GL: Rene, wie und wann genau hat die Entwicklung, die zu einem zwar noch kleinen, aber hochnotfeinen Label und Festival geführt hat, rückblickend angefangen?
RJ: Angefangen hat alles 1997. Ich hatte damals schon als Fan und Autor mit dem Internet-Magazin Dutch Progressive Rock Page zu tun (www.dprp.vuurwerk.nl), als mir der Gedanke kam, mit einem Herren aus der Szene zusammen einen Musikverlag aufzumachen. Der andere hatte schon eine kleine Firma und wir beschlossen, gemeinsam ein Label zu gründen. Das taten wir auch, aber es endete in einer einzigen Riesenenttäuschung für mich, die ich aber auch lieber vergessen, als erläutern möchte... Jedenfalls brachte ich kurz danach mit einigen Freunden, darunter Erik van Geel, das erste ProgPower-Festival an den Start, was auch ganz gut lief. Aber der Gedanke mit dem eigenen Label wollte mir nicht aus dem Kopf! Also startete ich einen zweiten Anlauf, und weil ich versuchte, aus dem ersten Fehlschlag zu lernen, war dies ein sehr vorsichtiger, sozusagen "langsamer" Versuch. Wir hatten die Vision, lieber mit Qualität statt mit Masse zu arbeiten und mit unseren Label-Debüts von Sonic Debris und Into Eternity ist uns das auch eigentlich ganz ordentlich geglückt. DVS Records war geboren und ProgPower stand schon vor der zweiten Ausgabe!
GL: Wie bist du an den Namen "ProgPower" gekommen, gibt es da keine Lizenzrechte drauf und wie gestaltet sich konkret die Zusammenarbeit mit den US-Partnern?
RJ: Tatsächlich kam einfach irgendwer mit dem Namen an. Wir hatten eine Art Preisausschreiben für den coolsten Namen für den Event und ProgPower schien der einfachste, aber auch klarste für ein Festival der Progressive und Power Metal-Szene zu sein, also nahmen wir den. Die Veranstalter in den USA benutzen den selben Namen und wir teilen uns dieselbe Startseite mit dem ProgPower-Logo, aber ich weiß wirklich nichts über irgendwelche Lizenzrechte. Gottseidank (lacht). Also, wenn jemand in Asien z.B. jetzt auch so ein Festival machen und den Namen nutzen will - soll er doch, das wäre cool.
GL: Wie finanziert sich ProgPower derzeit, wer sind Sponsoren und Partner, und was sind deine Zukunftspläne für diesen Event?
RJ: Ehrlich gesagt habe ich schlicht und ergreifend eine Menge privater Kohle in den Event gesteckt. Die letzten drei Jahre hatte Popmerchandising immerhin einen Teil des Sponsoring übernommen, aber es sieht so aus, als würden wir dieses Jahr das komplette finanzielle Risiko allein tragen. Dabei ist natürlich das Problem, dass in unserer kleinen Organisation alles nebenberuflich passiert. Also können wir auch nur begrenzt Zeit und Energie in die Acquisition von Sponsoren stecken... 2001 war jedenfalls der Break-Even, wo wir das erste Mal die Investitionen ausgleichen konnten. Wenn du nach den Zukunftsplänen fragst - soweit ich das heute absehen kann, wird ProgPower wohl klein und fein bleiben. Wir haben jetzt einen Austragungsort mit Platz für 750 Leute [das Jugendzentrum Sjiwa in Baarlo, nah der deutschen Grenze] - und das ist erst mal genug. Wir wollen ein paar junge Bands supporten und versuchen, mit ein paar größeren Namen mehr Zuschauer zu erreichen. Und bislang haben wir jedes Jahr Komplimente für das Line-Up bekommen. Trotzdem bleibt es schade, wenn Dream Theater in den Niederlanden 5 000 Menschen zieht und wir mit beispielsweise Pain Of Salvation oder Anathema nur knapp 800. Aber so sieht's derzeit halt aus, und ich kann jedem versprechen, dass ProgPower mehr zu bieten hat, als riesige Zuschauermassen. Aber um das mitzubekommen, muss man schon herkommen.
GL: DVS Records ist seit 2000 am Start, wie hoch waren die Anfangsinvestitionen und wie hast du die aufgebracht? Woher kam das Vertrauen, dass du es shaffen kannst, angesichts der Tatsache, dass ProgMetal nicht gerade eine Garantie für Millionseller ist und angesichts der heftigen Konkurrenz bei Major Labels und Konzertveranstaltern?
RJ: Tatsächlich waren unsere Investitionen für Privatleute ziemlich heftig. Wir hatten keinen schlechten Start mit DVS, die ersten Reaktionen in der Szene waren gut und das hat uns Mut gemacht. Und von Deal zu Deal stieg dann auch der anfangs kleine Glaube an den Erfolg. Aber natürlich gab es auch jede Menge Rückschläge...zum Beispiel Vertriebspartner, die CDs abnehmen und absetzen, aber nie bezahlen, Zusagen von Künstlern, aus denen nie irgendetwas wurde und so weiter. Aber da muss man wohl einfach durch und auf lange Sicht muss sich die Qualität der "eigenen" Musik einfach auszahlen! Anfang diesen Jahres hat mein Gründungspartner Erik beschlossen, das Label zu verlassen, weil er mit seiner Familie in die Staaten übersiedelt - seine Frau ist Amerikanerin. Erst wusste ich nicht, was ich machen sollte, aber weil mir klar war, dass wir ein paar exzellente Veröffentlichungen in der Hinterhand hatten, hab' ich mich entschlossen, allein weiterzumachen. In der Zwischenzeit haben wir ein paar gute Lizenzverträge abgeschlossen, unsere Distris bezahlen uns und ich kann wieder an den Erfolg glauben. Es gibt aktuell gute Vertragsabschlüsse für Deutschland, USA, Kanada, Mexico, Skandinavien und zaghaftes erstes Interesse aus Brasilien, Japan, Kora und sogar China, das stimmt optimistisch. Es hat lange gedauert und viele Durststrecken gegeben, aber ich habe den Eindruck, dass DVS mittlerweile für die Qualität seiner Acts und der Artworks an- und wiedererkannt wird. Ich hoffe, wir unterscheiden uns darin etwas von vielen kleinen Labels.
GL: Apropos Vertriebsproblematik - mit A-live music in Köln gibt es einen neuen Distributionsdeal für den gesamten DVS-Output für Deutschland. Wie kam es dazu?
RJ: Stimmt, über den neuen Deal für Deutschland bin ich wirklich sehr froh. Mit dem vorherigen Partner lief es überhaupt nicht gut, um es vornehm auszudrücken. Also trennten sich unsere Wege und ich hab' ein Mailing an verschiedene Firmen rausgeschickt. Aber diejenigen, die Interesse zeigten, waren nicht das, was ich mir vorgestellt hatte. Später bekamen wir über MTM Music Kontakt zu A-live music. Auf der PopKomm haben wir uns erstmals persönlich getroffen und Details abgeklärt, so dass DVS ab September auf dem deutschen Markt präsent sein wird. Mit CDs und wie ich hoffe auch mit Live-Auftritten. Perfektes Timing eigentlich, weil im September das neue Album von Heaven's Cry herauskommt, die bis dato wichtigste und am besten verkaufende DVS-Veröffentlichung. Progressive Metal auf eine wirklich originelle Art und Weise!
GL: Euer sehr schönes, weil eigentlich alles sagendes Motto lautet "Music We Love For People We Like". Wenn man die bisherigen Signings betrachtet, ist mehr als deutlich, aus welcher Musikrichtung der Wind weht, den du liebst. Aber wer sind die "People We Like" und hast du von Anfang an eine bestimmte Zielgruppe im Auge gehabt?
RJ: Hm, die Bands, die bei uns unterschreiben, müssen schon realistisch sein. Eine Rock Star-Attitüde hilft am Anfang keinem besonders weiter! Für uns ist es besonders wichtig, ein gutes persönliches Verhältnis mit den Musikern zu haben. Was allerdings nicht immer ganz einfach ist, wenn du z.B. eine Band aus Kanada unter Vertrag hast...
GL: Wie definierst du die stilistische Ausrichtung des Labels und des Festivals?
RJ: Sowohl Festival wie Label konzentrieren sich auf Progressive Metal, schlicht und ergreifend weil das die Musik ist, die wir am meisten lieben. (lächelt) Aber allein in diesem Genre gibt es eine derartige Bandbreite, dass es ganz bestimmt nie langweilig wird. Und dann kommt noch hinzu, dass wir unserem persönlichen Geschmack folgend vielleicht teilweise etwas andere Bands als "Progressive" einstufen als andere, oder?
GL: Schon, Into Eternity auf dem ProgPower '01 ist für die meisten Leute mehr Metal als Prog... Wie sehr beeinflussen Label und Festival sich gegenseitig?
RJ: Anfangs hab ich noch versucht, sie soweit wie möglich unabhängig voneinander zu halten. Aber inzwischen hab' ich das aufgrund der riesigen Arbeitsbelastung etwas zurücknehmen müssen. Heute versuche ich, die Label-Bands durchaus mit dem Festival zu promoten. Aber es wird ganz sicher nie ein ProgPower mit nur DVS-Bands geben!