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QUEENS OF THE STONE AGE
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We are family
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Die Queens Of The Stone Age sind inzwischen eher ein Netzwerk als eine Band. Ein Geflecht aus Musikern mit einem gewissen Hang zum Extremen und Außergewöhnlichen. Ihre Musik lässt sich schon lange nicht mehr kategorisieren und die Texte sind nichts als kryptisch. Bei Konzerten sind sie meistens betrunken oder anderweitig bedröhnt und spielen so laut, dass selbst glühende Gitarrenrockfans anschließend für mindestens drei Wochen keine Rockmusik mehr hören mögen. Trotzdem - oder gerade deswegen lieben Fans und Kritiker die Band. Die Musik ist einfach irgendwie "geil" (Fans), oder "sexual, drug-filled, and occasionally paranoid" (NME). Auch die aktuelle Platte "Songs For The Deaf" lässt wieder mal sämtliche Kritiker in Ehrfurcht erstarren.
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"Ich tu dir doch nichts", grinst Nick Oliveri, der Queens-Bassist und das Bandmitglied mit dem wohl extremsten Weirdo-Charakter. Im Laufe des Interviews wird er mir noch öfter versichern, dass ich keine Angst vor ihm haben muss. Ich hatte mir schon Sorgen gemacht... Gitarrist, Sänger und Songschreiber Josh Homme holt sich artig beim Promoter die Erlaubnis, nicht beim Interview dabei sein zu müssen. Die Queens befinden sich gerade auf Europa-Tour. Wie lange eigentlich schon? "Eine ganze Weile", präzisiert Mark Lanegan. Der Mann mit der rauen Stimme kann sich wahrscheinlich Schöneres vorstellen, als Fragen zu beantworten. Schlafen zum Beispiel. Lanegan war früher Sänger der 2000 aufgelösten Screaming Trees. Zwischen 1990 und 2001 nahm er fünf Soloplatten auf und ist nach einem Gastspiel auf der letzten Queens-Platte "Rated R" auch bei "Songs For The Deaf" zu hören. Mit "A Song For The Dead" und "Hanging Tree" singt er vergleichsweise getragene Rocksongs, bei denen seine durch jahrelanges Ketterauchen trainierte Stimme bestens zur Geltung kommt. Wobei man sich nicht so ganz einig zu sein scheint, ob Lanegan nun offizielles Mitglied der Band ist oder nicht. "Über solche Sachen denke ich nicht nach, weißt du?", kommt es heiser aus seinem von Wollmütze und Haaren bedeckten Gesicht. "Josh und ich machen seit Jahren zusammen Musik und wenn die Plattenfirma meint, ich sei kein festes Bandmitglied, dann ist das eben deren Meinung." Josh Homme kommt in den Raum. "Josh, bin ich ein offizielles Bandmitglied?", fragt Mark seinen Kollegen. "Klar. Mehr als ich", murmelt Homme. Was macht jemanden zum festen Mitglied der Queens, wollen wir wissen. Dave Grohl und Dean Ween, Gäste auf "Songs For The Deaf", gehören schließlich auch nicht dazu. "Naja, mich haben sie halt noch nicht gefeuert. Nick, was macht ein festes Mitglied der Queens aus?", fragt er Oliveri, der gerade vorbei marschiert. "Wir haben mit so vielen verschiedenen Leuten zusammen gespielt. Er ist einfach einer der Typen, nach denen wir so lange gesucht haben. Keine Ahnung, wie das kam. Er wollte bei uns spielen und wir hatten nichts dagegen", erklärt der Angesprochene und verabschiedet sich für die nächsten zwei Minuten dreißig mit den Worten "I'm outta here." "Da hast du es", lautet der lakonische Kommentar. "Nachdem ich einige Zeit mit diesen Jungs unterwegs war, kann ich definitiv sagen, dass dieses Lineup das beste und das mächtigste ist, das die Queens jemals hatten. Aber ich kann nicht voraussehen, was morgen oder auf der nächsten Platte passiert."
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Während Mark gelangweilt erzählt, dass "Songs For The Deaf" zum Teil bereits auf der letzten Tour entstand, platzt Oliveri in den Raum: "Weißt du, wie man festes Bandmitlied wird? Du musst folgendes wissen: God loves a working man, don't trust whitey, see your doctor, get rid of it. Wenn du das weißt, bist du dabei." "Die Jungs haben mich erst kurz vor den Aufnahmen gefragt, ob ich mich am Schreiben der Songs beteiligen will", fährt Mark fort, "Ich weiß nicht, ob der nächste Song, den wir gemeinsam schreiben ein Queens-Song ist. Es interessiert mich auch nicht. Außerdem bin ich ein sehr fauler Typ, der nur das tut, wozu er gezwungen wird. Zum Glück wissen Nick und Josh das." Wer ist es dann, der ihn zwingt, seine Soloplatten aufzunehmen? "Der Steuerberater", ist die einleuchtende Erklärung. "Im Ernst: ich bin zwar faul, aber ich nehme gerne Platten auf. Auf meinem neuen Soloalbum sind alle diese Leute vertreten, die auch bei 'Songs For The Deaf' dabei waren. Es ist mir egal, wer an den Aufnahmen beteiligt ist. It's all rock'n'roll, you know?" Soviel ist klar. Nichts muss, alles kann. Ob es nun eine Kinks-Coverversion ist ("Wir alle sind große Kinks-Fans"), ein möglicherweise selbstironischer Titel namens "Go With The Flow" oder sogar eine Ballade ("Mosquito Song") zwischen all den Gitarren-Gewittern. "Ich dachte, das sei ein Witz über mich, weil ich sehr schwerhörig bin", antwortet Lanegan mit todernstem Blick auf die Frage, wer die Tauben sein sollen, für die "Songs For The Deaf" bestimmt sein soll. "Too many years of loud music, you know? Die Texte bedeuten etwas ganz konkretes - für mich. Ich will meine Interpretation der Texte nicht preis geben, weil ich das Mysteriöse an Musik liebe. Aber ich kann folgendes sagen: Mit den Tauben können viele verschiedene Gruppen von Menschen gemeint sein." Mysteriös, in der Tat. Genau so wie die spanisch gesprochenen Radiokommentare, die in zwischen den Stücken eingestreut sind. "Wir dachten, es wäre lustig, sich vorzustellen, dass wir von LA raus in die Wüste fahren. Jeder Radiosender würde einen Queens-Song spielen. Und es war auch ein Mittel, die Songs logisch zu verbinden. Schließlich sind wir drei verschiedene Sänger und die Lieder sind sehr unterschiedlich. Aber mehr als der Gedanke, dass das lustig wäre, steckt auch nicht dahinter." Wenn das so stimmt, dann machen sich die Queens selbst wahrscheinlich am wenigsten Gedanken um das, was sie da tun.
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"Wie war noch mal die Frage? Tut mir leid, ich versuche, aufzuwachen", fragt mein Gegenüber mit einem Gähnen. Ob ihm bewusst ist, wie glücklich sich die Queens schätzen können? Für viele andere Bands ist es wohl eher ein Fluch als ein Segen, aus Mitgliedern der aufgelösten Combo X zu bestehen. Die Queens dagegen sind für die wenigsten die neue Formation von den Typen, die früher mal bei Kyuss oder den Screaming Trees waren. Mark nickt heftig. "Das stimmt. Ich weiß auch nicht, woher das kommt. Die Queens haben ihre eigene Identität, so wie die Ramones, auch die sind unverwechselbar. Wir machen die Musik, die wir selbst gerne hören wollen. Viele, die unsere Platten lieben, wissen auch gar nicht, was wir vorher gemacht haben. Darum erwartet auch niemand, dass wir so klingen, wie die Bands, bei denen wir mal gewesen sind. Die Leute wollen nur das hören, was wir jetzt machen und das ist großartig." Einig sind wir uns darüber, dass das wohl ein seltener, aber idealer Zustand für einen Künstler sein muss. Gerade, wenn man absolute Freiheit in dem hat, was man tut und dabei noch bemerkenswert erfolgreich ist. Was rätselhaft erscheint, denn wer versucht, diese Band und ihre Wirkung zu erklären, wird schnell Schwierigkeiten bekommen. Der Exoten-Bonus allein kann es nicht sein, denn nicht jede außergewöhnliche Band erzielt eine derartige Reaktion.
Das Interview ist vorbei und innerhalb von zwei Sekunden ist Mark aufgesprungen und fluchtartig aus dem Raum gesprintet. Wie bei einem Szenenwechsel in einem Theaterstück betreten Josh Homme und Nick Oliveri den Raum von jeweils einer Seite. "Sie hat Angst vor mir, Josh", wiederholt Nick. "Ich habe auch Angst vor dir", gibt Josh zurück und beide verschwinden in die Richtungen aus denen sie kamen.
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Weitere Infos:
www.qotsa.com
www.qotsa.de www.qotsa.net
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Interview: -Laura Scheiter-
Fotos: -Pressefreigaben-
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Aktueller Tonträger: Songs For The Deaf
(Interscope/Motor Music/Universal)
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