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ST. THOMAS
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Hat alles nix zu bedeuten
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St. Thomas ist ein 25 Jahre alter Norweger, dessen Herz sich erwärmt, wenn man sich für seine Musik erwärmen kann. Diese Mensch gewordene Kettenreaktion macht - laut "The Face" - "bittersweet Appalachian pop tales of loss and alienation". Das Problem dabei: Wie Karl May war dieser Mann nie in den USA. Thomas, der seinem Namen das "St." für "Saint" voranstellt, weil das cool klingt (und aus keinem anderen Grund), klingt selber wie Neil Young - weswegen ihm diesbezügliche Vergleiche natürlich auf den Keks gehen. "Für meine Stimme kann ich schließlich nix", sagt er trotzig, "und meine musikalischen Wurzeln liegen ja auch woanders." Was stimmt - obwohl die ersten Tracks der zweiten CD des Musikanten aus Oslo doch ziemlich nach Buffalo Springfield... aber lassen wir das.
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Thomas umreißt kurz seinen musikalischen Werdegang: "Musik gehört habe ich schon mit 10 Jahren", erinnert er sich stolz, "die Plattensammlung meines Vaters - CCR, Bob Dylan - und alles, was gute Melodien hatte. Mit 21 habe ich dann Sachen wie Will Oldham oder Elliott Smith gehört - amerikanische Songwriter mit dem gewissen Etwas." Aha - das sind dann auch die Töne, die man aus seinem Tun ansonsten heraushören kann. Wieso aber gerade mit 21? "Da habe ich beschlossen, Musiker zu werden", erklärt Thomas, "ich habe mir eine Gitarre gekauft, gelernt diese zu spielen und dann ging es los." So einfach ist das. Das Ergebnis klingt indes, als spiele dort eine Band, die seit Jahrzehnten zusammen jammt. "Oh nein", wehrt Thomas ab, "wir haben uns lediglich in diesem kleinen Haus in Bergen getroffen und es waren eigentlich alles nur Freunde, die auf die gleiche Wellenlänge eingestimmt sind wie ich." Klingt das Album deswegen zuweilen wie ein Live-Mitschnitt? "Gewiß", stimmt Thomas zu, "das sind auch öfters erste Takes - weil wir keine Zeit zum Üben hatten. Wir haben uns zusammengesetzt, uns die Arrangements überlegt - wo ein Banjo oder eine Geige passen täte und so - und dann haben wir die Songs eingespielt. Es kam lediglich vor, daß wir verschiedene Versionen eines Songs eingespielt haben." Was die Nümmerkes bei "I'm Coming Home" und "Failure" erklärt.
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Nochmal zum Thema USA: Die Musik des Meisters klingt ja unzweifelhaft nach dem Land hinter dem großen Teich. Wie macht man das denn, als Norweger? "Nun, wenn ich meine Augen schließe, dann habe ich natürlich die norwegischen Seen, Berge und Wälder vor Augen", gibt St. Thomas zu, "ich habe auch Elemente aus der norwegischen Folklore übernommen." Und was wäre das? "Gewisse Harmonien, die Art zu singen, besonders das gelegentliche Jodeln (wie in 'She Married A Cowboy') - das kommt aus unserer Volksmusik." Was nun beileibe nicht heißt, daß das eine folkselige Scheibe geworden ist. Sachen wie "Bookstore" hätte auch ein Will Oldham nicht besser hingekriegt. "Nun ich mag seine Musik zwar", bremst Thomas, "ich versuche aber nicht, ihn zu emulieren!" Wie kommt denn der Sound generell zusammen? "Wir haben versucht, jedes Stück anders klingen zu lassen", erklärt Thomas, "manchmal - wie bei 'Bookstore' - haben wir einfach ein Mikro in den Raum gestellt und uns darum herum versammelt ..." Wie die Landsmänner von HGH? "Ja genau. Mir war es wichtig, es nicht wie in einem Studio klingen zu lassen." Ist die Sache mit der Heimarbeit wegen budgetärer Gründe so gelöst worden? "Teils Teils", schränkt Thomas ein, "einerseits hätte ich wohl Wege finden können, ins Studio zu gehen, andererseits wollte ich es aber wirklich nicht."
Und was machen St. Thomas live? "Ich habe eine 5-Mann-Band", beschreibt er, "und viele, die uns live gesehen haben, sagen, das sei sehr überraschend. Wir haben jede Menge Spaß auf der Bühne - ohne die Musik nicht ernst zu nehmen. Wichtig ist aber die Umgebung, was passiert. So soll jede Show anders klingen. Es gibt viele Bands, die jeden Abend das Gleiche spielen. Dazu gehören wir bestimmt nicht." O.K. Abschließende Frage: Was bedeutet der Titel des Albums und worum geht es in St. Thomas-Stücken? "Bei mir hat nichts etwas bestimmtes zu bedeuten", desillusioniert uns Thomas, "Ich wollte eine Scheibe, die nach einem Stück benannt ist. Meine Charaktere kommen zumeist aus meinem Umfeld, der Rest wird dazu erfunden. Ich bin kein Geschichtenerzähler. Es geht mir aber immer um die Situation, die Atmosphäre und die Stimmung. Hauptsache, ich finde meinen eigenen Stil." Dem ist nichts hinzuzufügen. St. Thomas ist der ideale Kandidat für alle, die in diesem Artikel aufgezählten Musikanten mögen - ohne daß man sagen könne, St. Thomas mache diese nach. Es wäre schön, wenn mehr Musikanten ihren musikalischen Idole dermaßen effektiv und unaufdringlich huldigten wie St. Thomas.
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Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Christoph Klenzendorf-
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Aktueller Tonträger: I'm Coming Home
(CitySlang/Labels/Virgin)
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