"Wenn ein Stück wirklich fertig ist, bin ich nur noch sein Interpret. Das heißt auch, daß ich um den jeweiligen Song kreise, ihm mal näher und mal ferner bin. Das äußert sich z.B. darin, daß ich von der ersten zur zweiten oder dritten Person wechsle und Änderungen vornehme, die mir als Interpret zu einem möglichst intensiven Vortrag gereichen. Oft entdecke ich nach Jahren aktuelle Bezüge in Songs, die zur Zeit des Schreibens gar nicht denkbar waren. So tauchen im Live-Programm auch immer wieder lange nicht gespielte alte Stücke auf, die - neben neue gestellt - einen ganz anderen Charakter haben. Sie bleiben spannend."
Auf dem Cover der neuen Scheibe sind zwei sich an einem Tisch gegenübersitzende Damenfechterinnen zu sehen. Was will uns das sagen?
"Für einen Haudegen des siebzehnten Jahrhunderts hätte es wahrscheinlich kaum etwas absurderes gegeben als die Vorstellung vom Damenfechten - noch dazu in einem Rahmen wie der Welt des modernen, kapitalistisch organisierten Sports. Genau wie angelegte Mischwälder zur Stadtranderholung im Gegensatz zum 'alten' Wald - in den man sich nicht reinwagte, weil dort der Wolf lebte - ist auch Damenfechten und Sport überhaupt eine im Grunde der Romantik entspringende Form von gezähmter Natur; eine Folge der Evolution. Darüber hinaus stellt das Bild am Küchentisch ja einen Waffenstillstand dar. Auch das war übergeordnete Maxime bei Platte und Booklet: Gegensätzliche Bilder und Standpunkte nebeneinander zu stellen ohne sie zu diskutieren."
Ach ja, das Booklet: Hier finden sich - neben den Texten - Auszüge aus Traktaten, eMails, Diskursen, Theorien u.ä. Das sieht nach viel Arbeit aus. Inspirationsquellen?
"Die Texte sind... ein Haufen Texte, die alle miteinander zu tun haben könnten, wenn man sich darauf einläßt. Ein Stimmengewirr hinter den Songs. Die Musik auf Evo.Blues ist sehr schnell entstanden - mit langen Unterbrechungen. Am Booklet wurde fast ein Jahr lang gebastelt und gesammelt. Die gesamte Arbeit war sehr inspirierend."
Wie kam die Idee des "Evolution-Blues" als Rahmenhandlung zustande (wenn man denn den Ausdruck "Konzept" vermeiden will) und was hat das Foto auf dem Rücken der CD damit zu tun? ("ev.BL.xK.1")
"Der Blues über den Weg, den die Menschheit wieder und wieder zu nehmen scheint, den Weg des Scheiterns, war und ist sehr präsent in den Kreisen, in denen ich mich bewege. Er wird noch verstärkt durch eine immer größere Interessantismus-Müdigkeit. Mit dem Booklet wollte ich u.a. zeigen, wie temporär Denkmoden sind (und wie sehr selber evolutionären Kreisen unterworfen). Mit den Songs wollte ich zeigen, was mein Weg in alledem ist. Das Foto auf der Rückseite ist das Bild eines Schildes, das kein Schild mehr ist, keine Funktion mehr hat - nur noch, meinetwegen, gut aussieht. Seine Geschichte ist vorbei."
Wovon hing es ab, daß die einen Songs "Evolution Blues(en)" wurden und die anderen nicht?
"Keine Ahnung, ehrlich!"