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BILL WELLS TRIO
 
White Jazz
Bill Wells Trio
Bill Wells ist dem geneigten Zuhörer bestenfalls auf Umwegen bekannt. Der Mann, der bislang nicht mal eine eigene Website hat, krebst bereits seit Mitte der 90er Jahre in der schottischen Musikszene herum. Er kommt - wie Arab Strap - aus Falkirk und arbeitet daneben eng mit den Pastels sowie Belle And Sebastian zusammen. Im Laufe der Jahre hat er sich zu so einer Art grauen Eminenz entwickelt. Bill Wells selbst hat zwei Bands: Das Trio und das Oktett. Mit beiden macht er eine recht einzigartige Instrumentalmusik, die irgendwo beim Jazz angesiedelt ist, aber andererseits so weit davon entfernt, dass er von studierten Jazzern nicht so richtig akzeptiert wird. "Du kennst mich vielleicht von meiner Arbeit mit Future Pilot AKA?", fragt er vorsichtig mit einem breiten schottischen Akzent, "oder von der Gentle Waves Scheibe, die ich mit Isobel Campbell von Belle And Sebastian gemacht habe? Daneben habe ich noch ein paar Beiträge zu Filmen von David McKenzie geleistet, für die Stephen von den Pastels die Musik geschrieben hat: 'The Last Day Of Wilderness' und 'Young Adam', ein Film, den übrigens David Byrne produziert hat und in dem die Musik von schottischen Bands beigesteuert wurde. Ich mag diese Arbeit sehr und würde gerne mehr davon machen."
Was sich auch anbietet, denn Bills Musik hat eine Qualität, die recht ungewöhnlich ist: Sie funktioniert sowohl als bloße Backgroundmusik, wie auch beim interessierten Zuhören. "Danke, dass du das sagst, das ist es nämlich, worauf es mir ankommt", meint Bill, "ich mache verschiedene Arten von Musik. Das ist keine bewusste Sache, sondern kommt eher aus dem Unterbewusstsein. Pop, Jazz, freie Musik - hauptsache melodisch. Das hängt damit zusammen, was ich selbst gerne höre. Und das ist eine Mischung aus Musik von technisch versierten Musikern - z.B. Jazz - und von Leuten, die technisch auf einem einfachen Level spielen. Gerade dieser Gegensatz reizt mich." Das erklärt auch, warum Bills eigene Musik - zum Beispiel die vom gerade veröffentlichten aktuellen Album "Also In White" - eigentümlich zugänglich und anspruchsvoll zugleich ist. Warum aber hat sich Bill auf Instrumentalmusik spezialisiert? "Das ist schwer zu sagen", überlegt er und zögert mit der Antwort, "weil ich selbst es mag, denke ich. Und weil Instrumentalmusik weniger spezifisch ist, als Musik mit Texten. Sie ist offen für Interpretationen. Das ist mir wichtig." Ein Aspekt der nachvollzogen werden kann - indes von den seltsam spezifischen Titeln der Stücke ein wenig ausgehebelt wird. Stücke, die "Presentation Piece", "Record Collector" oder "The Last Guitar Session" heißen, wecken doch bestimmte Vorstellungen, oder? "Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie lange ich an den Titeln arbeite", erläutert Bill, "das ist wirklich das Schwierigste. Ich suche immer nach einem Begriff, der für mich die Musik beschreibt." Was auch nach hinten losgehen kann. Der Titel des Albums, "Also In White", ist ja nun so ambivalent, dass man ihm kaum eine konkrete Bedeutung zumessen kann. "Das ist eine komische Geschichte", gibt Bill zu, "ein Journalist sagte mir, dass er das so interpretierte, dass Jazz ja vornehmlich von Schwarzen gespielt werde. Insofern hieße also 'also in white', dass man Jazz auch als Weißer spielen kann. Mein Gedanke war aber ein ganz anderer. Stell' dir ein weißes Auto vor. Wenn man da etwas mit dem Finger drauf schreibt, kann man es lesen, wenn vorher Staub drauf gelesen hatte - auch in weiß. Das fand ich, war ein schönes Bild." Und ein seltsames dazu. Immerhin: Es passt irgendwie zum assoziativen Fluss der Musik.
Bill Wells Trio
Warum hat Bill denn gleich ZWEI Bands? "Das ist ganz einfach: Das Oktett ist wilder, lauter und baut auf Improvisationen und das, was im Zusammenspiel passiert auf. Es ist allerdings nahezu unmöglich, damit aufzutreten. Ich schätze mich schon glücklich, wenn das dreimal im Jahr in Schottland gelingt." Dann allerdings ist Bill nicht zu halten. Alle Auftritte nimmt er auf - und bringt diese zuweilen auch ohne Rückfrage bei den Musikanten als Tonträger raus. Eines dieser Tapes steckte Stephen von den Pastels Tony Smith von Domino Records zu, als dieser in seinem Plattenladen auftauchte - und: Voilá. Auf der CD des Trios befindet sich z.B. ein Sample des Oktetts von einem dieser Tapes. "Das mache ich zuweilen - wenn es mich ästhetisch anspricht. Das ist ganz gut, um einen Ankerpunkt für einen Song zu finden", erklärt Bill das, "das Trio macht nun Musik, die ich mir selber gerne anhöre. Es geht um eine ruhige Grundstimmung, die Musik ist friedvoll, nachdenklich - aber auch abstrakt. Und: Fast alles ist vorher komponiert. Ich lasse zwar Raum für Ideen [auf dem Track "D.A.D.E." steuert z.B. Katrina von den Pastels ätherische, gestaffelte Stimmen bei], aber das meiste ist vorher geplant. Das musst du dir so vorstellen, wie die Stücke, die Gil Evans [der britische Altmeister des Cool-Jazz] arrangiert hat. Das ist meine Art, ihm meine Referenz zu erweisen." Bill Wells ist ein Autodidakt. Auf die Frage, ob er ein Pianist sei (nur um sicherzustellen, wer auf der Scheibe was spielt), meint er ganz bescheiden. "Auf eine gewisse Weise könnte man das so sagen" - was ihm natürlich den üblichen Jazz-Betrieb verschließt. "Ich denke, einige Leute in der schottischen Jazz-Szene würden die Nase rümpfen, wenn ich dazugehören würde", sagte er '96. Zum Glück ist das aber - um den Preis, dass ein kommerzieller Erfolg bislang ausblieb - auch nicht nötig. Bill gelang es, gestandene Jazzer zu begeistern, mit ihm zusammen zu musizieren (auch hier eine Parallele zu Evans). Das wiederum ist das Erfolgsrezept von "Also In White" und macht diese Scheibe - wie so oft, wenn Jazz und andere Musikformen sich erfolgreich verquicken - zu einem einzigartigen Tondokument.
Weitere Infos:
www.cogsci.ed.ac.uk/~jonathan/pastels.html
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Kartin Mitchell-
Bill Wells Trio
Aktueller Tonträger:
Also In White
(Domino Records/Zomba)

 
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