Die Kunst und der Zirkus
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Wo ist sie denn? Der Konferenzraum im noblen Hamburger Park Hyatt Hotel wirkt leer. Heather Nova ist so zierlich, daß sie in ihm fast verschwindet. Beinahe möchte man väterliche Gefühle entwickeln und ihr Ratschläge wie "Kind, du mußt doch etwas essen!" erteilen. Dieser Drang läßt auch nicht gerade nach, als sie sich darüber wundert, daß sich alle für sie interessieren. Krankenschwestern, so findet sie, hätten es weit mehr verdient, interviewt zu werden. Herrlich bescheiden und sehr charmant. Doch sie kann wohl auch anders, so man ihr glaubt.
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"Du hast Glück, daß du so früh dran bist. Ich bin noch fit, nachher werde ich wahrscheinlich alle anfauchen". Heather Nova hat ein hartes Programm zu absolvieren. Gestern ließ sie ein Foto-Shooting über sich ergehen, heute gibt sie in Hamburg zwölf Interviews, danach folgen gleich weitere Termine in Köln, Berlin und München. Da muß man durch, wenn es ein Album zu bewerben gibt. Reden wir also über "South". Warm und romantisch wirke es auf mich, sage ich, was ihr gefällt. "Ich bin froh, daß du es warm findest. Romantisch? Ich bin eine sehr romantische Person, und das kann oft ein Problem für mich sein. Für mich ist es immer eine große Herausforderung, den Weg zwischen der Realität und meinen romantischen Idealen zu finden". Allein ist sie dabei nicht. "Beziehungen sind die besten Lehrer, die wir haben. Wir lernen durch sie eine Menge über uns und darüber, wie wir bessere Menschen werden können. Um diesen Prozeß geht es in vielen Songs des Albums". Keine Distanz also zwischen dem Künstler und dem eigenen Werk. Heather Novas Alben sind persönliche Statements: "Schreiben ist für mich ein sehr intimer Prozeß. Du gräbst ganz tief in deinem Inneren, erforschst es und stellst das, was du entdeckst, zur Schau. Schreiben ist für mich der Versuch, Klarheit zu finden". Besonders gut gelungen, so findet sie, sei ihr das mit "Help Me Be Good To You" und "Only Love". Dabei geht es ihr vor allem um Gefühle: "Ich liebe es, in einem Song eine Stimmung zu erzeugen. Das versuche ich immer, wenn ich einen Song schreibe. Ich werde von einer Emotion geleitet und versuche, diese atmosphärisch umzusetzen. In meinen Songs geht es vor allem um Gefühle und weniger um Ideen. Natürlich gibt es Ausnahmen wie 'Virus Of The Mind', das eine Idee verfolgt".
Bei so viel Leidenschaft für das Komponieren wundert es, daß sie sich zwischen zwei Alben stets sehr viel Zeit nimmt. Lieber, so scheint es, ist sie auf Tour. "Studio-Alben sind mir schon sehr wichtig, aber ich sehe sie heute eher als Ausgangspunkt. Meistens gefallen mir die Songs und Arrangements besser, wenn ich sie ein Jahr lang auf der Bühne gespielt habe. Deswegen nehme ich auch Live-Alben auf - ich mag die Versionen darauf einfach lieber". Fühlt sie sich im Studio unwohl? "Nein, das nicht, aber es fehlt die Magie, die sich bei einem Konzert ausbreiten kann. Egal, wie sehr man sich einredet, zum Kern eines Songs durchgedrungen zu sein - das funktioniert nur auf der Bühne wirklich. In einem Studio läßt sich das nicht replizieren".
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Hat sie Vorbilder? In einem älteren Interview nannte sie Van Morrison und Neil Young. "Die beiden haben großen Einfluß auf mich gehabt", relativiert sie. "Ich schätze vor allem diejenigen Künstler, die es schaffen, ihre Individualität zu bewahren. Es wird heute immer schwerer, Künstler zu sein, weil so viele Erwartungen an dich gestellt werden. Das Business will, daß du bestimmte Formate einhältst, um im Radio gespielt und kommerziell erfolgreich zu sein. Das macht es für Künstler immer schwerer, überhaupt zu existieren. Sie müssen ungeheuer aufpassen, um nicht in den Pop-Strudel hinein gezogen zu werden. Eigentlich bin ich überrascht, daß ich noch hier bin, denn meine Musik paßt auch nicht wirklich ins Radio-Format. Dadurch haben viele meiner Freunde ihre Plattenverträge verloren. Der Zustand der Musikindustrie ist schon sehr traurig". Sie selbst kommt dabei allerdings recht gut weg, immerhin spielte das Radio "London Rain" vor einigen Jahren rauf und runter. Paßt sie sich vielleicht doch an gewisse Erwartungen an? "Es ist wohl so, daß meine Songs von sich aus schon einige natürliche Pop-Elemente haben", räumt sie ein. Anpassung sei das jedoch nicht, sie würde genau die Musik machen, die sie machen will. Das hilft ihr, sich mit dem Zirkus, der damit verbunden ist, zu arrangieren - zum Beispiel der Konzentration auf Äußerlichkeiten und damit Oberflächlichkeiten. "Rock-Musik hatte seit Elvis viel mit Optik zu tun. Man findet das überall. Ich hatte mit meiner Kamera einige Urlaubsbilder von mir schießen lassen, sie der Plattenfirma für das neue Cover gegeben, und die meinten: Nein, wir brauchen ein teures Foto-Shooting, du mußt Make-Up tragen, blah blah blah. Also stehe ich in einem Studio herum, fühle mich unwohl und lasse mich fotografieren. Es ist immer so, und es nervt, aber auf der anderen Seite kann ich meine Musik machen, also was solls".
So entspannt war sie nicht immer. In der Vergangenheit wehrte sie sich dagegen, als "woman artist" kategorisiert zu werden. "Stimmt, früher habe ich mir darüber noch Sorgen gemacht. Das ist vorbei, ich denke nicht mehr darüber nach. Es gibt genügend Frauen, die erfolgreich ihr Ding machen". Heather Nova hat offenbar einen Platz gefunden, an dem sie sich wohl fühlt. "Ich bin einfach glücklich, die Alben machen zu können, die ich machen will. Über den Rest mache ich mir keine Sorgen mehr".
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Weitere Infos:
www.heather-nova.com
www.heathernova.de
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Interview: -Christian Zeiser-
Fotos: -Ullrich Maurer-
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Aktueller Tonträger: South
(V2/Zomba)
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