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THE CARDIGANS
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Intim, nicht retro.
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In den fünf Jahren seit der Veröffentlichung ihres letzten Albums "Gran Turismo" hat es immer wieder Gerüchte gegeben, dass The Cardigans keine weitere Platte mehr machen würden - mit ihrer neuen LP "Long Gone Before Daylight" melden sich Peter Svensson, Magnus Sveningsson, Bengt Lagerberg, Lars-Olof Johansson und Nina Persson jetzt nicht nur zurück, nein, sie sind besser als je zuvor. War der Vorgänger streckenweise vielleicht eine Spur zu modern-steril, herrscht auf der neuen Platte eine wunderbar persönliche und warme Atmosphäre. Akustik- und Slide-Gitarren, behutsame Arrangements, aber auch mal eine rockige Nummer, und natürlich Nina Persson - alles, was ein frisch gebrochenes Herz braucht. Ein beeindruckendes Comeback.
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Aber wie sagte schon Mark Twain? Die Nachrichten über meinen Tod sind stark übertrieben! Apropos übertreiben. Da erzählte uns Nina doch vor zwei Jahren, dass der Erfolg ihres Soloprojekts richtige Schuldgefühle bei ihr ausgelöst hätten: "In Schweden ist die Platte sogar von 0 auf 1 in die Charts eingestiegen! Das war eine sehr unwirkliche Situation, denn die Cardigans haben das noch nie geschafft! Als ich dann mit meinen Freunden bei den Cardigans gesprochen habe, konnte ich nicht viel mehr sagen als: 'Sorry, Jungs!'" Ein Zitat, das unter ihren Mitstreitern beim Treffen mit Gaesteliste.de im Kölner Crowne Plaza Hotel ungläubiges Staunen auslöst. "Lass dir gesagt sein, sie hat sich ganz und gar nicht schuldig gefühlt!", grinst Magnus. "Abgesehen davon sind sowohl 'First Band On The Moon' als auch 'Gran Turismo' direkt auf Platz 1 in die Charts eingestiegen. Da hat sie euch wohl Scheiße erzählt!" Trotzdem ist auf dem neuen Album - auf dem Nina erstmals sämtliche Texte alleine geschrieben hat und Peter die Musik zu allen Stücken beisteuerte - eine Hinwendung zum organischen Sound der Neil-Young-angehauchten A-Camp-Platte nicht zu überhören. Es würde ihnen inzwischen leichter fallen, die fünf verschiedenen Geschmäcker der einzelnen Bandmitglieder besser unter einen Hut zu bringen, erzählt uns Peter. Die Band sei einfach näher zusammengerückt. "Für mich als Songschreiber ist es sehr wichtig, Feedback und Anerkennung von den anderen in der Band zu bekommen, und das war in der Vergangenheit nicht immer der Fall. Nicht wegen der Songs, sondern einfach wegen des Klimas innerhalb der Gruppe. Dieses Mal war das völlig anders. Früher hatte ich immer das Gefühl, dass ich die alleinige Schuld trage, wenn etwas nicht funktioniert. Falls dieses Album floppen sollte, wären alle in der Band ziemlich getroffen. Trotzdem kann ich auch jetzt nie vorhersagen, wie den anderen die Songs gefallen, die ich schreibe. Kürzlich habe ich mir noch einmal die Demos für das Album angehört und bin dabei auf ein Stück namens 'Little By Little' gestoßen. Ich finde, das ist ein wirklich guter Song, aber die anderen konnten sich nicht dafür begeistern, und deshalb haben wir ihn nie aufgenommen."
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Das Überraschungsmoment ist also auch nach zehn Jahren noch vorhanden, wenngleich die internen Reibereien, die frühere Alben begleiteten, dieses Mal fast völlig fehlen. Sie würden heute alle ähnliche Musik hören, erklärt Magnus die Gründe für die neue Einigkeit, die auch aus dem ausgezeichneten Verhältnis zu ihrem neuen Produzenten Per Sunding herrührt, der auf "Long Gone Before Daylight" den langjährigen Producer der Band, Tore Johansson, ablöste. Sagte uns Nina vor zwei Jahren noch, dass ihre persönlichen Hörgewohnheiten auf den Cardigans-Platten nie so recht durchscheinen, ist nun sehr wohl zu hören, dass alle fünf Bandmitglieder Künstler wie Lucinda Williams, Lambchop oder Will Oldham schätzen. Erreicht haben die Schweden das, indem sie auch im Studio viel "live" als Band zusammenspielten, anstatt wie bisher unter Zuhilfenahme aller möglichen technischen Tricks die Songs Schicht für Schicht aufzutürmen. Kein einfaches Unterfangen, schließlich sehen sich die Cardigans nicht als gute Liveband, wie uns Magnus gesteht: "Wir wollten als Band gut zusammenspielen, und das ist etwas, das uns in der Vergangenheit nur selten gelungen ist. Vielleicht nach 70 Shows oder so, aber davor hatten wir immer ein bisschen das Gefühl, nicht genau zu wissen, was wir da eigentlich machen." Also nervte Peter, der versierteste Musiker der Band, seine Kollegen so lange, bis sie endlich den Sinn und Zweck der ausgiebigen Proben erkannten. Und auch wenn sie noch nie zuvor so viel geübt hätten, eigentlich sei es immer noch nicht genug gewesen, findet Peter.
Gespielt haben The Cardigans wirklich auf dieser Platte und das in einer ganzen Reihe verschiedener Studios in Schweden, Spanien und England. "Wir haben uns bewusst entschieden, nicht in Malmö oder in Stockholm aufzunehmen, weil wir dort wohnen und es zu einfach gewesen wäre, zu sagen 'Ich muss mal kurz zum Postamt' und dann eine Woche nicht wieder aufzutauchen. So etwas ist uns früher schon mal passiert. Also fanden wir dieses Studio in Marbella in Spanien, wo unter anderem auch Sade aufgenommen hat (ganz wichtig!), und haben dort rund zwei Wochen verbracht. Danach sind wir alle wieder nach Hause gefahren, weil wir gemerkt haben, dass wir nicht mehr kreativ waren, und wenn ein Studio 1 000 Euro am Tag kostet, macht es natürlich keinen Sinn, dort nur abzuhängen und nichts zu tun. Danach sind wir dann nach England gegangen, aber schon während der Aufnahmen stellten wir fest, dass wir noch mehr Zeit benötigen würden, deshalb haben wir uns dann noch nach Gotland verzogen. Das Studio dort gehört einem Typen der schwedischen Band Ark, und die Bilder von den Räumen sahen im Internet wirklich super aus, also sind wir einfach hingefahren! Schön war auch, dass noch nicht alle von uns in Gotland gewesen waren. Die Abgeschiedenheit hat uns wirklich gut getan. Wenn du mitten in London aufnimmst, ist das nicht nur teurer, sondern es gibt einfach zu viele andere Dinge, die dich ablenken." Großen Einfluss auf den Sound hatten die einzelnen Studios aber nicht. Die Band arbeitete an fast allen Songs parallel in allen Studios, ganz abgesehen davon, dass die Stücke schon vor dem Start der Sessions fertig geschrieben waren. "Der einzige Song, der vielleicht ein bisschen beeinflusst wurde, ist das Schlussstück der Platte, das wir in Gotland aufgenommen haben. Das ist einer von drei Songs, die wir ausschließlich dort aufgenommen haben - die anderen beiden haben es allerdings nicht auf die Platte geschafft. Vielleicht hat der holzverkleidete Raum etwas auf das Stück abgefärbt."
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Das Studio in der Einöde von Gotland ist nun auch auf dem Cover verewigt - um das es einigen Wirbel gab. Erstmals seit dem Debüt "Emmerdale" ist Weiß nicht mehr die bestimmende Farbe auf dem Frontcover. "Der größte Unterschied ist, dass wir dieses Mal ohne Airbrush gearbeitet haben, obwohl wir's vielleicht nötig gehabt hätten", meint Magnus schelmisch und muss lachen. Das Bild der fünf beim Essen könnte durchaus als Hommage an die Rolling Stones und "Beggar's Banquet" zu verstehen sein, oder? "Oder auch an The Band", stimmt Magnus zu. "Das Bild entstand im Keller des Studios in Gotland, wo wir immer zu Abend gegessen haben. Allerdings entstand das Foto, lange nachdem wir die Aufnahmen beendet hatten. Zuvor hatten wir zwei Fotografen und drei verschiedene Sessions gehabt, und das sorgte für einigen Ärger mit Stockholm Records, unserem Label. Letztendlich hatte Nina die Idee, zurück nach Gotland zu gehen und ein Dinner nachzustellen. Als 'Extra' kam dann noch ein Hund dazu!" Und Peter ergänzt: "Wir wollten etwas haben, das völlig natürlich ist und Wärme ausstrahlt, und weil es Winter in Europa war, als wir die Fotos machen mussten, und wir weder Zeit noch das Budget hatten, irgendwo hinzufliegen, wo es warm war, konnten wir keine Bilder im Freien machen. Also dachten wir uns, wenn es schon drinnen sein soll, dann sollten die Bilder etwas von dieser Apres-Ski-Stimmung haben, mit einem Kamin und vielen Kerzen!"
Kaum war das erledigt, stieß die Band auf ein weiteres Problem – die richtige Reihenfolge der Songs auf der Platte. Letztendlich entschied man sich für die hinreißende Ballade "Communication" als erstes Stück. Keine schlechte Wahl, dennoch hätten vermutlich die meisten als Opener eines Albums nach fünfjähriger Pause ein anderes, offensiveres Stück erwartet. "Der Song war immer schon mein Favorit auf dem Album und auch eine Menge anderer Leute mögen ihn sehr", weiß Peter. "Er ist vielleicht nicht laut und wild im herkömmlichen Sinne, aber er ist sehr erhaben und zudem einer der perfektesten Stücke, das wir je gemacht haben. Diesen Song an den Anfang zu setzen, war ein echtes Statement. Trotzdem stimmt es, die richtige Reihenfolge zu finden, war nicht einfach. Bei der letzten Platte hatten wir schon eine Abfolge, bevor alle Songs fertig waren, dieses Mal gab es zum Beispiel sehr viele Stücke, die sich als Schlussstück geeignet hätten. Das machte es komplizierter."
Natürlich wird es auch wieder Konzerte geben. Zunächst einmal Anfang Juni bei Rock am Ring und Rock im Park. Nicht die offensichtlichste Wahl, denn auch wenn die Cardigans für ihre Black-Sabbath-Coverversionen berühmt-berüchtigt sind - auf einem Festival mit Metallica, Linkin Park oder Marilyn Manson sind sie nur bedingt richtig aufgehoben, oder? "Es wird im Herbst noch eine richtige Tour geben", beschwichtigt uns Magnus. "Unser Manager hat einen Plan ausgearbeitet, um die Weltherrschaft an uns zu reißen, darin spielen die Festivals eine wichtige Rolle. Abgesehen davon sind die Auftritte unglaublich gut bezahlt. Und weißt du, wann wir spielen sollen? Als letzte Band direkt vor - IRON MAIDEN!"
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Weitere Infos:
www.thecardigans.com
www.cardigans.de www.thecardigans.de
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Interview: -Herbert Viola- Fotos: -Pressefreigaben-
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Aktueller Tonträger: Long Gone Before Daylight (Stockholm Records/Motor Music/Universal)
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