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DAVID JOHANSEN AND THE HARRY SMITHS
 
Jazzer sind die besseren Blueser
David Johansen And The Harry Smiths
Das ist doch mal Kundenbindung: Wenn man bei Chesky Records in New York anruft, wird man begrüßt mit dem Spruch: "Chesky Records - how can I help you, Sweetie?" David Johansen, vor Urzeiten Enfant Terrible und Gründervater der New York Dolls und nach einer zögerlichen Solo-Karriere dann leidlich erfolgreich als der Lounge-Lizard Buster Pointdexter hat all das hinter sich gelassen und ist jetzt dort gelandet, womit (für ihn) alles begann und womit man sich im "Alter" musikalisch am besten arrangieren kann: Dem Blues. Und mit diesem dann bei Chesky, dem audiophilen Label mit der puristischsten aller Attitüden, wo jetzt bereits das zweite Album, "Shaker", erscheint. Seine Band, The Harry Smiths, benannte er nach dem Regisseur, Maler, Anthropologen und Linguisten Harry Smith (www.harrysmitharchives.com), der vor allen Dingen dadurch berühmt wurde, daß er 1952 die Anthology Of American Folk Music herausbrachte. Dieses war eine Sammlung von 84 Songs auf 6 LPs, die praktisch die Basis waren für alles, worauf jedermann, der sich des Songwritings annahm seither aufbaute - allen voran Dylan und Kollegen.
Es ist nun allerdings nicht so, daß sich David Johansen vor allen Dingen als Kurator des Folk-Songs sieht. Die Frage nämlich, warum er nun den Blues singt, beantwortet er so: "Wegen des Geldes mache ich es jedenfalls nicht. Das sage ich immer zuerst. Ich bin kein Gamaschenverkäufer! Es geht mir zunächst um die unbeschreibliche Freude, die es bereitet, diese Songs zu singen. Das mit dem Weitergeben von Songmaterial an die Nachgewachsenen ist eher ein Nebeneffekt. Als ich die Harry Smiths ins Leben rief, brauchte ich irgendeinen Namen und die Harry Smiths war das erste, was mir damals einfiel. Es war ja zunächst geplant, nur ein einziges Konzert zu geben, dann kamen wir aber so gut zurecht, daß wir beschlossen, weiterzumachen." Wer sind denn die Harry Smiths und welchen Input haben sie bei diesem Projekt? "Nun, auf die Beine gestellt habe ich die Sache mit meinem langjährigen Partner, Brian Koonin. Als wir uns dann überlegten, wie wir das machen sollten, war uns sehr schnell klar, daß es zwar eine Menge Leute gibt, die Blues spielen, aber nicht viele, die ihn richtig spielen können. Die Jungs, Kermit Driscoll und Keith Carlock, sind eigentlich Jazz Musiker. Denn Jazz Musiker sind in der Lage, einen Song seiner Individualität nach zu ergründen." Das heißt also, daß Jazz Musiker die besseren Blues Musiker sind? "Du meinst im Gegensatz zu Rock Musikern? Auf jeden Fall. Rock Musiker machen immer so einen Mischmasch mit dem Blues. Kennst du den Film 'Ghost World'? (www.ghostworld-themovie.com - das ist auf einem Comic basierender, bittersüßer Film um sympathische Außenseiter - einer davon ist Schellack-Platten-Sammler und Music-Aficinado Steve Buscemi) Da gibt es diese Szene, wo die in diesen Jazz Club gehen und sich diese Frau umdreht und meint 'Und nun werden wir richtigen Blues hören', und dann kommt dieser fürchterliche Blues Rock - das ist mein Feindbild!"
In der Tat klingt das, was David Johansen da so macht, überhaupt nicht nach Blues-Rock, sondern so, wie es wohl die alten Meister damals auch gerne gemacht hätten. Es gibt da natürlich gegenüber damals schon gewisse Fortschritte. So ist mit Keith Carlock ja u.a. ein versierter Drummer am Werk. Was sehr auffällt, ist die Direktheit, mit der Johansens Stimme im Raum steht und dabei - selbst für Chesky-Standard ungewöhnlich - auch sehr dynamisch wirkt. Wie ist das denn technisch gemacht worden? "Das ist aber eine typisch deutsche Frage!" Ja - und nein: Denn es ist ja so, daß die alten Blues Recken mit allerlei Tricks arbeiten mußten, um ihre z.T. unglaublichen Sounds hinzubekommen. Es geht einfach darum, ob David auch so etwas gemacht hat. "Ach das meinst du? Ja, das ist ein spannendes Thema. Ich habe z.B. dieses Buch darüber gelesen, wie Charlie Patton aufgenommen hat [auf Shaker vertreten mit 'High Sheriff']. Der hat sich z.B. Trichter aus Sperrholz gebastelt, um den Sound zu verstärken. So etwas habe ich natürlich nicht gemacht. Ich meine: Da ich so lange damit arbeite, weiß ich natürlich, wie man mit einem Mikro umgehen muß. Besondere Gedanken habe ich mir aber nicht gemacht. Wir haben einfach eine ganze Menge Stücke aufgenommen. Wenn mir etwas nicht gefallen hat, dann haben wir eben etwas anderes gemacht." Im wesentlichen ist das ja auch das, was die Leute damals - also vor Hi-Fi und Overdub gemacht haben. Ist denn die neue Scheibe auch eine Referenz an die Performance der alten Blueser? "Sagen wir mal so: Das war die Inspirationsquelle. Es geht darum - auch bei der Auswahl der Songs - daß das Stück zu dir spricht. Wenn es dann von Herzen kommt, dann geht alles wie von selbst." Dabei ist es offensichtlich nicht so wichtig, woher der Song stammt. So gibt es auf Shaker ja auch eine Cover-Version von Gillian Welchs "My Morphine". "Ja, das ist das erste Stück von einer noch lebenden Künstlerin, welches die Harry Smiths aufgenommen haben. Dieses Stück hat mich einfach mitten in den Kopf getroffen. Ich mag es unheimlich gerne." Was tut David eigentlich, um seine Version des Songs zu finden. Es wird ja manchmal gesagt, daß David Johansen die Stücke "schauspielert" (weil er ja auch manchmal als Schauspieler arbeitet (z.B. in "Scrooged" mit Bill Murray). "Ja, das ist aber fast seltsam. Denn irgendwie ist ja schließlich jeder Sänger in gewisser Weise auch ein Schauspieler. Der Sänger bekommt die beste Rolle, wenn du weißt, was ich meine. Es geht darum, eine oder mehrere der Myriaden von Emotionen, die jeder in sich trägt, auf den betreffenden Song anzuwenden. In diesem Sinne bin ich natürlich ein Schauspieler. Ich würde aber sogar noch weiter gehen und sagen, daß JEDER Mensch ein Schauspieler ist. Das hat ja Shakespeare schon gesagt. Denn wie du dich präsentierst, weicht doch stark davon ab, wie du wirklich bist, oder?" Neben seiner Musik und den gelegentlichen Jobs als Schauspieler ist David Johansen auch ein Maler (www.fletchergallery.com). Ist das irgendwie miteinander verknüpft? "In gewisser Weise ja. Ich bin halt eine kreative Person. Ich habe damit vor ungefähr 10 Jahren angefangen, um ein weiteres Outlet zu haben. Und: Weil ich hier alleine arbeiten kann, während ich als Musiker mit anderen zusammen arbeiten muß. Was ich an der Malerei mag, ist der Umstand, daß ich nie weiß, was dabei herauskommt, wenn ich anfange. Nachher suche ich mir dann noch einen schönen Titel aus - etwas, was die Gedanken anregt. Denn ich bin der Meinung, daß Kunst, gleich welcher Art, auch immer ein wenig provozieren muß."
David Johansen And The Harry Smiths
Nun gut: Blues provoziert heutzutage natürlich nicht mehr so richtig. Aber darum geht es David in diesem Fall ja auch nicht. Eine Sache muß noch erwähnt werden: Auf dem Vanguard Folk-Sampler "Evangeline Made - A Tribute To Cajun Music" findet sich ja auch ein David Johansen Beitrag. "Du hast aber einen extensiven Musikgeschmack! Das kam so, daß mich Ann Savoy, die diese Scheibe gemacht hat, gefragt hat, ob ich nicht mitmachen wollte. Vielleicht hätte ich so was aber auch selber irgendwann einmal gemacht. Es geht mir ja nicht so sehr darum, mich auf das Genre Blues festzulegen, sondern ich bin im weitesten Sinne ein Freund der Roots-Musik." Und was macht David Johansen heutzutage, wenn er nicht mit den Harry Smiths spielt? "Malen. Und dann mache ich auch immer kleine Jobs für Freunde. Z.B. habe ich gerade einen Song für ein Harold Arlen [www.haroldarlen.com - der Mann hat "Over The Rainbow" geschrieben] Tribute aufgenommen. Der Song heißt "Kickin' The Gong Around" und Cab Calloway hat den gemacht. Und soeben habe ich einen Song für Paul Schraders neuen Film - der vermutlich 'Autofocus' heißen wird - eingespielt." So richtig langweilig wird es also kaum für David Johansen. Leider ist momentan nicht abzusehen, ob und wann er bei uns auf Tour kommt (er spielt öfter in New York und an der Ostküste und demnächst auch in Italien). "Ich würde liebend gerne nach Deutschland kommen, wenn denn da eine Nachfrage wäre." Woran wir ja gerne arbeiten wollen! Letzte Frage: Warum heißt die neue Scheibe ausgerechnet "Shaker"? "Au Mann, das ist aber eine schwere Frage. Es gibt viele Bedeutungen für das Wort Shaker - von der Schüttelflasche eines Bartenders bis hin zum Salzstreuer. Ich denke, es geht am ehesten um die Assoziation zur Bewegung - beim Tanzen oder so. Genau habe ich mir das aber noch nicht überlegt und festlegen möchte ich mich auch nicht."
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Kate Simon-
David Johansen And The Harry Smiths
Aktueller Tonträger:
Shaker
(Chesky/In-Akustik)
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