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KEVIN SALEM
 
Supermodel
Kevin Salem
Der Name Kevin Salem ist nicht unbedingt einer, der dazu geeignet erscheint, Glocken läuten zu lassen. Wenn man sich indes Mühe gibt und in den Credits seiner Lieblingsplatten das Kleingedruckte studiert, so wird Salem des Öfteren auftauchen - Yo La Tengo, Madder Rose, Freedy Johnston, Giant Sand, Donovan, Jenifer Jackson, Chocolate Genius, Emmylou Harris, Bad Brains - die Reihe könnte ewig so weitergeführt werden - nicht einmal Kevin selbst kann sich an alles erinnern, was er gemacht hat. Kevins neues Album heißt "Ecstatic" und wir nutzten die Gelegenheit, mal etwas tiefer in die Psyche eines vielbeschäftigten, aber unterbewerteten Musikers einzudringen.
Die letzte Scheibe, die Kevin vor dem neuen Album "Ecstatic" unter eigenem Namen veröffentlichte war "Glimmer" und erschien 1996 auf dem Metal-Label Roadrunner - was wohl keine so gute Idee war, denn Kevin macht alles andere als Hardrock. "Nun, meinen Deal mit Roadrunner war ich schnell wieder los", erinnert sich Kevin an jene unerquickliche Zeit, "Ich war ziemlich desillusioniert mit dem Musik-Biz und auch ein wenig müde von einer über ein Jahr dauernden Tour. Aber Musik und die Art wie wir sie machen, ändert sich ständig - und das interessierte mich dann doch wieder. Nachdem ich so fünf, sechs Monate geschlafen hatte, entschloß ich mich, mich in meinem Studio zu vergraben und neue Sachen auszuprobieren, neue Techniken zu erlernen. Sogar recht organisch klingende Projekte, wie z.B. das 'Chores Of Enchantment' Album von Giant Sand waren im Bezug auf die Art, wie sie entstanden, ziemlich moderne, ja digitale Produkte - inkl. vieler Samples und jeder Menge Schnittarbeit. Daneben machte ich dann noch Scheiben mit Chocolate Genius, dem äthiopischen Sänger Aster Aweke, arbeitete mit Freedy Johnston, begann mit der Arbeit an Filmmusiken und nahm mit meiner eigenen Band auf - wobei ich viele verschiedene Ansätze ausprobierte. Es gibt einige Versionen von Songs, die dann auf 'Ecstatic' herauskamen, die radikal anders klangen - einige davon sogar richtig peinlich. Und es gab eine Menge Songs die nicht auf der Scheibe landeten."

"Ecstatic" klingt nun tatsächlich recht anders als noch "Glimmer" - hatte man dort eine solide Gitarrenrock-Scheibe auf Americana-Basis, so gibt es auf "Ecstatic" eher vielseitigen Pop. Wie kam denn das zustande? "Dazu gibt es diverse Antworten. Die Zeiten und die Technologie haben die Musik und die Art, in der wir sie wahrnehmen verändert. Heutzutage ist die Musik eher konstruiert und aus einer Vielzahl von Quellen zusammengesetzt - dank Samples und Hard-Disk-Recording. Im Falle von 'Corporate Rock' führt das zu einer weniger reichhaltigen Musik - fauler, größer, weniger Substanz als etwa eine alte Bob-Dylan-Scheibe - du weißt schon. Für mich haben sich jedoch diese Sounds einen Weg in meine Hörgewohnheiten gebahnt. Die Arbeit an Filmmusik hat auch meine Palette von Sounds verändert. Ich habe zwischen 1987 und 1997 so viel Gitarre gespielt, dass ich mich nach einer kleinen Pause oder wenigstens einer Abwechslung sehnte, um mein Interesse an der Studioarbeit aufrecht zu erhalten. Die Gitarren auf 'Ecstatic' habe ich z.B. höchst unterschiedlich eingesetzt. Ich habe die Scheibe auch aufgenommen und diverse Instrumente gespielt - so war ich immer beschäftigt. Anders als bei 'Glimmer' oder dem Vorgänger 'Soma City' habe ich die Stücke meistens mitten in der Nacht auf der akustischen Gitarre geschrieben und so bin ich sie am Anfang der Aufnahmen auch angegangen. Ich wollte auch unbedingt eine femininere Scheibe machen - denn es kommen definitiv nicht genug Mädels zu unseren Shows."

Wie stellt sich denn die heutige Popmusik per se dar? "Da gibt’s wohl tonnenweise Möglichkeiten, etwas auszusetzen. John Mayer, Avril Lavigne, Britney Spears oder wer auch immer. Ich meine, es gibt ja kaum einen Zweifel, dass das ärgerlicher, überflüssiger Mist ist. Ich war neulich auf der Bank und so was ist es, was man heutzutage anstelle von Muzak dort spielt. Es ist einfach nur öde. Man gerät so leicht in Versuchung, im Vergangenen zu schwelgen und zu sagen, dass Musik früher immer besser war. Aber es gab ja nicht nur die Stones, die Kinks oder Motown. Es gab früher auch jede Menge Mist. Und heutzutage gibt es auch tolle Bands - die White Stripes z. B. - das ist der wahre Deal. The Streets sind erfrischend anders und es gibt haufenweise unbekannte Bands, die es auch bringen. Das Beängstigende dabei ist, wie leichtfertig die Leute hierbei mit dem Begriff 'Genie' herumhantieren und damit Band belegen, die weniger originell sind als die meisten Cover-Bands. Die besten Bands von heute sind nicht so gut, wie die besten Bands aller Zeiten und die schlechtesten sind sehr viel schlechter. Was das Business betrifft: Ich denke, es fehlt auf allen Ebenen an Talent. Gierige Bands und Plattenbosse ohne Ethik, Anwälte ohne Prinzipien - all das gibt es und die Leute sind blöde genug zu glauben, Napster sei Schuld daran, dass sie kein Geld mehr verdienen. " Woran macht denn Kevin Salem für sich fest, was gut ist? "Ein guter Song muss mich unterhalten. Er muss attraktiv sein und man kann nicht aufhören, ihn sich anzuhören. Das ist aber irgendwie undefinierbar. Es ist irgendwie Magie. Wer kann schon erklären, warum 'Louie, Louie' ein toller Song ist? Ein guter Song ist glaubwürdig - sei es die Message oder die Melodie oder dass die Attitüde des Autoren durchscheint. Das ist auch immer das, wonach ich suche." Was nun nicht heißt, dass man nach einem bestimmten Schema Songs schreiben kann, oder? Da gibt es z.B. den Song "It's Only Life" auf "Ecstatic", der all die o.a. Qualitäten besitzt. "Nein, ich denke, ich fange immer von vorne an. Ich habe in der Vergangenheit mal versucht, einen Song, den ich vorher geschrieben hatte, wieder aufzugreifen - aber so was war nie sonderlich erfolgreich. Songs sind einzigartig und sie bestimmen eigentlich auch immer, wie sie klingen möchten. Als ich z.B. 'It's Only Life' schrieb, habe ich nicht mal erwartet, dass er auf dem Album enden würde. Das war eher wie eine Übung für mich - ein Experiment, alltägliche Beobachtungen zusammenzusetzen. Den Rap-Part hinzuzunehmen, war das, was den Song für mich ans Laufen brachte, weil er eine zusätzliche Sichtweise aufwarf. Was diese Art des Experimentierens betrifft, wird es definitiv in der Zukunft mehr geben."

Kevin Salem
Welche Funktion haben denn die Texte? "Texte sind so ziemlich der Kern des Songs für mich. Das heißt nicht, daß sie wichtiger als die Musik sind, aber sie rechtfertigen das Leben des Songs. Es ist nicht wirklich schwer, Musik in einem gängigen Genre zu machen - es gibt nur ein paar Noten und Akkorde. Das macht die Arbeit des Autoren sehr wichtig und Worte sind das schlagkräftigste Instrument, das ein Songwriter im Pop hat." Nehmen wir z.B. mal den Opener "1000 Smiles" - worum geht es denn da? "Viele Leute halten sich an den Schäden fest, die sie in der Kindheit erlitten haben mögen. Das Ergebnis ist unsere Faszination mit der Psychotherapie. Es gibt diese Tendenz in unserer Kultur, darauf zu bestehen, all unser gegenwärtiges Unglück der Vergangenheit zuzuschreiben. Ich denke, es ist an der Zeit, darüber hinweg zu kommen - auch wenn es vielleicht stimmen mag. '1000 Smiles' ist eine kleine Botschaft an eine bestimmte Person, die mir sehr nahe steht. Sie besagt, dass sie dachte ihr Glück in ihrer Hand läge." Und dann gibt es da einen Song namens "End Of Addiction" ... "Ich arbeitete mit Barry Reynolds zusammen und er erzählte mir von einer abgebrochenen Session mit Marianne Faithfull und sagte etwas von 'Aussitzen einer Phase der Abhängigkeit' bevor es möglich war, mit ihr weiterzuarbeiten. Abhängigkeit hat mich immer fasziniert und ich habe das in einer Menge Songs konkretisiert - besonders auf 'Soma-City'. Die meisten der Songs auf diesem Album hatten mit Drogenabhängigkeit und wie man davon loskommt zu tun." Und im Song "Deep Dark Love” scheint es um Religion zu gehen? "Ich hatte die erste Zeile dieses Songs bereits vor einiger Zeit geschrieben. Religion ist unsere Mythologie. Ich habe keinerlei Probleme mit irgend jemandes Hingabe zu seinem Glauben - so lange er diese nicht dem Rest von uns aufzwingen will. Ich denke, dass Leute wie George Bush uns zeigen, wie gefährliche Eifer und Selbstgefälligkeit sein können und dass es ein ziemlicher Mist ist."

Warum heißt die Scheibe denn überhaupt "Ecstatic" - so ausgeflippt klingt die Musik doch gar nicht? "Religion, Sex, Drogen - all das verursacht extatische Erlebnisse und all das kann auch traurig stimmen. Dieses waren die Themen vieler Songs. Ich denke, am Ende klingt es unabsichtlich sogar ein wenig ironisch." Wie positioniert sich Kevin Salem denn heutzutage selber: Songwriter, Musiker, Produzent? "Supermodel - und alles vorgenannte, denke ich ..." Und wie geht es weiter? Man wird ja schließlich nicht jünger und irgendwie muß man sich ja arrangieren, wenn man weiterhin Pop-Musik machen möchte. "Ich denke, das Thema musst du ausklammern. Jugend im Sinne von Alter ist ein Mythos. Sie existiert nicht. Dies ist die einzige Branche, in der Du mit 30 'alt' bist. Ich werde wahrscheinlich noch 20 Jahre Scheiben machen und erwarte, dass sich mein Geschmack dabei ändert - und auch der der restlichen Welt. Inwiefern meine Scheiben kommerziell erfolgreich sein werden, hängt einzig davon ab, wie viele Leute sich mit meiner Vision von Musik identifizieren. Ich meine: Mich wird keiner mit den Strokes verwechseln. Und ich habe gehört, dass die auch schon in den Vierzigern sind. Denn wie sonst hätten sie all diese Lou-Reed-Scheiben kennen können, die sie jetzt spielen? Was mich betrifft: Ich habe vollkommene künstlerische Freiheit. Das ist meine größte Inspirationsquelle. Ich mag es einfach, dass ich aufwachen kann und entweder in meine Scheune rübergehen kann und eine Scheibe aufnehmen kann oder aber nach New York rüberfahren kann, um mit meinen Freunden zu jammen. Der Trick dabei ist bloß, dass man das auch jeden Tag macht."
Weitere Infos:
www.kevinsalem.com
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Pressefreigabe-
Kevin Salem
Aktueller Tonträger:
Ecstatic
(Fargo/Zomba)

 
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