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MOONSPELL
 
Der Mann im Mond, das Dunkel und die Hoffnung
Moonspell
Das ist ja manchmal so eine Sache, wenn man urplötzlich einem seiner langjährigen Helden gegenüber sitzen darf oder muß...Ohne Fernando Ribeiro, den Obermannimmond und Sänger von Moonspell mit Marilyn Manson oder Dani von Cradle Of Filth vergleichen oder -wechseln zu wollen (was auch unfair wäre), entstehen bei intensivem Kontakt mit dem musikalischen Schaffen von Moonspell schon gewisse Erwartungshaltungen. Es hätte mich also zwar schon gewundert, aber ich hätte es auch nicht VÖLLIG ausschliessen wollen, daß sich der Bandboss der portugiesischen Düsterrocker als schwarzweiß geschminktes, nur mit Donnergrollen kommunizierendes, sich zwischen Interviewfragen jeweils mit einem herzhaften Biß in einen Fledermausburger stärkendes (ach nein, das war ja Ozzy..) und ziemlich weggetretenes Höllenwesen entpuppt. Doch olympiaverdächtig weit gefehlt: Fernando ist ein gut aussehender, sportlich durchtrainiert wirkender, ernsthafter und hochprofessioneller Gesprächspartner, der sehr diszipliniert einem wahren Interviewmarathon zur Promotion der neuen Moonspell-Veröffentlichung "Darkness And Hope" bewältigt. Einzig eine auf dem Dachgarten von Moonspells Plattenfirma - Century Media - beständig um unsere Beine streichende schwarze Katze könnte mit etwas bösem Willen vielleicht der hexenhaften Szene zugeschlagen werden. Aber die war eigentlich auch zu verschmust, um irgendetwas mit Black Metal oder Satanismus zu tun haben zu können.
Moonspell veröffentlichen bereits seit 1994 (Debüt: "Under The Moonspell") und erspielten sich mit den nächsten beiden Alben "Wolfheart" und vor allem "Irreligious" eine leidenschaftliche Gefolgschaft besonders im Gothic Rock-Lager. Doch bereits "2econd Skin" von 1997 (für meinen Geschmack ist das Originalalbum so grottenschlecht wie die eigentlich nur als Bonus beigelegte Live-CD gut ist) irritierte aufgrund deutlich schwächerer Kompositionen die Fans. Die folgenden Alben "Sin/Pecado" ('98) und "The Butterfly Effect" ('99) wagten gar Experimente mit neuen Rhythmen sowie Elektronika und wurden zumeist unbarmherzig zerrissen (wobei gerade eine vorurteilsfreie Wiederbegegnung mit der Scheibe von '99 durchaus lohnen kann, wie sich herausgestellt hat). Der Mond schien jedenfalls kräftig im Sinken begriffen, umso größer das Interesse von Fans und Medien am aktuellen Release.

GL: Fernando, die Art, wie Du hier mehrere Tage hintereinander allein durch die deutsche Presse im Halbstundentakt ausgebucht bist, ist ja schon mal ein ganz gutes Zeichen dafür, daß zumindest mit Spannung auf euer neues Album gewartet wurde.

Fernando: Den Eindruck haben wir auch gewonnen. Und hinter diesem massiven Medieninteresse steckt natürlich auch das Engagement der Fans, die offensichtlich wissen wollen, wie es mit Moonspell weitergeht.

GL: Waren die deutschen Kollegen denn so weit nett zu Dir? Du hast ja schon alle Höhen und Tiefen der Pressebeurteilung erleben dürfen..

F: (grinst breit) Ja, bislang waren alle sehr nett. Ich habe auch sonst kein generelles Problem mit Musikjournalisten, die ja auch oft keine ganz leichte Aufgabe damit haben dürften, den Lesern die Bands irgendwie näher zu bringen, während manche Musiker letztlich gar nicht kommunizieren wollen.

GL: Viele der grossen Namen im Metal wie Savatage, Megadeth oder Judas Priest haben dieses Jahr teils bis total enttäuschende Alben abgeliefert. Ein schlechtes Jahr für Metal Heroes also?

F: Ich glaube nicht. Selbstverständlich kommen auch miese Scheiben heraus. Aber viel dürfte auch damit zu tun haben, daß Medien und Fans die Entwicklung einer Band, die sich nicht wiederholen will, nicht akzeptieren kann oder will.

GL: Du spielst auf die Schelte an, die ihr für "Sin" und "Butterfly Effect" eingesteckt habt?

F: Ja. Unsere Experimente auf diesen zwei Alben, zu denen ich immer noch stehen kann, sind halt nicht besonders gut angekommen.

GL: Und wie sind die ersten Reaktionen auf "Darkness And Hope"?

F: Durchaus positiv. Obwohl es wichtig ist, sich weiterzuentwickeln, empfinden die Menschen die aktuellen Songs wie eine Rückkehr zu den alten Stärken von Moonspell: Dunkle, atmosphärische Musik, die eine Geschichte erzählt. Wir sind ja eine sehr viel jüngere Band als Savatage oder Priest, die vor geraumer Zeit ihren ganz eigenen Stil erfunden haben. Wir stammen aus den frühen 90er Jahren, es war sozusagen alles schon mal dagewesen. Und so ging es bei uns mehr darum, durch das Einbringen der eigenen Persönlichkeit Schritt für Schritt den eigenen Stil zu evolutionieren. Und ich habe das Gefühl, daß wir mit dem neuen Album sehr nah daran herangekommen sind, wo wir in der Zukunft sein wollen. Wie findest Du "Darkness"?

GL: Klasse. Ich kann mir nicht vorstellen, daß es alte Fans schockieren oder enttäuschen könnte, denn Songs wie beispielsweise "Made Of Storm" klingen einfach so, daß sie theoretisch auch neben "Irrreligious"-Material stehen könnten. Gleichzeitig aber macht es entschieden Spaß, mit Eurer Musik auf Entdeckungstour nach den durchaus vorhandenen Neuerungen (wie z.B. mehr folkloristische Einflüsse auf "Devilred" oder "Os Senhores..") zu gehen.

F: Schön wärs auf alle Fälle. Aber man weiß nie, ob nicht doch der eine oder andere alte Fan schockiert ist. Wir machen allerdings keine Alben, um zu schockieren - im Gegenteil, wir haben versucht, "Darkness" so zu machen, wie wir unsere Musik derzeit wirklich fühlen.

GL: Wer macht Deiner Meinung nach denn Musik, um zu schocken und zu polarisieren?

F: Nimm doch z.B. Fantomas, das Mike Patton-Projekt. Wobei der ja mit beispielsweise Faith No More mehr als genug bewiesen hat, daß er auch andere Reaktionen hervorrufen kann, wenn er will. Aber mit diesem Projekt scheint er auch nach eigenen Aussagen in erster Linie schocken und Hass schüren zu wollen.

GL: Ihr habt zum ersten Mal mit dem finnischen Producer Hilii Hiilesmaa (HIM, Sentenced) gearbeitet. Erfreulicherweise klingt ihr aber nicht plötzlich nach Kuschelgothicrock...

F: Nein, und diese Wahl hatte auch nichts mit HIM zu tun, die ich persönlich zwar schätze, aber sicher nicht nachahmen will. Wir haben Hilii ausgesucht, weil er das letzte Album "Cult" von Apocalyptica produziert hat, das ich absolut grossartig finde. Außerdem kam eine ausgesprochen leidenschaftliche Reaktion von Hilii auf unsere Musik zurück - und ich glaube, dieses emotionale Einlassen brauchten wir für diese Produktion ganz besonders. Wir sind außerordentlich zufrieden mit dieser Entscheidung, denn Hilii hat einen tollen Sound hingekommen, ist ein enger Freund der Band geworden und hat so wichtigen kreativen Input zu einigen Songs hinzugefügt. HIM ist jedenfalls sicher kein Einfluß für uns. Allerdings freue ich mich, wenn die Menschen im Radio HIM zu hören bekommen und vielleicht weniger Nu Metal. HIM haben ihren eigenen Stil, den sie von Anfang an geprägt haben. Und sie haben etwas zu sagen. Viele Nu Metal-Bands kommen mir nur wie gesichtslose Klone einer Fusion zwischen Hiphop und Metal vor, zwei Elemene, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben. Ich persönlich hasse das.

GL: Worum handelt es sich bei der hochatmosphärischen, geheimnisvoll klingenden Einleitung zu "Than The Serpents In My Arms"?

F: Das ist ein Originalzitat des portugiesischen Dichters Mario Cesarini, einem grossen Namen in unserer surrealistischen Bewegung. Ich habe Adolph, den Sänger von Mao Morta, mit dem ich befreundet bin, gebeten, die Worte zu rezitieren. Und ich finde, seine Stimme bereitet perfekt auf die Balance zwischen Düsterkeit und Kinderlied vor, die folgt. Für mich eins der Highlights des Albums.

GL: Nachvollziehbar. Richtig nerven tut mich persönlich übrigens ein merkwürdiges, fieses Hintergrundgeräusch auf "Ghostsong", das mich immer unangenehm an amerikanische Polizeisirenen erinnert..?

Moonspell
F: Das soll der Geist sein (lacht). Ich schätze, "Ghostsong" ist eines der Stücke, das man sehr konzentriert hören muß, weil es ganz besonders emotional ist. Vielleicht verstört es beim ersten Hören, gerade weil es besonders gefühlsgeladen ist.

GL: Mein absoluter Favorit ist ausgerechnet der Bonus-Track der europäischen Ausgabe, "Os Senhores Da Guerra".

F: Das ist ein Cover der erfolgreichen portugiesischen Band MadreDeus, die wir sehr mögen. Außerdem wollten wir mit dem neuen Album unsere Identität als Portugiesen etwas deutlicher herausstreichen, daher haben wir uns die Herausforderung gesucht, das eher folkloristische, der Weltmusik verhaftete Original in so etwas wie eine Metal-Hymne zu überführen. Und das scheint uns ganz gut gelungen zu sein.

GL: Was hältst Du selbst für das Spezielle an Moonspells Musik?

F: Wir stehen sicher nicht einzig damit dar, düstere, melancholische, melodische und harte Metal-Musik zu machen. Was uns vermutlich am meisten auszeichnet, ist die Visualität unserer Musik. Wir selbst werden sehr stark von Bildern beeinflußt. Und Menschen, die unsere Musik hören, haben gewöhnlich auch starke visuelle Eindrücke.

GL: Und welche Einflüsse sind heute noch wichtig für Euch?

F: Einiges an Klassik, viel Filmmusik, aber natürlich auch etliche Bands, allen voran Type O Negative, aber auch Celtic Frost oder Bathory.

GL: Apropos Bathory: Ihr werdet gelegentlich schon mal von der schwarzen Metalfraktion ("Black Metal", d. Red.) vereinnahmt oder dieser zugeschlagen - wie stellst Du Dich dazu?

F: Wir haben mit Black Metal nicht das Geringste zu tun. Natürlich gibt es ein paar großartige Ausnahmen wie Venom, aber generell würde ich sagen, daß Metal - ja sogar Rockmusik - von Anfang an etwas mit Befreiung und Freiheit zu tun hatte und auch haben sollte, auch mit Freiheit des künstlerischen Ausdrucks. Doch die begrenzten, sehr festgelegten Stilmittel des Black Metal, diese ganze Aufgesetztheit und hohlen Phrasen stehen in krassem Widerspruch zu diesen ursprünglichen Qualitäten.

Na, das ist doch der Beweis, daß die höllenschwarze Mieze, die gerade wieder sehr zudringlich wird, ganz von dieser Welt ist. Durchaus beruhigend...

Weitere Infos:
www.butterfly-fx.com
Interview: -Klaus Reckert-
Fotos: -Pressefreigaben-
Moonspell
Aktueller Tonträger:
Darkness And Hope
(Century Media Records)

 
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