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STEPHEN JONES
 
Adult Bird
Stephen Jones
Stephen Jones ist ein Mann, der es drauf anzulegen scheint: Nicht nur, dass er jetzt ein neues Album namens "Almost Cured Of Sadness" vorlegt, nein, es gibt auch noch ein BabyBird-Boxed-Set mit ALLEN FÜNF BabyBird-LowFi-Scheiben, sowie einer neuen, namens "The Black Album". Um das Ganze aber noch komplizierter zu machen, handelt es sich dabei nicht um das Band Projekt BabyBird, mit dem Jones ja mittels des Super-Hits "You're Gorgeous" einen kurzzeitigen Höhenflug absolvierte. "Ich weiß, es ist verwirrend", meint Stephen - beinahe resignierend, "aber das Kapitel BabyBird ist jetzt auch endgültig abgeschlossen."
Kurz noch mal eine Rückblende: Ab ca. 1988 schraubt der Eigenbrötler im stillen Kämmerlein in fast katatonischer Isolation hunderte von Songs zusammen, die er ganz alleine auf einem 4-Track-Cassetten-Gerät einspielt. Das sind die besagten und legendären LowFi-Scheiben, die jetzt in dem Boxed Set verfügbar werden, und die ursprünglich 1995 unter's Volk gebracht wurden. Diese - zunächst gar nicht zur Veröffentlichung gedachten Songs - ziehen die Aufmerksamkeit des Business auf sich, so dass Jones 1996 die Möglichkeit hatte, mit einer Band namens BabyBird ins Studio zu gehen. Das Ergebnis war u.a. "Your're Gorgeous". Den Erwartungen dieses Top 3 Hits konnte die Band indes nicht gerecht werden, so dass die nachfolgenden zwei Alben Jones im Prinzip wieder zum überzeugten Eigenbrötler machten. Erstes Ergebnis ist das "Black Album" (nur in dem Boxed Set erhältlich) und das neueste, die neue CD. (Übrigens wurde diese auf einem 8 Track Mini Disc Recorder aufgenommen. Stillstand ist nicht Stephens Sache!) "Das 'Black Album' enthält einige übrig gebliebene Stücke von damals und einige neue", rechtfertigt Stephen dieses - gerade so, als müsse er sich dafür entschuldigen, dass er zweifelsohne zu den produktivsten Heimarbeitern überhaupt zählt, "das war eine Art Bonus für die treuen Fans. Und das Boxed Set erscheint hauptsächlich deswegen, weil ich die Scheiben zu einem vernünftigen Preis verfügbar machen wollte." (Im Rahmen der "You're Gorgeous"-Hysterie wurden die wenigen kursierenden LowFi Alben zu gesuchten Sammlerstücken.) Eigentlich aber soll es ja um die neue CD gehen. Und das ist dann wieder ein typisches Stephen Jones Heimwerker-Album im besten Sinne. Anstelle von hochglanzproduziertem Band-Pop gibt es wieder hakelige und vertrackte Kleinkunstwerke - klangtechnisch in der Tradition der alten Alben, aber aufgewertet um digitale Zutaten wie Samples und eben der neuen Aufnameästhetik auf acht Spuren.
Ist das ein mexikanischer Totenkopf auf dem Cover und wenn ja, was hat er da zu suchen? "Ja, das sind mexikanische Süßigkeiten", stimmt Stephen zu, "ich mag den mexikanischen 'Tag der Toten', und wie sie ihn zelebrieren. Die Verbindung zur Musik sehe ich darin, dass alle Musik, die ich mache, im Prinzip recht einfach und fast kindlich ist, in der Art in der ich sie aufbereite. Die Texte sind indes ziemlich düster und realistisch, fast sinister. Es ist also die Kombination von beidem, die so dargestellt wird." Um ehrlich zu sein, kann man die neue Scheibe nicht so recht verstehen - insbesondere im Kontext zur Band BabyBird. Sie macht erst in Verbindung mit dem Boxed Set Sinn. "Ich verwirre die Leute immer dadurch, dass ich mich nie entscheiden kann, was ich eigentlich machen will", schmunzelt Stephen, "ich will halt verschiedene Sachen ausprobieren." Was ist denn zwischen Band und Heimwerker-Neubeginn so alles passiert? "Das Boxed Set zeigt ja, wie ich begann - zu Hause mit meinem 4-Track", erzählt Stephen, "das habe ich aber immer gemacht - auch als ich mit der Band spielte. Ich komme jetzt also praktisch musikalisch nach Hause, wenn du so willst. Dieses Album soll den Leuten zeigen, dass ich auch immer noch auch andere Sachen machen kann. Wenn ich das Zeug live spiele, wird natürlich wieder eine Band dabei sein." Was ist eigentlich der Grund dafür, dass die Stimmen auf der neuen Scheibe sich mehr nach Mickey Mouse als nach Stephen Jones anhören? Es ist nämlich so, dass der Gesang auf dem neuen Album (wie gelegentlich schon auf den älteren LowFi-Scheiben) doch mächtig nachbehandelt wurde. "Ich liebe eigentlich instrumentelle Musik", erklärt Stephen diesen Umstand, "der Gesang - besonders mit der Band - war immer sehr dominant und hat - nach meiner Meinung - von der Musik abgelenkt. Die Musik ist meine erste Liebe und der Gesang kommt erst an zweiter Stelle. Außerdem wollte ich, dass alles ineinander übergeht. Die Worte kannst du schon noch verstehen - vielleicht nicht so gut in Deutschland oder Frankreich. Es ist schon da, aber ich wollte, dass sich alles vermischt. Und warum ich meine Stimme verändert habe? Nun ich bin - besonders auf den Band Alben - dafür bekannt, dass ich eher eine Bariton Stimme habe. Und ich wollte auf der neuen Scheibe etwas sanfteres und introvertiertes. Und es sollte interessant klingen - nicht einfach so rausgesungen werden." Und interessant klingen tut die Scheibe allemal.
Stephen Jones
Vielleicht sogar zu interessant? Da gibt es ja keine Sekunde, in der nichts passiert. "Das liebe ich aber", rechtfertigt Stephen dies, "als ich begann, lebte ich an einer sehr lauten Straße. Da gab's ein Taxi-Unternehmen, und ich hatte ständig diese Funksprüche im Radio, im Fernsehen und in meinem Aufnahmegerät. Anstatt das zu bekämpfen, habe ich es also stets mit verwendet. Gefundene Sounds waren immer schon ein Bestandteil meiner Arbeit." Dazu gehören ja auch die Samples. Wie geht Stephen denn mit diesen um? Samples können ja durchaus etwas magisches haben. "Absolut, absolut", stimmt er zu, "es ist eine magische Erfahrung, wie manche Samples einfach so ideal passen, als seien sie dazu bestimmt, genau in deinen Songs zu landen. Der Grund, warum dieses Album erst jetzt erscheint, obwohl es seit letztem Jahr fertig ist, ist der, dass ich Sachen wie 'Fiddler On The Roof' und so was gesampelt hatte. Das waren Samples, die einfach nicht erlaubt wurden. Das ist okay - ich beklage mich nicht: Ich nehme schließlich anderer Leute Musik. Aber ich musste einen Ersatz finden. Sanctuary, mein Label, hat nun glücklicherweise einige klassische Boxed-Sets und deshalb habe ich dann davon Sachen ausgesucht. Was natürlich Zeit brauchte. Es ging um die Songs 'Friend' und 'Radio Has Been Thinking Again'. Die Samples sind aber nicht so wichtig. Ich würde zum Beispiel niemals einen Song um ein Sample herum aufbauen. Das wäre nicht richtig - der Song kommt zuerst." Es geht aber manchmal nicht ohne Samples, oder? "Um es mal so zu sagen: Ich habe ziemlich große Visionen. Ich würde gerne mal mit einem 60-köpfigen Orchester arbeiten - aber das wäre ja nicht zu finanzieren. Das einfachste ist also, es von klassischen Scheiben zu samplen." Zusätzlich zu den Samples und den bearbeiteten Stimmen gibt es noch jede Menge Effekte auf dem Album. Was ist der Grund hierfür? "Ich liebe den Sound von Effekten wie Hall, Tremolo, Echo usw. Dadurch wird alles miteinander verwoben. Es ist fast wie in einem Orchester. Es ist sehr organisch. Es ist fast wie ein Bild zu malen." Bedeutet das denn nicht, dass die Scheibe dann nur als Ganzes zu genießen ist? "Ich könnte das niemals", widerspricht Stephen, "irgendwann musst du mal anhalten, sonst wird's zu viel. Ich würde das jetzt nicht mehr ändern, aber beim nächsten Mal würde ich mir vielleicht überlegen, ob es kürzer sein könnte. Es gibt nur ein, zwei Songs, die stilistisch zusammen gehen, ansonsten verzweigt es in alle mögliche Richtungen. Es ist eine ziemliche Reise, die man da auf sich nehmen muss, wenn man es anhört." Gibt's denn einen Lieblings-Song für Stephen Jones? "Der Titeltrack am Ende", überlegt er kurz, "weil ich denke, dass das der klassischste Song ist. Deswegen steht er am Ende." Wie sieht das denn die Plattenfirma? "Es war immer ein Album Projekt", beharrt Stephen, "es muss aber eine Single geben, das ist mir klar. Ich wollte aber von der Single-Idee weg. Du hast aber in England keine andere Möglichkeit eine Platte ohne Single zu promoten, weil im Radio keine Album Tracks gespielt werden. Das ist zwar ein bisschen wie Hurerei, aber du musst da mitmachen."

Warum legt es Stephen eigentlich so darauf an, die Leute zu verstören? "Ich möchte die Leute keinesfalls verstören", widerspricht er, "aber ich langweile mich schnell. Ich kaufe mir immer wieder Scheiben, die mich nach zwei Tracks langweilen, weil man sie vorhersehen kann. Ich möchte mich keinesfalls wiederholen. Und das ist eben nicht üblich. Es ist doch alles sehr konservativ. Die Leute erwarten einfach etwas bestimmtes." Was denkt denn jemand wie Stephen Jones, der ja das Business von oben und unten kennt, von "neuen Konzepten" wie Fernsehshows, bei denen Popstars gecasted werden, und die genau dieser von ihm verachteten Erwartungshaltung zuarbeiten? "Ich denke, das ist nichts wirklich neues", meint Stephen, "es wird nur immer schlimmer. Ich gebe aber zu, dass ich sie mir anschaue - wie du dir etwa einen Autounfall anschauen würdest. Es ist so ein schreckliches Konzept, diese Kids zu nehmen, die Erfolg haben wollen - was okay ist - und diese dann ein Jahr lang auszulutschen und dann abzustoßen. Da aber die Öffentlichkeit dies akzeptiert, bestätigt aber meinen nicht allzu guten Eindruck von der Öffentlichkeit. Ich denke, dass die meiste Musik von Leuten gekauft wird, die gar keinen Musikgeschmack haben." Für wen hat Stephen dann überhaupt dieses Album gemacht? "Zunächst und vor allem für mich", räumt er ein, "ich bin da sehr realistisch. Wenn 500 Leute dieses Album kaufen, dann ist das eben so. Da es so verwirrend und seltsam ist, werde ich nicht viel davon verkaufen. Es ist Musik, wie ich sie mag. Was nicht heißt, dass ich sie mir anhören würde. Vielleicht bewirken Alben wie dieses, dass die Leute die existierende Musik, die hier repräsentiert wird, für sich entdecken. Das ist nämlich etwas, was du mit der Maschinerie einer Band nicht erreichen kannst."

Weitere Infos:
www.arthritiskid.com
www.babybird.co.uk
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-
Stephen Jones
Aktueller Tonträger:
Almost Cured Of Sadness
(Sanctuary/Zomba)
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