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THE POSTAL SERVICE
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Eines gleich vorweg: "Give Up", das erste Album von The Postal Service, ist eine märchenhaft schöne Platte. 80er-Jahre-inspirierter Synth-Pop, der an die besten Momente von The Human League, OMD und New Order erinnert und zudem mit einem Sänger aufwarten kann, dessen organischer, aber dennoch federleichter Gesangsstil einen perfekten Gegenpol zu den super-poppigen Songs bildet. "Such Great Heights" darf schon jetzt als einer der fünf besten Popsongs des Sommers gewertet werden, und eine der ersten Rezensionen des Albums hier in Deutschland trifft den Nagel auf den Kopf: "Das ist Musik, auf die ich gewartet habe, ohne es zu wissen!" Und wie das nun einmal mit Märchen ist, sie beginnen alle gleich.
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Es war einmal das Projekt Dntel, in dem ein Mann aus San Francisco namens Jimmy Tamborello - sonst auch als Figurine unterwegs und Aushilfstontechniker der Beechwood Sparks - seine Synthie-Pop-Phantasien auslebte. Irgendwann schrieb er einen Song mit dem Titel "The Dream Of Evan und Chan" und suchte nach einem passenden Sänger dafür. Des Weges kam Ben Gibbard, ansonsten Kopf der besten Seattle-Band der letzten zehn Jahre, den in Deutschland mangels Veröffentlichungen leider immer noch krass unterbewerteten Gitarren-Göttern Death Cab For Cutie, und fertig war der erste heimliche Dntel-Hit. So gut gefiel den beiden ihre Zusammenarbeit, dass man beschloss, die Kollaboration fortzusetzen, als Gäste kamen zudem Multinstrumentalist Chris Walla (Death Cab For Cutie) sowie die Sängerinnen Jen Wood und Jenny Lewis (deren Band Rilo Kiley in Kürze ihr grandioses zweites Album "The Execution Of All Things" auch in Deutschland veröffentlicht) dazu. Um Bens Part aufzuwerten, beschloss man, dem Kind einen neuen Namen zu geben: The Postal Service waren geboren, Sub Pop wurden überzeugt, ein Album zu veröffentlichen, et voilà: Dieser Tage erscheint "Give Up" auch offiziell in good ole Germany.
Doch so gut die Platte auch sein mag, mehr als ein Nebenprojekt von Dntel und Death Cab For Cutie können und sollen The Postal Service nicht sein. Als wir unlängst mit Ben bei einem Tourstopp mitten im Nirgendwo von Wyoming telefonierten, wollten wir deshalb zunächst einmal wissen: Wie wichtig nehmen die Protagonisten The Postal Service denn überhaupt? "Es stimmt, die Band ist nur ein Sideproject, trotzdem versuchen wir natürlich, Platten zu machen, die so gut sind wie irgend möglich, und das Gleiche gilt auch für die Liveshows. Ich nehme die Band sehr ernst, wie ich all die Musik, die ich mache, ernst nehme. Trotzdem sehen wir The Postal Service nicht als Karrieresprungbrett. Wir haben die Platte gemacht, jetzt spielen wir ein paar Konzerte in den USA, im Juni werden wir in England und Spanien spielen. Das klingt sehr aufregend, aber im Herbst sind dann erst einmal wieder Dntel und Death Cab For Cutie dran." Auf der Bühne bedient Jimmy übrigens ein Laptop, Ben spielt abwechselnd Gitarre, Keyboard und Schlagzeug, und Jenny hilft an Gitarre und Keyboard aus.
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Das Album sei übrigens in keinster Weise ein Hinweis darauf, dass sich Death Cab For Cutie in Zukunft von ihrem viel geliebten Indie-Pop-Sound wegbewegen würden, lässt uns Ben wissen. "Auch die Herangehensweise bei den Texten ist bei The Postal Service ähnlich wie bei Death Cab. Der Unterschied ist nur, dass ich hier die Texte zur Musik von jemand anders schreibe, und was immer Jimmy musikalisch vorlegt, gibt natürlich auch die Stimmung an, zu der ein Text passen muss. Die Veränderungen, die man vielleicht ausmachen kann, waren also keine bewusste Entscheidung, sondern lediglich eine Konsequenz aus den veränderten Gegebenheiten." Obwohl die Melange von Jimmys Musik und Bens Stimme wie das Ergebnis eines langen Prozesses und endloser Tüftelei klingt, haben sich die zwei vor den Aufnahmen herzlich wenig konzeptionelle Gedanken gemacht. "Ich habe einfach mit Jimmy vor ein paar Jahren diesen Dntel-Song aufgenommen, und weil die Synthese unserer beiden Stile wirklich gelungen war, sagten wir uns ohne große Hintergedanken einfach: 'Lasst uns das noch mal probieren!' Es war jedenfalls nicht so, dass wir uns groß Gedanken gemacht hätten im Sinne von: 'Wenn man deine Musik mit einer Stimme wie meiner kombiniert - das wird bestimmt ein Reißer, das wird bestimmt ein Riesenhit!'"
Interessanterweise war für Ben der Schritt in richtig elektronische Musik völliges Neuland. "Ja, das war eine völlig neue Erfahrung für mich. Bevor ich Jimmy traf und wir den Dntel-Song gemacht haben, habe ich mich nie mit elektronischer Musik auseinander gesetzt", gesteht Ben und fügt schmunzelnd an: "Es ist also keinesfalls so, dass ich schon immer den Drang verspürt hätte, eine Electro-Platte zu machen und jetzt ENDLICH der Tag gekommen ist. Ich habe von Programmierung und so etwas keinen Schimmer, ich wollte einfach nur eine echte Pop-Platte machen." Und so endet das erste Kapitel dieses sommerlichen Pop-Märchens. Und weil sie nicht gestorben sind, macht das Duo bestimmt in Zukunft weiter so tolle Platten wie "Give Up"!
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Weitere Infos:
www.subpop.com/bands/postalservice/
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Interview: -Carsten Wohlfeld-
Fotos: -Brian Tamborello-
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Aktueller Tonträger: Give Up
(Sub Pop/Cargo)
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