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Interview-Archiv

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SHELBY LYNNE
 
Kraftvolle Songs für kraftvolle Leute
Shelby Lynne
Viele Leute - insbesondere die, die Shelby's letzte CD, "I Am Shelby Lynne", in den Himmel gelobt haben - werden anläßlich des neuen Albums, "Love Shelby", die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Denn anstelle von Blues und Jazz gibt es jetzt vorwiegend Rock und - man wagt es kaum auszuschreiben - Mainstream-Pop. Dabei muß man jedoch eines verstehen: Bei "I Am Shelby Lynne" ging es nicht darum, ein reinrassiges Memphis-Blues-Album hinzulegen, sondern darum, das zu tun, was Shelby damals selbst als wichtig erachtete. Der musikalisch Stil ist dabei zweitrangig. "Genau", stimmt Shelby dem zu, "so ist nun mal meine Natur. Das nächste Mal werde ich wieder etwas anderes machen - garantiert. Es ist nur noch zu früh zu sagen, was es sein wird."
Ein kurzer Rückblick sei erlaubt: Shelby bekam ihre musikalische Grundausbildung von den Eltern: Die Mutter lehrte sie und ihre Schwester Allison (Moorer - heute selbst eine veritable Solo-Künstlerin) den Harmoniegesang, der Vater brachte ihr das Gitarre spielen bei. Dann die Tragödie: Als Shelby 17 ist, erschießt ihr Vater zunächst ihre Mutter und dann sich selbst. Über dieses Thema spricht sie nicht (warum auch?). Danach, mit 18, kommt die erste Platte - eine Country-Scheibe (Shelby lebte in Nashville - also lag das nahe). Die folgenden Scheiben bewegen sich alle in diesem Terrain - obwohl Shelby bereits damals innerhalb des sehr orthodoxen Country-Korsetts als aufmüpfig galt und auf fünf Scheiben mit Big Band-Sound und Country-Swing herumexperimentierte. Nicht, daß Nashville ihr das übel nahm: Es brachte sie nur nicht weiter. Immerhin, die Nashville-Phase betrachtete sie nicht als Verlust. "Nashville war immer gut zu mir", sagte sie in einem Video-Interview, "so lange man halbwegs erfolgreiche Scheiben macht, wird man geduldet. Ich hatte nur nie einen Hit und Nashville ist eigentlich eine Hit-City." Irgendwann kam dann der Punkt, an dem sie sich sagte, daß sie eigentlich auch machen könne, was sie wolle, wenn eh kein Hit in Sicht sei. Das war der Zeitpunkt, wo sie beschloß "I Am Shelby Lynne" zu machen, und das war auch der Punkt, an dem sie anfing, Songs zu schreiben - obwohl sie sich zunächst und vor allem als Sängerin sieht. Das Songwriting war ein notwendiger Schritt der Abnabelung vom System. "Ich schreibe jetzt alle Songs selbst", verriet sie uns und beschreibt dabei den Prozeß, "dabei spielt es keine Rolle, wo ich mich gerade aufhalte. Die Songs auf dem neuen Album, 'Love, Shelby', sind auch an allen möglichen Orten entstanden. Wenn ich eine bestimmte Idee habe, oder eine Stimmung oder ein Gefühl, dann schreibe ich einen Song darüber. Ich brauche nur ein bißchen Ruhe dazu."
Shelby Lynne
Das Songwriting ist dabei nicht das Wichtigste, sondern Teil des Prozesses. Umso erstaunlicher, daß das so hervorragend klappt. Und lange an Songs herumzulaborieren ist auch nicht ihr Ding. Dafür gibt es ja Produzenten. Bei "I Am Shelby Lynne" war das Bruce Bottrell, den sie wegen des Sounds von Sheryl Crows Debüt-CD ausgesucht hatte. (Bottrell's ehemalige Frau, Betty, ist jetzt Shelby's Managerin) Jetzt arbeitete sie mit Glen Ballard zusammen - den man u.a. als Mastermind hinter dem Erfolg von Alanis Morrisette kennt. "Ich habe Glen bei den Arbeiten an einem Soundtrack kennengelernt, der leider nie zustande kam", erinnert sie sich, "die Sache mit dem Track 'The Killing Kind' (auch die aktuelle Single) auf dem Soundtrack von 'Bridget Jones Diary' hat nichts damit zu tun und war ein Schnellschuß. So begann aber alles. Das tolle an Glen ist, daß er selbst ein sehr guter Musiker ist und wir uns auf Anhieb verstanden. Ich habe ihm lediglich gesagt, daß ich auf diesem Album ROCKEN wollte (das spricht sie quasi in Versalien aus) und ihn ansonsten machen lassen. Es war eine traumhafte Aufgabenteilung." Angeblich hat Glen Ballard sie auch dazu gebracht, ihre positiven Seiten hervorzukehren. So heißt der erste, positive Song des Albums auch "Trust Me". "Das habe ich nur in die Welt gesetzt, weil viele Kritiker nach der letzten Scheibe sagten, ich würde immer nur Downer schreiben", bremst sie dergestalte Interpretationsversuche warnend, "'Trust Me' ist nur ein Song, der am Anfang einer CD steht. Ich tendiere dazu, nicht allzuviel in solche Dinge hereinzuinterpretieren." Glen Ballard suchte auch die Musiker aus, darunter Michael Landau und Bill Payne. "Die waren so gut, daß ich sie einfach habe machen lassen", meint Shelby hierzu lakonisch. Und hier zeigt sich auch der Unterschied zu anderen dergestalten Unterfangen: Landau, Payne und Ballard sind tatsächlich die besten. Jenseits des Beliebigen, schaffen sie es - unabhängig vom Stil - aus den Kompositionen das bestmögliche herauszuholen. Und die Band kann tatsächlich rocken - wie z.B. auf dem druckvollen "Starbroker" nachzuhören ist. Der Track hat übrigens nichts mit dem Stones-Song "Star, Star" zu tun. "Ja, davon habe ich auch gehört", meint Shelby genervt, "aber ich hatte den Stones Song vorher noch nie gehört. Aber hey, ich fühle mich geehrt, wenn mich jemand mit den Stones vergleicht. Das fasse ich als Kompliment auf."

An dieser Stelle muß man mal kurz auf die Person Shelby Lynne eingehen. Wenn es so was wie die Verkörperung des Begriffes "No Bullshit" gibt, dann ist das Shelby Lynne. Interviews sind ihr ein lästiges, aber notwendiges Übel. Die Antworten auf die Fragen kommen druckreif und so einsilbig wie möglich. Geschwafel ist nicht Shelby's Ding. Es geht ihr immer nur um den Kern der Dinge - um die Details können andere sich kümmern. Bei Interviews mit Kamera trägt sie eine Sonnenbrille. Ihre Sprechstimme swingt im breitestmöglichen Southern-Drawl. Aus der Reserve locken kann man Shelby Lynne nicht mehr - wie auch? Wenn es jemand gibt, der alles schon gesehen und erlebt hat, dann ist sie das. Ihre Schwächen beschreibt sie als "Rauchen und Fluchen", ihr fehlt ein halbes Ohrläppchen, daß ihr bei einem Autounfall unter Alkoholeinfluß abhanden kam. Sehr menschlich alles, das. Ebendeswegen: Selten nur schwingt auch ein bißchen Emotion in den Antworten mit. Auf die Frage, was sie denn am Musikantendasein am meisten nervt, meint sie z.B.: "Der ganze Business-Mist. Das ist schon recht schwierig. Aber ist es das nicht immer, wenn es darum geht, Kunst zu verkaufen?" Der andere Teil der Frage war dann der, was denn am meisten Spaß macht: "Wenn ich ehrlich sein soll, mag ich alles. Ich fühle mich privilegiert, mit dieser Arbeit meinen Lebensunterhalt verdienen zu dürfen." Ein weiteres Indiz dafür, daß die Songs bei Shelby nicht den Stellenwert haben, wie bei traditionellen Songwritern, ist die unromantische Art, wie sie diese beschreibt: "Bei 'Starbroker' geht es um Leute aus dem Business, die sich wichtiger nehmen, als sie sind, 'Jesus On A Greyhound' war so eine Idee, die mir im Kopf herumschwirrte - was wäre, wenn Jesus einer von uns wäre, 'Tarpaulin Napoleon' ist ein Song über meinen Vater und 'Mother' (der John Lennon Track) ist ein Stück, das ich live immer schon gespielt habe. Ich habe es Glen vorgespielt und er meinte, 'Hey, warum machen wir daraus nicht einen modernen Song?'. Das war's." Und warum suchte sie sich ausgerechnet "Mother" aus allen John Lennon Songs aus? (Ein weiterer vergebliche Versuch, hinter die Fassade zu lugen) "Weil ich diesen Song liebe. Er ist kraftvoll. Das ist es, wonach ich in einem Song suche."

Shelby Lynne
Kraftvolle Songs für kraftvolle Leute: Shelby Lynne ist jemand, der sich mit dem Business arrangiert hat, und dennoch den eigenen Visionen nachgeht. Und vor allen Dingen weiß sie genau, was sie will. (Unter diesem Gesichtpunkt sollte man auch die Pressefotos betrachten. Da ist mehr Kalkül als sonstwas dahinter. Ausbeuten tut Shelby in diesem Leben garantiert keiner mehr) Trotz alledem wurde sie bei der letzten Grammy-Verleihung bedacht. Manchmal setzt sich Qualität eben doch durch. Und noch mal zur neuen Scheibe: Diese muß man ganz klar im Kontext sehen. Auch wenn dies nun weder Blues noch Memphis Soul, noch Country Swing ist: Die Produktion, die Arrangements und die Songs gehen weit über das heraus, was man dem breiten Publikum heutzutage zumutet, und wie gesagt: Es geht ja nicht darum, Nischen-Freaks zu bedienen, sondern einfach um kraftvolle Songs. Und davon hat Shelby - ungeachtet des Genres - einige auf Lager.
Weitere Infos:
www.shelbylynne.com
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Pressefreigaben-
Shelby Lynne
Aktueller Tonträger:
Love, Shelby
(Island/Mercury)
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