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TOCOTRONIC
 
Die Zeit nach K.O.O.K.
Tocotronic
Leicht machten sie es sich und ihrer Umwelt nie, die wohl bekanntesten und erfolgreichsten Vertreter der sogenannten "Hamburger Schule". Mitte der 90er waren es geradezu ergreifend schlichte Beobachtungen, gewürzt mit der einen oder anderen Prise Provokation, musikalisch sparsam und rau umgesetzt. Man erinnere sich nur an Songperlen wie "Freiburg", "Ich Möchte Teil Einer Jugendbewegung Sein", "Die Welt Kann Mich Nicht Mehr Verstehen" und natürlich "Wir Kommen Um Uns Zu Beschweren". Es waren nicht die Texte, sondern die veränderte Umsetzung im musikalischen Bereich, die im Frühjahr 1999 das Fanlager erstaunten. War früher einzig und allein "Casio" in den Booklets ein zarter Hinweis auf elektronische Hilfsmittel, so konnte man nun von Spezialeffekten, Bläsern, Streichern sowie digitaler Bearbeitung lesen. Bekanntestes Beispiel natürlich das Intro zu "Let There Be Rock". Die Krönung folgte vor einigen Wochen: Als wären die Reaktionen auf K.O.O.K nicht schon gespalten genug gewesen, schickte man sich an, eine Doppel-CD mit Remix-Versionen und Bearbeitungen einiger Songs zu veröffentlichen. Grund genug für uns, einmal im Tocotronic-Lager nachzufragen...Arne Zank (dr) hatte daraufhin folgendes zu erzählen:
GL: Eure letzte Veröffentlichung hat das Fan- und Presselager arg gespalten. Hattet ihr das Gefühl, dies könnte u.a. auch aus einer nichtverstandenen Ironie, zum Beispiel der Europe-Gag, entstanden sein?

Arne: Es kam tatsächlich zu Missverständnissen. Allerdings wurde uns eher zuviel bösartige Ironie (speziell im Fall "Let There Be Rock") vorgeworfen. Manche dachten, wir wollten uns über Hardrock lustig machen, das war natürlich überhaupt nicht so gedacht. Jeder, der unseren Weg ein wenig verfolgt hat, müsste wissen, dass wir ein Faible für simple Rockmusik haben. Nun, man kann nicht immer allen Missverständnissen vorbeugen, da wird man ja auch verrückt. Im allgemeinen waren wir mit den Reaktionen von Presse, sowie vom Publikum sehr zufrieden. Uns kam das Lob meist fundierter vor als die Kritik. Im nachhinein sind wir sehr froh, die Platte auf diese Art gemacht zu haben, es hat uns tatsächlich ein wenig befreit. Und ich glaube sie hat vielen Menschen die Chance gegeben, Tocotronic noch interessant zu finden, das hat mich sehr gefreut.

GL: Im selben Jahr habt ihr eure bis dahin grössten Festivalauftritte bei Rock am Ring und Rock im Park vor einem sehr gemischten Publikum gespielt. Gäbe es einen Anreiz, dort erneut aufzutreten oder zieht es euch in Zukunft "nur" noch auf die kleineren bis mittleren Events?

Arne: Open-Air-Festivals haben (ausser die ganz kleinen) immer etwas seltsames an sich, weil wir da selber nur in den seltensten Fällen hingehen würden. Wir versuchen bei Festivals immer, eine Auswahl danach zu treffen, ob wir in den Rahmen einigermassen hineinpassen. Sehr oft verändern sich dann im Vorfeld die Line-Ups so sehr, dass man sich ärgert, weil man bei Limp Bizkit oder Blink 182 auftaucht. Bei RaR RiP ist diese Überlegung natürlich total egal, weil da einfach alles spielt, von Scheisse bis Gold, das ist fast schon wieder angenehm. Aber wir werden das neu überlegen, wenn wir da überhaupt spielen dürfen, das ist ja immer noch die zweite Frage.

GL: Terremoto in Hamburg - in meinen Augen der etwas halbgare Versuch, ein 1-Tages-Festival (am Bizarre-Wochenende...) in Hamburg zu etablieren, zumal der Norden mit Hurricane und den dänischen Standards doch schon recht gut abgedeckt ist. Euer Eindruck vom Auftritt dort?

Arne: Soweit ich gehört habe, war das Ganze ein rechter Flop, besucherzahlenmässig, vielleicht hat sich das von selber erledigt. Frappierend war der grosse Anteil von Vertretern der neuen amerikanischen Stumpfheit. Aber unser Auftritt hat sehr viel Spass gebracht. Beck war auch hervorragend, wurde aber leider von den parallel spielenden Guano Apes gestört, was eigentlich eine bodenlose Frechheit ist. Du siehst, ich kann es nur schwer beurteilen.

GL: Habt ihr bei euren jüngsten Shows die K.O.O.K-Variationen in die Live-Situation umsetzen können und wenn ja, wie hat es funktioniert?

Arne: Wir haben gerade bei den letzten Konzerten einige Lieder der K.O.O.K. (das Original) neu instrumentiert gespielt, und das hat sehr gut geklappt und Spass gebracht. Wir hatten einen vierten Mann dabei: Rick McPhail, der Synthesizer gespielt hat. Das war schon sehr schwere Arbeit, die Songs zu proben, und das waren unsere eigenen! Nein, die K.O.O.K.-Variationen werden wir nicht live spielen, da es Bearbeitungen von anderen Leuten sind, das wäre unangemessen. Allerdings haben wir jetzt den Remix von Christoph de Babalon immer zum Schluss gespielt...von CD!

GL: Wie waren die bisherigen Rückmeldungen auf die K.O.O.K-Variationen? Eher der Vorwurf der Abzocke, freundliches Desinteresse oder doch vorwiegend Aufgeschlossenheit?

Arne: Alles gab es. Von ganz unterschiedlichen Leuten gab es ganz unterschiedliche oft überraschende Reaktionen, was sehr interessant war. Uns war vorher klar, dass die "Variationen" nur noch sehr wenig mit der Musik zu tun haben, die wir bis dahin gemacht haben. Die kann jeder unabhängig von uns mögen oder nicht, wir wollten auch in erster Linie sagen: "Hier sind Sachen, die mit uns zu tun haben, und die wir mögen." Ob man das dann kauft, bleibt jedem selbst überlassen. Den Vorwurf der "Abzocke kriegen wir immer gerade bei den unverkäuflichsten Geschichten zu hören, das kann man irgendwann nicht mehr ernstnehmen.

GL: Apropos Reaktionen - nutzt ihr derzeit eure Auftritte für Statements zur aktuellen Rechts-Diskussion oder könntet ihr euch auch vorstellen, ggf. auf einer, wie in den 80er und 90er-Jahren lange populär gewesenen, Rock Gegen Rechts-Veranstaltung aufzutreten? In Hamburg zum Beispiel hat jüngst Udo Lindenberg eine solche ins Gespräch gebracht! Ihr habt ja bereits vor geraumer Zeit mit der Cover-Version von "Racist Friend" klar Stellung bezogen. Wäre der Titel nicht gegenwärtig eine erneute Veröffentlichung wert, wie z.B. damals auf dem "Zensur"- Sampler?

Arne: Ohne Zweifel ist es erstmal positiv, wenn dem Thema Rassismus Beachtung geschenkt wird, allerdings ist es sicher nicht nur ein tagespolitisches. Wir versuchen eher durch kontinuierliche Teilnahme an Benefiz-Konzerten antifaschistische und antirassistische Strukturen zu unterstützen. Was jetzt aus den angekündigten Rock Gegen Rechts-Veranstaltungen wirklich wird, bleibt abzuwarten.

GL: Abschliessend noch die allgegenwärtige neugierige Frage nach der Zukunft: was dürfen wir von Tocotronic als nächstes erwarten...ausser verdientem Urlaub?

Arne: Wir erwarten von uns, dass wir bis zum Ende dieses Jahres schon einen Teil des Weges zu einem neuen Album geschafft haben, aber fertig wird es erst nächstes Jahr, irgendwann.

Weitere Infos:
www.tocotronic.de
Interview: -Michael Kellenbenz-
Foto: -Pressefreigabe-
Tocotronic
Aktueller Tonträger:
K.O.O.K. Variationen
(L'Age D'Or)
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