Allerdings verkauften sich die Platten von Kellys erster Bands, den Avant-Folk-Pop-Helden The Vaselines, nur in äußerst bescheidenen Stückzahlen. Kultstatus erlangte der inzwischen 38-Jährige erst, als ein gewisser Kurt Cobain auf dem Höhepunkt des Nirvana-Hypes die Werbetrommel für die damals bereits aufgelöste Band rührte. Kein Titelbild 1991/92, das Cobain nicht in einem T-Shirt der später in Eugenius umbenannten Vaselines-Nachfolgeband Captain America zeigte, kaum ein Nirvana-Konzert, bei dem Cobain nicht eine der drei Vaselines-Coverversionen zum Besten gab, die später auf "Incesticide" und "Unplugged In New York" verewigt wurden. Cobains Verehrung des Duos aus Edinburgh ging sogar so weit, dass er seine Tochter Frances Bean nach Kellys Vaselines-Partnerin, Frances McKee, benannte. Auch fast zehn Jahre nach Cobains Tod sind Eugene-Kelly-Interviews ohne die N-Frage eher selten.
"Als Nirvana anfingen, einige unserer Songs spielten, waren sie nur irgendeine kleine Band aus Seattle, die gerade einmal ein Album veröffentlicht hatte. Das war weit vor der Zeit, als sie zu einer Stadionrockband wurden. Es geht dabei auch nicht so sehr um das Geld, das du dadurch verdienen kannst. Es ist einfach ein tolles Gefühl, wenn eine Band, womöglich noch eine, die du selbst auch bewunderst, ein Stück von dir spielt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sie das Stück auf Platte veröffentlichen oder nur ein- oder zweimal live spielen. Beides freut mich ungemein." Dabei waren es ja nicht nur Nirvana, die Eugenes Songs coverten. Unlängst spielten My Vitriol eine Version des Eugenius-Songs "Breakfast" ein. Ehre hin oder her - mag Eugene eigentlich all die Coverversionen? "Ja!", kommt seine Antwort wie aus der Pistole geschossen. "Bis jetzt habe ich noch keine Version eines Songs, den ich geschrieben habe, gehört, mit der ich unglücklich gewesen wäre."
Das Geld, das ihm die Coverversionen Nirvanas in die Kasse spülten, reichte dazu aus, dass Eugene schon bald seinen regulären Job aufgeben konnte. Ein bisschen schien es allerdings so, als hätte er seine Musikerkarriere auch gleich drangegeben. Seine letzte Veröffentlichung, das zweite Eugenius-Album, "Mary Queen Of Scots", stammt aus dem Jahr 1994. In der Zwischenzeit tauchte Eugene lediglich als Co-Autor von Evan Dando und Teenage Fanclubber Norman Blake auf, spielte in der kurzlebigen Dando-Fun-Band Groupeez und trat viel live auf - allerdings in erster Linie daheim in Schottland oder als Support von Belle And Sebastian in Skandinavien oder als Special Guest von Posie Jon Auer in Spanien. Dass er so lange keine Platten veröffentlicht habe, sei nicht besonders schlimm gewesen. Solange er überhaupt Musik machen könne, sei er schon glücklich, erzählt er uns.
Diese Sichtweise ist vermutlich auch ein Selbstschutz, denn Eugene konnte in den letzten Jahren unverständlicherweise einfach kein Label finden, das seine Songs veröffentlicht hätte. "Older Faster" erscheint nun bei Geographic, dem neuen Label von Stephan McRobbie von den Pastels, der schon in den 80ern die heute zu horrenden Sammlerpreisen gehandelten Vaselines-Platten auf seinem alten 53rd & 3rd-Label veröffentlicht hatte. Herausgekommen ist eine der schönsten Singer/Songwriter-Veröffentlichungen des gesamten Jahres. Bleibt zu hoffen, dass Eugene, der dieser Tage zu einer Australien-Tournee mit Evan Dando und Tom Morgans neuer Band The Give Goods aufbricht, bald ein Label für sein erstes, bereits seit zwölf Monaten fertig gestelltes Album "Man Alive" findet.
Die Solowerke des Mannes aus Glasgow haben allerdings nur sehr bedingt etwas mit den Vaselines oder Eugenius zu tun. Die musikalische Neuorientierung ist übrigens nicht nur auf sein Alter zurückzuführen, sondern auch auf den Wunsch, sich ein Stück weit von seiner Vergangenheit zu trennen. "Eugenius war ja eine richtige Rockband, und als die sich auflöste, kaufte ich mir eine Akustikgitarre, nur um alleine zu Hause weiter Musik machen zu können. Kurz danach habe ich dann angefangen, die Nummern zusammen mit einem Bassisten und einem Schlagzeuger zu spielen, und alles entwickelte sich. Es zeigte sich einfach, dass die Songs akustisch besser klingen als in einem lauten Rock-Arrangement." In dieser Zeit hörte Eugene viele alte Platten, die ihn sehr beeinflussten. "Ich habe irgendwann angefangen, sehr viel Folk-Zeug aus den 60ern zu hören. Sachen wie The Incredible String Band oder Fairport Convention oder amerikanische Westcoast-Sachen wie Crosby, Stills, Nash & Young oder die erste Soloplatte von David Crosby und auch die Solowerke von Stephen Stills und Neil Young. Die Sachen kannte ich alle auch schon früher, aber sie haben sich irgendwie in den Vordergrund gedrängt."