Derzeit sind Idlewild zusammen mit Coldplay auf großer Europa-Tournee, und auch wenn Roddy die Gewissheit hat, in einer alles andere als langweiligen Band zu spielen, rechnet er bei diesen Supportshows doch mit dem Schlimmsten: "Wie viele Leute zu deinen Shows kommen, ist völlig egal, selbst wenn es nur zehn sind. Richtig schlecht ist nur, wenn sie sich langweilen, das Schlimmste ist, wenn du vor der Bühne jemanden gähnen siehst. Auf der Coldplay-Tour erwarte ich eigentlich nichts anderes, weil die meisten eben auf Coldplay warten. Aber um ganz ehrlich zu sein, fördert dieses Verhalten die böse Seite unserer Band zu Tage, und wir bestrafen das Publikum dann mit so viel Krach und Verbitterung wie möglich, hahaha!" Im Ernst: Bei den Konzerten mit Coldplay werden Idlewild eher auf ihre eingängigen Stücke à la "American English" und "You Held The World In Your Arms" zurückgreifen, also genau die Songs, die schon nach dem ersten Hören zu "schlimmen" Ohrwürmern werden können. Überhaupt haben sich Idlewild gerade auch als Liveband sehr entwickelt und verändert. Galten sie früher als ziemlich wilder Haufen, bei dem die Intensität auf der Bühne auch manchmal in völliges Chaos ausartete, geben sich die Schotten inzwischen trotz aller Kompromisslosigkeit wesentlich gemäßigter. Der Grund dafür ist ziemlich einfach. "Als wir anfingen, wussten wir nicht genau, was wir mit unseren Platten machen sollten, deshalb ist es nicht verwunderlich, dass wir zuerst als Liveband eine Reputation aufbauen konnten. Früher haben wir auf der Bühne das Chaos geradezu heraufbeschworen. Die Leute mögen das, wenn sich der Sänger auf dem Boden wälzt und wild herumschreit. Das ist aufregend! Dieser Geist steckt immer noch in der Band, aber jetzt haben wir einfach viel bessere Songs - und es wäre einfach unpassend, auf dem Boden herumzurobben, während du 'American English' singst, hahaha!"
Und nicht nur, weil Roddy Idlewild als Band von und für Musikfreaks beschrieben hat, baten wir den sympathischen Frontman abschließend noch zum Gaesteliste.de Blind Date:
* Nada Surf "Inside Of Love" ("Let Go", Labels 2002)
Roddy: "Das klingt interessant! Wer ist das, die Band kenne ich doch! The Flaming Lips? Built To Spill? Beachwood Sparks?"
GL: Wir geben dir eine große Hilfe: Sie hatten vor Jahren mal einen Song, der war weltweit ziemlich "popular"!
Roddy: "Oh yeah! Nada Surf! Sie sind auf dem europäischen Festland viel erfolgreicher als in Großbritannien. Wir haben sogar einmal mit ihnen eine Show gespielt. Sie sehen total seltsam aus: Sie haben diesen Indierocker als Sänger, einen Typen in Radlerhosen mit Dreadlocks am Bass und einen Schlagzeuger, der aussieht wie ein Grundschullehrer."
* The White Stripes "Fell In Love With A Girl" ("White Blood Cells", XL Recordings, 2001)
Roddy [ohne Zögern] "White Stripes! Ich finde sie großartig! Sie sind der klassische Fall von überragenden Persönlichkeiten in einer Band. Sie haben so viel Ausstrahlung, es ist unglaublich, ihnen zuzuschauen. Es ist ein Triumph, dass sie so populär sind! Ich habe sie beim Glastonbury Festival gesehen, da haben sie zwischen Starsailor und den Charlatans gespielt - und die White Stripes haben beide einfach weggepustet. Als sie auf die Bühne kamen, sahen sie aus wie Helden mit Superkräften, mit ihren Klamotten und so!"
GL: Findest du solche Momente inspirierend? Könntest du dir zum Beispiel vorstellen, dass Idlewild auch in identischen Outfits auftreten?
Roddy: "Nee, dafür musst du schon Amerikaner sein! Wenn du Schotte bist, sähe das bloß albern aus. Was sollten wir überhaupt anziehen? Schottenröcke?"
* Brendan Benson "Folk Singer" ("Lapalco", V2 Records, 2002)
Roddy: "Was ist das? Oh, das ist Brendan Benson? Wir spielen mit ihm in New York, die Platte wollte ich mir eh anhören! Es ist ein bisschen schwer zu sagen, weil ich ja nur Ausschnitte zu hören bekomme, aber das klingt nach etwas, das ich mir zu Hause auch anhören würde! Das war ziemlich cool!"
* Bob Mould "180 Rain" ("Modulate", Cooking Vinyl, 2002)
Roddy [ohne Zögern] "Autechre! Boards Of Canada? Plaid? Squarepusher? Das mag ich, ich höre viel so Zeugs zu Hause!"
GL: Nee, du liegst völlig falsch, denk mal an das andere Ende des Spektrums und warte auf die Stimme!
Roddy [nachdem die Stimme eingesetzt hat]: "Klingt wie Bon Jovi..."
GL: Der Sänger ist einer deiner ganz großen Helden, das hier ist seine neue Platte!
Roddy: "Sind das vielleicht Death In Vegas?"
GL: Nein, die neue Bob-Mould-Platte!
Roddy: "Wirklich! Das kann nicht sein! Das soll sein neues Album sein? Jemand sagte mir, dass er jetzt in Elektronik macht, aber ich hab die Platte noch nicht. Das ist völlig verrückt! Man kann hören, dass er sich mit einer Menge Warp-Records-Platten beschäftigt hat, hahaha!"
* Bob Dylan "Ballad Of A Thin Man" ("Highway 61 Revisited", Columbia, 1965)
Roddy [nach zwei Sekunden]: "Das ist Bob Dylan!"
GL: Ganz genau. Einer der Gründe, warum der Song sich hier wieder findet, ist eure wirklich ausgezeichnete Coverversion des obskuren Dylan-Stücks "When The Ship Comes In"...
Roddy [lacht]: "Das findest du gut? Nun, das Stück haben wir innerhalb von 20 Minuten in einem Studio aufgenommen, das ungefähr so groß war die dieser Tisch hier. Rod hat das Keyboard gespielt und ich diese kleine Trommel, weil wir nur zu zweit waren! Die Aufnahme haben wir für eine Radio Session gemacht. Ich hatte keinen Schimmer, wie sich das Ganze letztendlich anhören würde, aber genau das mag ich daran."
GL: Wie geht ihr an Coverversionen im Allgemeinen heran?
Roddy: "Zunächst einmal muss ich sagen, dass wir lange Zeit eigentlich gar keine Covers gespielt haben. Als wir anfingen, haben wir sofort eigene Songs geschrieben. Coverversionen haben wir erst in den letzten paar Jahren angefangen zu spielen - und dann auch nur sehr sporadisch. Es macht halt einfach Spaß, deine Lieblingssongs zu spielen. In letzter Zeit haben wir des Öfteren 'I Found That Essence Rare' von Gang Of Four live gespielt oder 'Boys Don't Cry' [von The Cure] oder 'Everything Flows' von Teenage Fanclub."
GL: Kostet das nicht viel Überwindung, einen so berühmten Song wie "Boys Don't Cry" anzugehen?
Roddy: "Coverversionen sind nie so gut wie das Original, aber sie helfen, die Songs am Leben zu halten. The Cure spielen nicht besonders oft live, also halten wir 'Boys Don't Cry' auf unsere Art am Leben. Es macht Sinn, Covers live zu spielen, ich glaube nicht, dass es richtig wäre, sie aufzunehmen und zu veröffentlichen. Außer vielleicht als B-Seiten. Das ist meine Sicht der Dinge."
* The Cure "Inbetween Days" ("Head on The Door"; Polydor, 1986)
Roddy: "The Cure! Gerade noch haben wir von ihnen geredet. Das ist mein Lieblingssong der Band!"
GL: Und warum habt ihr euch dann für "Boys Don't Cry" und nicht für diesen Song entschieden?
Roddy: "Der Part auf der Akustikgitarre war einfach zu schnell!"
* The Delgados "Pull The Wires From The Well" ("Peloton"; Chemikal Underground, 1998)
Roddy: "Die Platte habe ich, das sind die Delgados!"
GL: Auch eine schottische Band. Wie wichtig ist für euch eure Herkunft?
Roddy: "Sehr wichtig, weil dieses Gefühl für Heimat etwas ist, auf das sich die Leute verlassen können. Ich meine das nicht auf fahnenschwenkende, patriotische Weise, dagegen bin ich völlig. Allerdings bin ich der Meinung, dass die Bands aus Schottland das Heimatgefühl verbindet, du weißt sofort, dass sie von dort stammen. Nicht, weil sie einen schottischen Akzent haben oder Schottenmuster auf ihren Plattencovern, aber Bands wie Mogwai, Belle & Sebastian, Teenage Fanclub, The Delgados oder wir - da gibt es dieses Gefühl, das ganz eindeutig schottisch ist. Auf die gleiche Weise haben Bands wie The Smiths, New Order oder Doves dieses typisch nordenglische Manchester-Flair. Und das finde ich sehr cool!"