung, dass sich andere Leute um einen kümmern, hin zu dem 'erwachsen werden' in dem Sinne, dass ich die Zügel in meine eigene Hand nehmen müsste, wenn ich etwas erreichen will." Hätte es denn einen Plan B gegeben, wenn Tara sich dafür entschieden hätte, es mit der Musik dranzugeben? "Das Einzige was mich ansonsten noch interessiert hätte, wäre ein Psychologie-Studium mit dem Ziel Therapeutin zu werden", verrät sie, "aber das wäre so ein krasses Studium, dass das nichts wäre, was ich nebenbei hätte machen können. Das war aber ein Gedanke - aber ich komme halt einfach nicht los von der Musik, weil es halt einfach einen Grund gibt, warum ich das mache."
Ist der Grund dafür vielleicht auch, dass Tara Nome Doyle über ihre Musik ihr Leben begleitet und verarbeitet? "Auf jeden Fall", bestätigt sie, "das ist ja auch ein Grund, warum ich damit angefangen habe, Musik zu machen. Ich hatte da dieses Gefühl, mit mir selbst so ehrlich sein zu können und dann zu merken, was diese Ehrlichkeit ausmacht. Das ist ja auch ein großes Geschenk, sich auf diese Weise damit auseinandersetzen, sich selbst offenbaren - und das dann auch anderen vermitteln zu können. Durch diese Offenbarungen anderen gegenüber steht man dann ja auch dazu, dass so ist, wie es sich darstellt. Das ist ja ein schönes Geschenk an sich selbst, weil man sich dann so annimmt, wie man ist." Dabei geht es ja sehr viel um Tara Nome Doyle selbst, richtig? "Ja, denn auch wenn man mit anderen in Interaktion tritt, geht es ja auch viel um die Projektion und Spiegelung von dem, was man denkt, dass die dann denken. Generell würde ich für dieses Album sagen, dass immer auch viele Aspekte von mir enthalten sind, wenn ich in einem Song jemanden anspreche. Es gibt auch eine gewisse Zwischenmenschlichkeit. Ich halte es auch für wichtig, dass man nicht nur alleine in seinem eigenen psychischen Kosmos gefangen ist, sondern auch den Kontakt nach außen sucht."
Auf dem neuen Album nutzt Tara Nome Doyle die Geschichte der Nymphe Echo und des Jünglings Narziss als Ausgangspunkt. Echo wurde von Göttervater Zeus aufgrund einer Verfehlung die Fähigkeit der eigenständigen Sprache entzogen, so dass sie am Ende nur noch die letzten an sie gerichteten Worte - eben in Form eines Echos - wiederholen konnte, weswegen sie sich nicht mit dem von ihr verehrten Jüngling Narziss unterhalten konnte, woraufhin sich dieser sich in sein eigenes Spiegelbild verliebte, anstatt in Echo. Die skandinavische Schreibweise "Ekko" verwendete Tara im Titel um einerseits einen Bezug auf ihre skandinavischen Roots zum Ausdruck zu bringen und andererseits, weil sie sich auf einen Aufsatz der norwegischen Journalistin Lena Lindgren bezieht, die sich darin über die Zusammenhänge von Algorythmen und dem menschlichen Verlangen auseinandersetzt.
Interessant in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass sich Tara grundsätzlich nicht eben geläufige Themen für ihr Songwriting aussucht - etwa die Alchemie, Ungeziefer oder eben die griechische Mythologie. Ginge das denn nicht einfacher? "Mich faszinieren solche mythologischen Dinge - vielleicht auch deswegen, weil ich meine dunklen Seiten kenne und auf eine Art auch davon fasziniert bin, weil ich da eine gewisse Komplexität sehe. Ich bin ja nicht nur eine depressive Person, sondern alles mögliche. Die menschliche Psyche und philosophische Themen interessieren mich auch besonders. Das gilt auch für Dinge, die eine gewisse Ursprünglichkeit an sich haben - ob es jetzt eine antike Mythologie ist, die aber etwas über die Grundwahrheit der Menschen aussagt. Bei 'Værmin' ging es ja auch um das Thema Persona und Schatten nach dem Psychologen C.G. Jung. Die besungenen Tiere waren ja auch Metaphern für die Zustände. Entweder man unterdrückt das Böse in sich oder versucht nur eine Maske der Perfektion darüber zu decken. Solche Themen faszinieren mich einfach total und da kann ich auch viel zu sagen. Ansonsten habe ich nämlich oft das Gefühl, gar nicht viel zusagen zu haben. Ich muss ja schließlich etwas haben, an dem ich mich abarbeiten kann."
Während das mythologische Konzept des Albums also ziemlich konsequent ausgelebt wird, überrascht am Ende der Scheibe das Stück "Hinter den Wolken" - dem ersten Song, den Tara auf Deutsch schrieb und der in seiner Form sehr an die Kunstlieder-Tradition der deutschen Romantik erinnert. "Also eigentlich war da erst mal nur eine Melodie, die mir so eingefallen ist", räumt Tara ein, "ich hatte dann aber eine Auftragsarbeit für einen Film mit dem Titel 'Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war?'. Da sollte ein Chor von Menschen mit Behinderungen ein Lied singen. Da griff ich dann auf diese Melodie ein, weil die irgendwie so nach einem Schlaflied oder Volkslied klingt." Oder eben nach einem Kunstlied. Tara hat ja mit ihren irisch-skandinavischen Roots Zugriff auf gleich mehrere traditionelle Folk- und Folklore-Wurzeln - die es ja im deutschen in dieser Form gar nicht (mehr) gibt. "Genau - das finde ich auch sehr schade", überlegt Tara, "das wird sicherlich mit der Geschichte zusammenhängen, derentwegen eine Entfremdung von der Tradition deutscher Volkslieder stattgefunden hat und es heute kein Teil des Aufwachsens im Alltag ist. Bei mir zu Hause wurde halt ständig gesungen und es gab Lieder zu allen möglichen Anlässen, so dass es eine Selbstverständlichkeit war, dass jeder singt. Im Rahmen des Filmes war es dann aber klar, dass auf Deutsch gesungen wird - denn es waren ja deutsche Schauspieler betroffen. Es musste auch sehr einfach sein. Ich hatte zuvor für den Film 'Munich' schon mal einen Song namens 'Du träumst' auf Deutsch geschrieben - wonach ich ganz lange gesucht habe, weil ich einfach nicht wusste, wie ich auf Deutsch schreiben soll. Ich war dann auf den Dichter Georg Trakl gestoßen, der mich total begeistert hat, weil er es schafft, auf Deutsch nicht explizit, sondern mystisch zu schreiben. Das war das, was mir zuvor die ganze Zeit gefehlt hatte und habe mich sowohl für das 'Du träumst' Stück, wie auch für das 'Wolken' Stück dann von Trakl inspiriert gefühlt."
Täuscht der Eindruck, oder ist es so, dass die neue Songsammlung tatsächlich näher am Ursprung dessen dran ist, was Tara als Musikerin auszeichnet? "Genau, denn wenn ich die Songs schreibe, dann geschieht das ja meistens mit den Elementen Stimme und Hauptinstrument - in den meisten Fällen das Klavier, jetzt aber ein paar Mal auch Gitarre." Das bedeutet dann aber nicht, dass die Arrangements wirklich simpel ausgefallen sind, denn mit der Zeit offenbaren sich immer mehr subtile Details. So spielte Tara ein echtes, analoges Mellotron, das sich Besitz ihres Co-Produzenten Simon Goff befindet oder umwebte die eigenen Gesangsmelodien mit Harmonie-Akzenten. "Ja genau", bestätigt Tara, "für mich war der Ansatz, die Palette sehr einfach zu halten, dafür dann aber Detailarbeit zu machen, die erst mal gar nicht so offensichtlich ist, wobei ich aber die Hoffnung hatte, dem Ganzen dann auf diese Weise ein Gefühl der Komplexität geben zu können. Das habe ich zum Beispiel so gehandhabt, dass die Parts selber einfach waren und nur von einem Instrument gespielt wurden, ich dann aber das Signal durch modulare Synthesizer geschickt habe und ich mit davon gewisse 'Happen' ausgesucht habe, die ich dann bestimmten Stellen platziert habe, sodass man nicht den Eindruck hatte, eine weitere Quelle zu hören, sondern die Original-Quelle auf verschiedene Art beleuchtet wurden."
Was bedeutet Musik denn für Tara - über den Aspekt des Berufes hinaus? "Ich glaube, dass Musik - wie keine andere Kunstform - ein starkes Gefühl von Katharsis für mich vermitteln kann. Es ist wie so ein spirituelles Fliegen und eine Reinigung. Der Flow des Schreib- und Entstehungsprozesses ist für mich persönlich ein echt spirituelles Erlebnis. Das ist etwas, was ich sehr schätze. Der andere Aspekt dabei ist aber die Faszination, die ich schon immer hatte, dabei nicht nur sich selbst gegenüber, sondern auch anderen Leuten gegenüber sehr ehrlich zu sein - bis zu dem Punkt wo es unangenehm wird - und das dann aber trotzdem nach außen tragen zu können. Das ist eine Friktion, die so entsteht, die mich auch immer wieder reizt."
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