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THE VON BONDIES
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Maximum Rock N Roll
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Sie sind zu viert, sie sind jung, sie kommen aus Detroit, Michigan, und sie sind die wohl großartigste Rock N Roll-Band, die Amerika uns derzeit zu bieten hat. Ladies and Gentlemen, please welcome - The Von Bondies! Jason Stollsteimer, Marcie Bolen, Don Blum und Carrie Smith verbinden eine Liebe zu Otis Redding, The Animals und Screamin' Jay Hawkins mit einem ausgeprägten Garagen-Sound in - bei ihren Konzerten - oft unmenschlicher Lautstärke. "Lack Of Communication" heißt ihr letzten Herbst veröffentlichtes Debütalbum, das nicht ganz zufällig Jack White von den White Stripes produziert hat. In der Bugwelle der Euphorie um Jack und seine Schwester Meg schwammen auch The Von Bondies ganz nach vorne. Zunächst als Vorgruppe der Stripes, dann aber auch schnell alleine.
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Denn wer dachte, etwas Besseres als eine Tour als Einheizer für die Stripes - bei der The Von Bondies lediglich $100 pro Abend bekamen, die sie ja noch durch vier teilen mußten - könne es für die vier aus Detroit gar nicht geben, irrt gewaltig. In den zwei Wochen nach den Auftritten in Deutschland, bei denen Gaesteliste.de erstmals mit der Band zusammentraf, spielten The Von Bondies nicht nur in der legendären Highbury Garage in London ihr erstes Headline-Konzert überhaupt, wie Jason amüsiert erzählte, sie wurden sogar eingeladen, im BBC Studio Maida Vale live in der Show von John Peel zu spielen. "Die Shows in Deutschland waren großartig, weil sie uns sehr an unsere Konzerte zu Hause erinnert haben. Die Konzerte zuvor in England waren so riesig, mit bis zu 3000 Leuten und einem großen Graben vor der Bühne, da haben wir uns in den kleineren Clubs in Deutschland schon wesentlich wohler gefühlt", erzählte Jason, dessen Familie übrigens aus Stuttgart stammt, Gaesteliste.de einige Wochen nach Tourende. "Die Headline-Show in London dagegen war unsere erste überhaupt. Selbst in Amerika hatten wir noch nie als Hauptact gespielt, dafür mußten wir erst nach Europa kommen, hahaha! In Detroit gibt es so viele großartige Bands, daß es sehr schwierig ist, Fuß zu fassen, vor allem für uns, weil wir die jüngste Band der Stadt sind."
Daß der Trip über den großen Teich so unglaublich erfolgreich für die Von Bondies verlaufen würde, konnte allerdings selbst die Band nicht ahnen. Immerhin war es für die vier anfangs nicht mehr als ein Sprung ins kalte Wasser. Schließlich konnte die Band noch nicht einmal auf eine minimale Fanbase diesseits des Atlantik zurückgreifen. "Europa war für uns komplettes Neuland", bestätigte auch Jason. "Unser Label Sympathy For The Record Industry ist so klein, daß unsere Platte in vielen Ländern erst gar nicht erhältlich ist, oder wenn, dann nur als Import. Wir versuchen derzeit, ein neues Label zu finden, aber da gibt es noch nichts Definitives. Eines der Probleme dabei ist, daß es in jeder größeren Stadt in den Staaten Plattenfirmen gibt und Medien - hier in Detroit gibt es nichts! Niemand würde auf die Idee kommen, nach Detroit zu fahren, um eine neue Band zu entdecken, auch die White Stripes mußten ja erst nach Europa gehen, um einen Vertrag zu ergattern. Dabei gibt es sie ja schon seit fünf Jahren, aber genauso lange hat es gedauert, bis die Medien darauf angesprungen sind. In Detroit hatten sie schon immer einen guten Stand, aber in den ersten beiden Jahren ist außerhalb wirklich niemand zu ihren Shows gekommen. Dabei war die Musik genau die gleiche, aber niemand hat etwas damit anfangen können." Trotzdem ist Jason letztendlich froh, daß seine Band Zeit hatte, sich zu entwickeln, und somit dem Schicksal vieler Bands von der Ost- oder Westküste entgehen konnte, die gleich nach der ersten Probe bei einem Major landen und dann hoffungslos verheizt werden. "Für uns war das wirklich ein Glücksfall. Wenn uns jemand nach einer Woche gesignt hätte, wären wir die wohl beschissenste Band der Welt gewesen, alles wäre aufgesetzt gewesen und nichts hätte eine echte Bedeutung gehabt. Es wäre viel eher dieses 'Hey, laß uns ne Band gründen und berühmt werden'-Ding gewesen. Das Gute an der Situation, wie sie sich jetzt darstellt, ist, daß die Musik nur deshalb so rau klingt, weil man hier nichts geschenkt bekommt."
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Für Jason ist es übrigens kein Zufall, daß sowohl die White Stripes als auch die Von Bondies in Deutschland besonders gut angekommen sind. "Viele Städte in Deutschland scheinen einen ähnlichen Niedergang erlebt zu haben wie Detroit, deshalb konnten wir uns sehr gut damit identifizieren. Detroit ist eine ziemlich runtergekommene Stadt, wie etwa auch Liverpool, das ja auch eine echte Blütezeit erlebt hat. Detroit hatte seine Autoindustrie, aber die ist jetzt weg, in den Vorstädten verschwunden. Die nächste Fabrik ist 20 Minuten von der Stadt entfernt. Wenn eine Band aus Detroit dagegen in New York oder LA spielt, gibt es überhaupt keine Bezugspunkte. Das gleiche gilt auch für London. Die Leute waren dort unglaublich anmaßend. Nicht nur, daß sie sich nicht für uns interessiert haben, selbst bei den White Stripes haben sie nur auf den einen Radiohit 'Hotel Yorba' gewartet. Das war das einzige Stück, das sie aus der Reserve gelockt hat. Das war richtig arm!" Mittlerweile scheinen aber nicht nur die White Stripes den Hype abgeschüttelt zu haben, auch die Von Bondies sind unwiderruflich aus dem Schatten der Pionier der neuen Detroiter Underground-Szene herausgetreten. Und dafür haben sie letztendlich wesentlich weniger Zeit benötigt als die White Stripes. "Marcie und ich haben die Band unter dem Namen The Baby Killers gegründet, und zwei Stücke sind auch noch aus der Zeit übrig geblieben. Allerdings waren Schlagzeuger und Bassist in der Band entsetzlich - als Lauren [Wilcox] und Don zu uns stießen, waren wir so unglaublich viel besser, daß wir lieber auch gleich den Namen geändert haben." Lauren ist inzwischen nicht mehr dabei, weil sie ein Studium an der Ostküste einer Karriere als Punkrockerin vorzog. Ersatz Carrie ist zwar mit gerade einmal 23 die Jüngste in der Band, hat aber trotzdem mit die größte Banderfahrung. "Sie war in einer Band namens The Fags, die eine unglaublich populäre Punkband war, als ich zur Highschool ging. Sie spielt also schon seit sieben Jahren Gitarre und hat erst bei uns angefangen, Baß zu spielen. Don spielt seit neun oder zehn Jahren in Bands, und das Ganze ist für ihn insofern ein bißchen dumm gelaufen, als er jetzt eigentlich in dem Alter ist, in dem er sich einen 'richtigen' Job suchen wollte, und auf einmal spielt er in einer Band, die etwas erreicht. Davor hat er es in all den Jahren mit keiner Band geschafft, auch nur aus Michigan rauszukommen!"
Aber auch jetzt spielen alle Mitglieder noch nebenher in anderen Bands, zumeist allerdings nicht mit allzu großen Ambitionen. Marcies Band Slumber Party ist da noch am ehesten eine Ausnahme, immerhin erschien deren Album auf Kill Rock Stars in den Staaten und Poptones in Europa und konnte allerorten gute Kritiken einfahren. The Done Wrongs, das Side-Projekt von Jason und Don dagegen, ist ein reiner Zeitvertreib, wenn die Von Bondies mal eine Pause einlegen müssen. "Die Musik ist viel tanzbarer und nicht so, naja, depressiv wie bei den Von Bondies." Apropos depressiv. Fast jeder Kritiker hat die Hoffnungslosigkeit erwähnt, die Jasons Texte auf "Lack Of Communication" ausstrahlen. Viele haben das auf das Leben in einer heruntergewirtschafteten Metropole wie Detroit zurückgeführt. Stimmt aber nicht. Der Grund ist wesentlich persönlicher, wie Jason verriet. "Ich habe mit der Musik vor vier Jahren angefangen, weil ich eine schreckliche Trennung zu verarbeiten hatte. Schon seit ich klein war, wollte ich dieses Mädchen heiraten, und als wir dann endlich alt genug waren, ging die Sache in die Brüche. Als wir uns trennten, war mir klar, daß ich entweder ruckzuck zum Alkoholiker werde oder mir ein anderes Hobby suchen muß. Da habe ich erst angefangen, Gitarre zu spielen. Alle Songs des Albums handeln also mehr oder weniger nur von diesem einen Mädel. Sieben der Stücke handeln ausschließlich von ihr. Und wie du gemerkt hast, sind es nicht gerade flockige Liebeslieder. Sie heiratet in Kürze, und deshalb habe ich letzte Woche zum ersten Mal seit Jahren wieder mit ihr geredet. Ich habe ihr erzählt, daß ich ein ganzes Album über sie geschrieben habe, und sie hat es sich besorgt und angehört. Sie konnte drüber lachen, fühlte sich aber nicht gerade geschmeichelt. Aber was soll ich sagen? So war meine Sicht der Dinge! Ich mußte das einfach loswerden, sonst wäre ich depressiv geworden, gerade, weil es auch sonst nicht gerade viele positive Dinge in Detroit gibt, die dich aufbauen könnten."
Aufgenommen hat das Quartett sein Debütalbum in sagenhaften 14 Stunden. Schließlich nehmen The Von Bondies live auf. Ein Take für alle Instrumente zusammen, ein zweites für den Gesang - fertig. Für ihr zweites Album haben sie eine Aufnahmezeit von zwei Tagen veranschlagt, deshalb konnte Jason auch allen Ernstes sagen, daß sie das nächste Album "noch diese Woche" aufnehmen würden, obwohl es schon Donnerstag war, als er mit Gaesteliste.de telefonierte! Was genau erwartet uns denn beim neuen Album, nachdem Jason seine verlorene Liebe ausgiebig betrauert hat? "Zwei der neuen Songs, 'Pawnshop Heart' und 'Ben Swank And Lovin' It', kennst du ja vielleicht schon von unserer John-Peel Session. Die sind immer noch nicht gerade positiv, aber... Es werden sicher auch Songs im Stil von 'It Came From Japan' [der aktuellen Single mit dem unfaßbar großartigen Refrain 'We all hail, hail from Rock N Roll'] auf der Platte sein. Der Song ist ja auch ein typisches Beispiel für ein Stück, das nicht von einem Mädel, sondern von meiner Liebe zum japanischen Rock N Roll und Bands wie Guitar Wolf handelt. Manchmal schreibe ich nämlich auch über die guten Zeiten, die ich erlebt habe, hahaha."
Und weil die Von Bondies genug eigene Ideen haben, sind sie im Gegensatz zu vielen seelenverwandten anderen Bands keine großen Fans von Coverversionen. Eine hat sich dennoch auf "Lack Of Communication" geschlichen. "Bring It On Home To Me" von Sam Cooke - allerdings nur als von Marcie gesungener, semi-akustischer und damit sehr untypischer hidden Track vier Minuten nach dem letzten offiziellen Song. "Wir haben ihn deshalb aufgenommen, weil ich ein großer Fan von Eric Burdon und den Animals bin, die das Stück ja auch gecovert haben. Ich wollte den Song unbedingt aufnehmen, ihn aber nicht selber singen. Ich singe ihn live und gut ist, aber weil ich schon die ganze Platte singe, wollte ich für den Extra-Track etwas komplett anderes haben." Unsere Frage nach dem Stück war gleichzeitig Anlaß für Jason, sich ein bißchen Frust über dumme Journalistenfragen von der Seele zu reden. Da wurden die Von Bondies doch tatsächlich in der Vergangenheit gefragt, wie viele Songs Jack White denn für das Von Bondies-Album geschrieben hätte? Die Antwort ist natürlich: Keinen, denn Jack ist nicht Burt Bacharach, und die Von Bondies kommen wie auch jede andere Band in Detroit ganz gut selbst mit dem Stückeschreiben klar. "Die Leute fragen uns die aberwitzigsten Dinge zu unseren Aufnahmen mit Jack als Produzent, aber nach dem Offensichtlichen fragt keiner. Niemand fragt: 'Ist das Jack, der auf 'Bring It On Home To Me' die Orgel spielt?' Natürlich ist er's!!! Wenn du Jack auch nur einmal irgendwo Klavier hast spielen hören, wie kannst du dann darauf kommen, daß er es nicht ist? Trotzdem stellt niemand diese Frage. Alle wollen nur wissen: 'Jack hat eure Platte produziert, wie ist das abgelaufen?' Dazu kann ich nur sagen: 'Er hat im Studio gesessen und darauf geachtet, daß wir uns nicht gegenseitig umbringen. Mehr nicht. Auch gut war die Frage, ob das Jack ist, der den hidden Track singt. Halllooo! Das ist ein Mädel, das da singt. So feminin ist Jack nun auch wieder nicht!"
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So sehr sich Jason über solche Fragen auch aufregen mag - überhaupt in den Staaten eigene Presse zu bekommen, ist eine Erfahrung, von der die Von Bondies selbst während ihrer Europatournee noch nichts ahnten. "Bevor wir in Europa waren, haben uns selbst die Lokalzeitungen ignoriert. Als wir dann wiederkamen, fragten sich alle: 'Wie haben die das nur geschafft, nach Europa zu kommen? Ahhh, sie sind Freunde der White Stripes!' Vor der Europatournee waren wir schon froh, in Detroit vor 100 Leuten spielen zu können. Als wir zurückkamen, spielten wir auf einmal eine ausverkaufte Show vor 400 oder 500 Leuten! Wir haben in dem gleichen Laden schon einmal gespielt, da sind nur 10 Zuschauer gekommen! Die Konkurrenz ist eben sehr groß hier." Glücklicherweise nehmen inzwischen aber auch die Amerikaner die Von Bondies als eigenständige Band wahr. Im GQ Magazin stand sogar, die Von Bondies wären die Band mit den größten Chancen, als nächster Indie-Act bei einem Major zu landen. Und im Playboy listete Presse-Darling Ryan Adams die Band aus Detroit als seine Lieblingsband des Jahres 2001. "Er ist zu unserer John Peel Session gekommen und zu fünf oder sechs unserer Shows, aber als ich das gehört habe, dachte ich nur: 'Waaas? Höher als Björk oder Radiohead???' Ich verstehe das einfach nicht!"
Dabei ist es doch eigentlich ganz simpel: "Lack Of Communication" ist einfach eine großartige Platte. Ein Album zum Auswendiglernen, wenn man wissen möchte, wie kompromißlose Musik funktioniert. E basta!
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Interview: -Carsten Wohlfeld- Fotos: -Dave Swanson -
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Aktueller Tonträger: Lack Of Communication (Sympathy For The Record Industry/Import)
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