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READYMADE
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Erstes Comeback mit 30!
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Ein Jahrzehnt gibt es die Band aus Wiesbaden nun schon, aber erst jetzt sieht es so aus, als könnten Zachary Johnson, Chris Adelhütte, Steffen Hardt und Udo Masshoff den kommerziellen Durchbruch schaffen, den sie schon so lange verdient gehabt hätten. Zuerst hatten sie damit zu kämpfen, daß in ihrer Heimatstadt die Infrastruktur für junge Bands fast völlig fehlt(e), und ohne Auftritte und Förderer ist aller Anfang bekanntlich schwer. Und als sie dann endlich fünf Jahre später einen Plattenvertrag in der Tasche hatten und mit "It Doesn't Make Sense" und vor allem "Snapshot Poetry" ganz kurz vor der Beförderung aus dem Talentamt in die Belle Etage der deutschen Musikszene standen, ging dem Label die Luft aus, und Readymade sahen sich erst einmal auf's Abstellgleis gestellt. Schon vor 18 Monaten spielte Chris Gaesteliste.de die ersten Demos der neuen Platte vor, aber nach diversen Verzögerungen, die die Suche nach einem neuen Label, der mehrmalige Wechsel des Plattenstudios und die Planung der groß angelegten Rückkehr ins Rampenlicht so mit sich bringen, erscheint "The Feeling Modified", das großartige dritte Album des Vierers, erst jetzt.
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Deshalb fragten wir die vier gleich zu Beginn unseres Gesprächs vor dem Konzert in der Krefelder Kulturfabrik, wie sich Readymade drei Jahre nach der letzten Platte und kurz vor der Veröffentlichung ihres hervorragenden dritten Albums "The Feeling Modified" denn fühlen? "Älter", antwortet Zac wie aus der Pistole geschossen. "Ich bin halt letztes Jahr 30 geworden, und das war schon ein Einschnitt in meinem Leben. Außerdem haben wir dieses Jahr unser zehnjähriges Bandbestehen, dazu dann die dritte Platte, an der wir so lange herumgedoktert haben - da schaut man schon mal zurück, gerade, weil wir jetzt vor einem Neustart stehen."
Udo spricht sogar, wenngleich grinsend, vom "ersten Comeback mit 30", und da verwundert es nicht, daß "The Feeling Modified" in der Tat angenehm erwachsen klingt und meilenweit von dem oft infantilen Gedresche diverser Kurzhosenträger entfernt ist, die sich für angesagt halten. "Ich glaube, daß dies die von den Songs her reifste Platte ist, die wir gemacht haben", ist sich Zac sicher. "Die Popsongs der Platte hätten wir so vor drei Jahren noch nicht geschrieben, da waren wir einfach noch nicht so weit, daß wir so etwas hätten rauslassen können. Man versucht ja immer, andere Wege zu finden, Songs zu schreiben, und anfangs wehrt man sich oft dagegen. Auf der ersten Platte haben wir noch voll das Indie-Ding durchgezogen, da wären Streicher auf gar keinen Fall in Frage gekommen, bei der zweiten war das dagegen schon völlig okay. Man fühlt sich einfach wohler, mit bestimmten neuen Stilen umzugehen, die für andere nicht unbedingt neu sein müssen, für uns als Band allerdings schon. Ob das wirklich mit dem Alter zu tun hat, weiß ich nicht, aber man fühlt sich nun eben okay mit solchen Songs und kann die auf einmal dann auch schreiben und gut finden." Udo ergänzt: "1996 war Pop ja fast ein Schimpfwort. Heute lernt man plötzlich Sachen zu schätzen, die man früher aus welchen Gründen auch immer, verdrängt und verteufelt hat, weil man vielleicht auch selbst noch nicht so gefestigt in der eigenen Meinung war und sich von anderen hat stark beeinflussen lassen. Heute kann man zum Beispiel einfach ein paar Sachen aus den 80ern gut finden, ohne sich dabei ständig zu denken: Aber das ist doch peinlich." Ihre heimliche Vorliebe für Country-Rednecks wie Merle Haggard haben Readymade schon früh auf B-Seiten offenbart, und daß sie der Zeitgeist dabei inzwischen ein bißchen eingeholt hat, war eher Zufall. Große Diskussionen, darüber, was einer Indieband (als die Readymade bisher ja stets bezeichnet wurden) "erlaubt" sei, finden heute weniger statt: "Ich kann mich noch an die Diskussion vor der zweiten Platte erinnern, ob man Streicher benutzen darf oder nicht. Mittlerweile ist das für uns völlig normal, wir fragen uns nur noch: Braucht der Song das? Wird er dadurch besser? Früher hätten wir so etwas von vorne herein abgelehnt. Wenn man einmal eine bestimmte Schwelle überschritten hat, werden jede Menge Ketten gesprengt."
Da liegt die Vermutung nahe, daß das vielleicht auch mit einer Veränderung der eigenen Perspektive zusammenhängen könnte. Da startet man die Band zu Zeiten, als Nirvana auf dem Höhepunkt ihrer Karriere waren, die Lemonheads die Titelblätter der Musikmagazine schmückten und Bands wie Buffalo Tom oder Dinosaur Jr. mehr als nur obskure, halb in Vergessenheit geratene Kultstars waren, sieht sich zunächst noch mehr als Fan, macht eine Platte - die kommt gut an, macht eine zweite - die kommt noch besser an, nicht zuletzt, weil man sich musikalisch und technisch verbessert hat, und mit dem dritten Album klappt's dann endlich mit dem Absprung ins Lager der Profimusiker, die nicht nur ihre eigenen Platten, sondern auch die anderer mit völlig neuen Ohren hören? "Ich sehe mich nicht richtig als Vollblutmusiker", widerspricht Chris. "Ich bin Bassist in einer Band, aber als Profi würde ich mich nie bezeichnen. Ich achte bei einer Platte auch nicht nur auf den Baß-Sound. Natürlich fällt mir jetzt beim Hören mehr auf, aber letztendlich zählt nur der Song." Und Udo fügt an: "Es gibt ja Musiker-Musiker, also die studierten, die ihre ganzes Leben lang Unterricht genommen haben, und dann gibt es Herz-Musiker, zu denen wir eher gehören. Klar, manchmal höre ich extrem auf bestimmte Sachen, aber ich kann das auch gut zurückstellen und muß nicht alles als Fachidiot hören. Diese Musikerpolizei, das finde ich schlimm!" Allerdings muß man das fein säuberlich trennen. Denn auch wenn sich die vier, allesamt Autodidakten, vom handwerklichen Standpunkt aus vielleicht nicht als Profis betrachten, in puncto Lebenseinstellung sind sie es schon, wie Zac weiß: "Solange es nur um die Lebenseinstellung geht, dann gibt man bei der Einreise in England bei 'occupation' natürlich schon 'musician' und nicht, was weiß ich, 'Kinderkrankenpfleger' an. Insofern ist man dann schon Profi, denn man verbringt das ganze Jahr mit der Musik, die Urlaube, zum Beispiel beim Steffen, werden so gelegt, daß man auf Tour oder ins Studio gehen kann und eben nicht in Urlaub fährt."
Apropos ins Studio gehen: Erstmals haben Readymade im Ausland aufgenommen, unter anderem in den berühmten Rockfield Studios in Wales, in der so ziemlich die gesamte britische Elite von den Stone Roses bis zu den Manic Street Preachers, von den Charlatans bis zu Oasis aufgenommen haben. Eine ähnliche Technik mag man auch woanders vorfinden, eine besondere Atmosphäre hat solch ein Studio aber dennoch. Nicht zuletzt, weil es der Band nach fast einjähriger Inaktivität wichtig war, sich abschotten zu können und wirklich gemeinsam an einer Platte arbeiten zu können. Eine Herangehensweise, die bei "Snapshot Poetry" etwas vernachlässigt worden war. "Wir hätten die Platte wahrscheinlich auch in Hamburg aufnehmen können oder in jedem anderen deutschen Studio außer Weilheim oder Düsseldorf, wo wir schon gewesen sind. Grundlegend war die Motivation, daß wir im Kopf hatten: 'Oh, wir fahren jetzt nach Wales'. Wir sind zum ersten Mal zu viert in einen Flieger gestiegen, und das Studio war supergeil, wenn man die Referenzliste liest, fühlt man sich schon inspiriert." Und Steffen fügt an: "Wir wollten schon die typisch britische Produktionsweise angehen, weil wir uns gedacht haben, daß gerade die Popsongs wie 'Day 2' von einem Briten sehr gut und sehr schön produziert werden könnten." Seinen Anteil am Erfolg von "The Feeling Modified" hat also auch der Produzent. Der heißt Ian Grimble und hat bereits mit Bands wie den Manic Street Preachers, Travis, aber auch den Wannadies zusammengearbeitet und ließ die Band im Studio vor allem live spielen. "Das Schwierigste an der Platte war, einen Allround-Produzenten zu finden", erklärt uns Zac. "Auf der Platte sind ja eine ganze Menge echter Popsongs, das sind für uns so kleine Hymnen, und die müssen dann auch so produziert sein. Auf der anderen Seiten sollten Stücke wie 'Getaway' oder 'You Call It Trash We Call It Rock N Roll' natürlich schon nach vorne gehen und ruhig etwas garagig klingen. Wir haben versucht, einen Produzenten zu finden, der beides kann."
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Von Anfang an war also klar: Die Platte würde anders klingen als ihre beiden Vorgänger. "Das Seltsame daran ist das Gegenkonzept. Auf der einen Seite hast du ziemlich trashige Sachen und auf der anderen Seite so etwas wie 'Day 2', ein Song, der in alle Richtungen aufgeht." Aber genau dieser Abwechslungsreichtum macht "The Feeling Modified" ja zu einem so großartigen Album. Readymade-typische Nummern wie "My Little Galaxy" stehen bruchlos neben der Britpop-inspirierten Hymne "Day 2" und dem Garagensound des passend betitelten "You Call It Trash We Call It Rock N Roll". Daß ausgerechnet "My Little Galaxy", eine für einen Opener fast schon ungewöhnlich lange Nummer, am Anfang steht, hatte die Band übrigens zunächst gar nicht so geplant: "Zuerst hatten wir als Band eigentlich 'Getaway' am Anfang stehen, der Rest war eigentlich so strukturiert, wie es jetzt ist. Dann kam aber der Einwand von Management und Plattenfirma, daß 'My Little Galaxie' das Readymade-typischste Stück auf der Platte sei und am besten an das vorherige Album anknüpfe und das einige Leute vielleicht gesagt hätten: 'Was ist denn jetzt los?', wenn sie 'Getaway' am Anfang gehabt hätten. Jetzt folgen die Neuerungen einem Readymade-typischen Stück am Anfang. Wir haben lange darüber geredet, aber letztendlich haben wir gemerkt, daß das plausibel ist." Einer der auffälligsten Songs der Platte ist "You And Me", das Duett mit keiner Geringeren als 80s-Ikone Kim Wilde. Für die einen die beste Robbie-Williams-Pop-Nummer des Albums, mit der Readymade zum Sturm auf die Weihnachts-Nummer-1 blasen, für die anderen einfach eine (zu) dick aufgetragene Ballade am Rande der Seichtheit. Gerade auf einem Album, bei dem die Maxime ursprünglich lautete "Laßt uns rocken", fällt der Song schon ziemlich aus dem Rahmen: "Die Vorgaben wurden zum Teil nicht eingehalten, weil man im Proberaum dann doch wieder auf andere Ideen gestoßen ist, die zu gut waren, um sie einfach beiseite zu legen."
Mit der langen Wartezeit auf das Album verbunden war leider auch eine lange Live-Abstinenz der Band. "Das ist schon sehr hart, wenn du so lange weg warst", findet auch Udo abschließend. "Wir müssen jetzt wieder an einem Punkt anfangen, an dem wir vor nur 100 Leuten spielen und nicht vor 300/350 wie auf der letzten Tour. Aber das ist okay. Gestern, beim ersten richtigen Readymade-Auftritt nach der Pause, waren vielleicht 100 Leute da, aber es war super. Es ist so eine tolle Erfahrung, vor 100 Leuten zu spielen, die wegen dir kommen, das ist mir viel lieber als vor 1 500 zu spielen, die wegen Jimmy Eat World da sind!"
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Weitere Infos:
www.readymade.de
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Interview: -Carsten Wohlfeld- Fotos: -Pressefreigaben-
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Aktueller Tonträger: The Feeling Modified (Motor Music/Universal)
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