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HELLACOPTERS
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Gesegnete Comicfiguren
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Am Tag war das Wetter noch sonnig, doch die Luft war schwül. Als es Abend wird, verdichten sich die Wolken. Es wird dunkel, dann zuckt ein Blitz über den Himmel. Eine Kurzgeschichte? Nein, nur das Cover der neuen Hellacopters-Platte "By The Grace Of God". Warum der ganzen Unsinn vom Wetter? Nun, die Hellacopters waren auch einmal eine so eine Art musikalisches Gewitter. Damals, als sie noch jung und wild waren und ein Album innerhalb von 26 Stunden einspielten. "By The Grace Of God" ist eher der 100. Sonnentag im Jahr: Zwar nichts Neues oder gar Aufrührerisches, aber immer noch gut. Die Verwegenheit hat sich dezent zurück gezogen und Platz für eingängige, fast poppige Songs gemacht.
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Trotzdem feiert Album Nummer Fünf noch die gute, alte Tradition im Geiste von Kiss, AC/DC, Deep Purple oder den Stooges, nur eben alles ein wenig gedämpfter. "Ich weiß, was du meinst. Der Sound und der Mix sind zwar immer noch härter als beim letzten Mal, aber es ist definitiv weniger aggressiv als das erste Album, weil wir als Personen nicht mehr so hitzig sind. Damals hatten wir diese 'Lass es uns einfach machen'-Attitüde", berichtet Sänger Nick Royale, ab und zu auch bekannt als Nicke Andersson, beim Interview. "Das ist aber auch nicht beabsichtigt, denn letztlich klingt ein Album so, wie es klingen muss. Nach dem letzten Album haben wir endlich begriffen, dass wir nicht kontrollieren können, was in der Band vor sich geht. Wenn es jemandem zu poppig ist, oder zuwenig rockt, kann ich da nichts machen. Denn es ist die Platte, die wir machen mussten und wäre es anders gekommen, hätte das nicht mehr unserem Charakter entsprochen." Spontaneität also? "Oh ja! Wenn du nicht bewusst handelst, macht das die Sache eben spontan. Dinge passieren und dem musst du dich stellen." Nick ist nicht nur gemeinsam mit Keyboarder/Pianist Boba Fett (auch: Anders Linström) an diesem sonnigen Mittwoch nach Köln gekommen, um sich die ewig gleichen Fragen von deutschen Journalisten anzuhören: Die beiden Schweden sind Hobby-DJs und legen am Abend noch im Kölner "Underground" auf. "Das Ziel ist es, die Leute zum tanzen zu bringen. Ich weiß, dass das schwer ist", erklärt Nick. "Ob wir nun Musik selber machen oder auflegen, wir befinden uns auf einer Mission; it's like a rock'n'roll-school", ergänzt Boba. "Auf jeden Fall spielen wir nicht gerne so viel neuen Kram; wir fangen in den 60s an und hören bei 1978 auf, haha. Manchmal wird das sogar zu einem echten Kampf zwischen uns, denn wenn einer eine gute Platte spielt, muss der andere eine bessere spielen. Und wir nehmen niemals Wünsche an!" Warum? "Weil die Leute sich die falsche Musik wünschen und wir die richtige spielen, haha", antwortet der Sänger. "Einmal haben wir in Schweden aufgelegt und dann kam ein Typ und wollte Limp Bizkit hören. Ich habe zu ihm gesagt: 'Hast du gehört, was wir vorher gespielt haben? Klingt das wie Limp Bizkit? Wie kommst du darauf, dass wir diese Platte überhaupt besitzen?'" "Aber manchmal haben die Leute auch gute Ideen. It's all about educating people", relativiert der Tastenmann mit dem schicken Cowboyhut.
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Reden wir über das Umfeld. Wie familiär ist eigentlich der ausgesprochen aktive Dunstkreis der Hellacopters; der Radius um andere skandinavische Rock'n'Roll-Combos? Gibt es dort keinerlei Konkurrenz oder kleinere Sticheleien? Splitsingles mit Bands wie den New Bomb Turks oder den Flaming Sideburns, sowie Touren mit den Hives sprechen nicht unbedingt für ein angespanntes Verhältnis. "Da wir es uns selbst nicht zum Ziel gesetzt haben, Stars zu werden - und die Flaming Sideburns oder andere Freunde von uns wohl auch nicht - brauchen wir kein Konkurrenzgehabe", begründet Nick den familiären Umgang. Und wie sehen sie den momentanen Höhenflug der Hives, die auf dem besten Weg sind, nach ihrem Erfolg in Großbritannien auch in Amerika einige Blumentöpfe zu gewinnen? "Als wir mit den Hives tourten, wollten die auch keine Superstars werden", erklärt Boba, "aber jetzt sind sie es eben, haha. Das war allerdings nie ihr Ziel, sie wollten einfach nur drei, vier Alben machen und sich dann zur Ruhe setzen." Am Ende sind die Hellacopters sogar dankbar für die Vielzahl an skandinavischen Rockbands. "Das ist das Gute, wenn du in einer Band spielst. Du triffst viele nette, interessante Menschen, die du sonst nie kennen gelernt hättest. Und das nicht nur bei uns, sondern auf der ganzen Welt. Das ist fantastisch!", schwärmt Nick. Zu dieser lockeren Haltung trägt sicherlich auch die Gabe bei, sich selbst nicht allzu ernst zu nehmen. Und dieser Eindruck liegt nun einmal nahe bei einer Combo, die ihr Debüt "Supershitty To The Max" nennt, oder eben, wie im aktuellen Fall, "By The Grace Of God". "Ich finde, man sollte sich selbst generell nicht so ernst nehmen. Egal, ob man nun Häuser baut oder sonst was, man ist niemals wichtiger als andere Menschen. Ich nehme den Job ernst, aber wir sind nur eine Rock'n'Roll-Band und daran ist nichts besonderes. Du wirst auch nie 'mehr' als Musik machen können. Ich meine, schau uns an, ich denke, wir sehen lustig aus. Aber eine gute Rock'n'Roll-Band sollte über sich lachen können. Schau dir AC/DC an, das ist eine schon merkwürdige Band, aber sie sind...wow! Denk' an KISS, wie die in den 1970ern aussahen; ziemlich komisch nämlich. Das hat sie groß gemacht. Jede gute Band sollte etwas comichaftes haben. Und wenn sie das nicht hat, ist sie nicht gut."
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Neben ihrem scheinbar unermüdlichen Arbeitseifer sind die Hellacopters aber immer noch selbst glühende Fans. Von KISS zum Beispiel, mit denen sie 1998 auf US-Tour waren. "Wir alle, bis auf unseren Bassisten, sind mit KISS groß geworden. Trotzdem war es immer noch verrückt, mit ihnen zu spielen. Selbst wenn wir heute noch darüber nachdenken", erzählt Boba. Gemeinsame Partys und Besäufnisse mit den Rittern in den Diensten des Satan hat es aber wohl nicht gegeben. "Nein, leider haben wir sie nicht wirklich kennen gelernt. Gene Simmons hat uns nur einige weise Ratschläge mit auf den Weg gegeben: Dass wir nicht heiraten, aber dafür reich werden sollten zum Beispiel. Ich wäre sicherlich ein guter Produzent für das KISS-Comebackalbum gewesen, das klingt nämlich nicht so toll, haha. Vielleicht hätte ich gleich ihre Songs schreiben sollen", bietet sich Nick bescheiden an.
Wo wir gerade über Helden sprechen: Wie sähe die ideale Band für Nick und Boba aus? "Malcolm Young [AC/DC] muss auf jeden Fall der Gitarrist sein", meint Boba. "Paul Stanley [KISS] sollte singen!", fällt Nick ihm ins Wort "Schlagzeug muss Keith Moon [The Who] spielen. Und Gary Rasmussen [u.a. Pattie Smith] muss Bass spielen", komplettiert Boba. "Diese Band würde ich gerne sehen", grinst Nick. Mit diesem frommen Wunsch werden die beiden in die verdiente Mittagspause entlassen. Schließlich müssen sie sich für die bevorstehende Mission am Abend ausruhen...
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Weitere Infos:
www.hellacopters.com
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Interview: -Laura Scheiter-
Fotos: -Daragh McDonagh-
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Aktueller Tonträger: By The Grace Of God
(IslandMercury/Universal)
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