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JULIAN DAWSON
 
Der weise Hinterwäldler
Julian Dawson
Julian Dawson ist ja nun wirklich jemand, der Gott und die Welt kennt. Insofern verwundert es nicht unbedingt, daß er jetzt eine Scheibe mit der ehemaligen Byrds- und Flying Burrito Brothers-Legende Gene Parsons aufnahm. Es überrascht höchstens - denn musikalisch entfernt sich Julian doch um einiges von seiner üblichen Linie und lugt in Richtung der amerikanischen Roots - Country & Bluegrass. Was sich durch die tätige Mithilfe des "Multi-Instrumentalist, Singer, Writer, Record Producer, Inventor, Master Machinist, Motorcycle Mechanic and Steam Enthusiast" Parsons so entwickelte. Doch lassen wir Julian selbst einmal erzählen, wie die Sache entstanden ist: "Ich habe Gene auf einer Musikmesse in Austin kennengelernt", berichtet Julian, "dort hat er seine Erfindung, den 'Stringbender' vermarktet [Das ist ein Gitarren-Gimmik, mittels dessen sich Pedal-Steel-Effekte auf einer normalen Gitarre erzielen lassen]. Gene ist nicht nur ein Musiker, sondern auch ein Mechaniker und ein Erfinder (s.o.). Er stand sich nach den Byrds nicht so gut, weil er damals Lohn gearbeitet hatte und nicht an den Tantiemen beteiligt wurde. Im Prinzip hat der Mann 30 Jahre in einem Trailer gelebt. Wir haben dann irgendwann mal überlegt, etwas zusammen zu machen."
Und wie kam es dann zu dieser CD mit diesen Stücken? Wie gesagt: Sie sind ja etwas untypisch für Julian - obwohl seine Art natürlich deutlich zu erkennen ist. "Wenn Du so lange Musik machst wie ich, dann ist das unvermeidlich", erwidert er auf diese Bemerkung, "was die Stücke betrifft: Das sind ältere Sachen. Ich hatte ca. 60 Songs herumliegen, von denen ich nicht so recht wußte, was ich damit machen sollte. Ich dachte immer, daß seien nicht meine stärksten oder besten Songs - aber letztlich stellte es sich als Stärke heraus, denn so konnte ich am meisten aus den Songs machen." Wieso hat Julian denn alte Songs für dieses Projekt verwendet? "Ich habe eine ganze Zeit - so ungefähr 18 Monate lang - keine neuen Songs geschrieben." Writers Block? Oder wegen der (soeben überstandenen) Krankheit? "Nein, ich hatte nur eine Zeitlang das Gefühl, daß es genügend Songs gäbe", schmunzelt er, "ich habe ca. 19 CDs, von denen ich Material vortragen kann, und das ist eine ganze Menge. Inzwischen sehe ich die Sache aber wieder anders und habe wieder angefangen zu schreiben. Ich denke, die Pause war ganz gut für mich, denn ich gehe jetzt mit einer ganz anderen Energie and die Sache heran." Zurück zur Scheibe: Wie kam denn dieser - vergleichsweise unspektakuläre, aber originäre Sound zustande? "Je länger ich arbeite, desto mehr habe ich das Gefühl, meine Songs müssen immer einfacher werden", erklärt Julian, "im Prinzip habe ich meine Songs zur akustischen Gitarre gespielt und gesungen und Gene hat dann alle anderen Instrumente dazu gespielt. Gene hat mich übrigens an eine neue Arbeitsweise herangeführt, die ich jetzt immer anwenden werde. Er hat, während ich meine Songs sang, auf dem Knie oder so dazu den Rhythmus geklopft - quasi wie ein menschlicher Click-Track. Das war sehr schön, denn so hatte ich jemanden, der mit mir interagierte und er hatte etwas, mittels dessen er seine Arrangements aufbauen konnte." Und diese bieten dann das ganze Country-Instrumentarium vom Banjo bis zur Pedal Steel. "Ja, da sind alle diese Instrumente drauf, aber Gene hat eine ganz eigene Art, diese zu spielen", schwärmt Julian, "er ist zwar kein Virtuose, aber er kann alle Instrumente richtig spielen. Und wir haben darauf Wert gelegt, die Sachen nicht genre-typisch einzusetzen. So haben wir z.B. bei einem souligeren Stück statt einer Gitarre ein Banjo genommen und die Pedal Steel gerade nicht bei einem Country Track verwendet." Was der Sache natürlich einen ganz eigenen Reiz verleiht.

Eine rätselhafte Frage müssen wir indes noch klären: Was um Himmels Willen ist "Hillbilly Zen"? Julian lächelt: "Nun ja, 'Hillbilly' heißt ja eigentlich 'Hinterwäldler', ist also ein negativer Begriff. Ich dachte mir aber: Was wäre denn, wenn ein weiser alter Opa in seinem Flußboot auf der Terrasse sitzt und sein Wissen an die Enkel weitergibt. Ist das nicht zu vergleichen mit fernöstlicher Weisheit? Deshalb der Begriff 'Hillibilly Zen'". Was ja auch ein cooler Titel ist. Wie geht's denn nach dieser Scheibe weiter? "Ich bin gerade dabei, Material zu schreiben", verrät Julian, "möchte jedoch mal ganz was anderes machen. Vermutlich werde ich die Scheibe alleine zu Hause aufnehmen. Und ich möchte gerne mal mit Streichern zusammenarbeiten. Das ist ja normalerweise recht schwierig. Ich habe da jedoch Glück: Mein Bruder Matt, mit dem ich ja auch schon auf Tour war, ist mit einer Streicherin des Luxemburger Symphonie-Orchesters verheiratet. Und da sitzen jede Menge klassisch ausgebildeter Streicher, die darauf brennen, auch mal etwas anderes zu machen." Lassen wir uns mal überraschen. Interessant hört sich das auf jeden Fall an. Wird es denn in Zukunft auch wieder Kollaborationen wie die mit Gene geben? "Ich kann Dir sagen, die Liste der Leute, mit denen ich mal etwas zusammen machen möchte, ist im Laufe der Zeit sehr kurz geworden", meint Julian hierzu, "wenn ich in diesem Leben mal etwas zusammen mit Neil Young machen könnte, wäre das sicher wunderbar. Und mit dem Folk-Gitarristen Martin Carthy wollte ich schon immer mal etwas zusammen machen." Das verwundert nun doch ein wenig: Wie gesagt, Julian kennt ja Gott und die Welt. "Nun ja, als ich anfing, habe ich natürlich alleine gearbeitet", erklärt er das, "als ich dann nach Nashville ging, war das da Gang und Gäbe mit anderen zusammen Songs zu schreiben. Ich hatte ja auch gleich Glück: An einem Nachmittag zusammen mit (Soul-Songwriter Legende) Dan Penn Songs schreiben zu können, das gehörte schon zu meinen Sternstunden. Mir gefiel das dann so gut, daß ich das dann eine Zeitlang fast exzessiv gemacht habe. Wenn es klappt, ist das auch wunderbar. Aber wenn es nicht so gut läuft, dann hast Du zwei Leute, die höflich zueinander sind, aber nicht ihr bestes geben und das Ergebnis ist dann nicht so gut. Deshalb möchte ich die Kollaborationen beschränken. Ich arbeite momentan als Songwriter lieber alleine."

Julian Dawson
Julian wird zur neuen CD auch wieder auf Tour gehen - aus Kostengründen allerdings leider ohne Gene Parsons. "Gene würde schon für eine Woche rüberkommen, aber ob Edgar (vom Blue Rose Label) das bezahlen kann, weiß ich nicht. Und ich kann Gene ja nicht zumuten, auf dem Fußboden zu übernachten. Da wäre eine große Plattenfirma schon besser. Aber ich bin glücklich bei Blue Rose und möchte keinesfalls wieder dieses Theater mitmachen wie bei großen Labels." Theater? "Ja, wenn Du meine Meinung hören willst: Ich denke, wir erleben gerade die Todeszuckungen der Plattenindustrie in der bisherigen Form. Oder glaubst Du, die Boy Groups haben eine Zukunft? Wo sind denn die nächsten U2 oder ein neuer Sting? Solche Künstler mußt Du aufbauen. Da kann man nicht immer nur an den momentanen Hit denken. Mein erster Hit mußte drei mal veröffentlicht werden, bis es klappte. So etwas könnte man heute nicht mehr machen." In der Tat hat man ja manchmal so das Gefühl, daß es bei der Musik nicht mehr um die Musik geht. Wie sieht es denn wirtschaftlich für Julian aus? "Ich wundere mich selbst, daß ich in diesem Business so lange und vergleichsweise komfortabel überleben konnte", überlegt er, "ich werde die Sache so lange weitermachen, wie ich nicht betteln muß. Dann werde ich etwas anderes machen." Wie z.B. ein schreiben: Julian arbeitet gerade an einem Buch über Nicky Hopkins - wozu er am nächsten Tag Ian McLagan interviewen muß. Das zeigt übrigens einen der wichtigsten Aspekte Julian Dawsons - der auch die Zusammenarbeit mit Gene Parsons erklärt - der dem deshalb auch der Schlußsatz gebührt: "Bei allem was ich tue, bin ich zunächst und vor allem immer auch ein Fan gewesen."
Weitere Infos:
www.juliandawson.com
www.stringbender.com
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-
Julian Dawson
Aktueller Tonträger:
Hillbilly Zen
(Blue Rose Records/In-Akustik)
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