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Interview-Archiv

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SPIRITUALIZED
 
Die Rückkehr zum Wesentlichen
Spiritualized
Spiritualized gehen neue Wege und kehren nach einer langen "Space Odyssee" zurück zum Wesentlichen. Nach dem Mammutwerk "Let It Come Down" vor zwei Jahren, das vier Jahre Planung und Aufnahmezeit verschlang, entstand das neue Album binnen weniger Wochen und klingt deshalb wesentlich spontaner - "Amazing Grace" ist eine auf großartige Weise schnörkellose Platte geworden. So schnörkellos sogar, dass Spiritualized inzwischen gerade in England gerne in einem Atemzug mit Garagenrockern wie den White Stripes oder Black Rebel Motorcycle Club genannt werden. Und das, obwohl zumindest letztere ganz klare Nachfahren von Jasons erster Band, Spacemen 3, sind. "Das Album als Garagen-Platte zu bezeichnen, ist nicht mehr als der Versuch der Leute, sie in den modernen Zeiten zu verankern", winkt Jason im Gespräch mit Gaesteliste.de beim Interviewstopp in Berlin ab. "Garagenmusik ist heute zeitgemäß und hip. Ich habe nie gesagt, dass dies ein Garagen-Album ist, und ich glaube auch nicht, dass es eines ist. Die Platte ist dafür zu elegant, weil ich wie ein Besessener alles kontrolliere und überprüfe, wenn ich Musik mache. Garagenrock bedeutet für mich, auf 'Aufnahme' zu drücken, und dann heißt es: You get what you get!"
Und das hatte Jason bei "Amazing Grace" ganz und gar nicht im Kopf. "Wir sind diese Platte mit all dem Wissen angegangen, das wir bei den Aufnahmen zu 'Let It Come Down' angesammelt haben. Unser Ziel war es nicht, uns zurückzunehmen. Es gibt zwar einige Overdubs auf dem neuen Album, aber nur, weil ich dennoch nicht das Gefühl hatte, dass der Gospel-Chor und die Streicher dem Rest der Platte etwas von ihrer Energie nehmen." Und eines ist sicher, so direkt der Sound des neuen Albums auch sein mag, eine verkappte Live-Platte hatten Spiritualized nicht im Sinn. "Es gibt sehr viele Leute, die davon sprechen, den Live-Sound auf ihren Platten einfangen zu wollen. Ich glaube, das ist unerreichbar. Den Livecharakter hast du nur, wenn du live spielst. So einfach ist das. Das neue Album ist sehr stark von der letzten Spring-Heel-Jack-Scheibe inspiriert, an der ich zusammen mit Han Bennink, Evan Parker und Kenny Wheeler gearbeitet habe. Das Physische des Musikmachens hat mir unheimlich viel gegeben. Zu erkennen, dass die Performance wichtiger ist, als sich das Gespielte nachher anzuhören. Genau das wollte ich auf Platte festhalten: Den Moment, in dem die Musiker die Songs noch nicht richtig gelernt haben. Dann sind die Möglichkeiten unendlich. Also haben wir der Band die Demos der Songs erst an dem Tag vorgespielt, an dem wir die Aufnahmen gemacht haben. Wenn Musiker proben, versuchen sie Wege zu finden, wie sie die Songs auf die einfachste Art spielen können und wie sie Fehler vermeiden können. Wir wollten den Moment kurz davor einfangen." Was Jason und Co. ohne Frage gelungen ist. Da stellt sich die Frage, wie spontan Jason selbst an die Aufnahmen herangegangen ist. "Ich hatte von vielen Songs schon Demos aufgenommen. Ich wollte der Band keine vagen Ideen präsentieren, sondern Aufnahmen, die sie sich anhören konnten, so dass sie schnell begreifen würden, worum es in dem Song geht, wie er aufgebaut ist, um dann direkt sagen zu können: 'Okay, let's do it!'"

Auf dem der neuen Platte beiliegenden Waschzettel der Plattenfirma wird Jason mit den Worten zitiert, "Amazing Grace" sei die am besten aufgenommene Spiritualized-Platte überhaupt. Was angesichts epischer Produktionen wie "Ladies And Gentlemen We Are Floating In Space" und "Let It Come Down" schon etwas verwundert. "Ich glaube nicht, dass ich das jemals gesagt habe, weder für die Pressemitteilung noch sonst irgendwann", antwortet Jason schmunzelnd. "Und wenn ich es doch gesagt haben sollte, dann meinte ich es so, dass dieses Mal alles, was die Platte ausmacht, aus den Aufnahmen kommt, nicht durch zusätzliche Produktionstricks. Ich war es einfach leid, zeitgenössische Musik zu hören, bei der alle Sounds durch den Prozessor oder Synthesizer gejagt werden. Ich wollte ein Album machen, das nichts von alledem hat, nach dem Motto: 'So klingt meine Stimme, wenn ich in ein Mikro singe und sie auf Band aufgenommen wird, und this is what you get!' Die Nebengeräusche sind alle noch da: Das Atemholen, die Finger, die über Instrumente gleiten, die Geräusche, die Pedale und Knöpfe machen."

Da könnte man fast vermuten, dass Jason wie derzeit viele Bands auch ein großer Fan alter analoger Aufnahmetechnik ist, um das Endergebnis ohne den Gebrauch jeglicher Computer und anderer moderner Hilfsmittel möglichst unverfälscht puristisch klingen zu lassen, aber weit gefehlt. "Dahinter steckt die Vorstellung, dass die große Zeit des Rock N Roll 1965 zu Ende war! Oder spätestens dann, als der Transistor erfunden wurde. Als ginge es beim Rock N Roll um die Authentizität der Aufnahmen! That's bullshit!", ereifert sich Jason. "Wenn du ein Paar 1963er Gucci-Latschen hast, bist du doch nicht mehr Rock N Roll als jemand anders! Was ich an Garagenmusik mag, ist der Gedanke dahinter, dass jeder sie spielen kann. Du hängst dir eine Gitarre um den Hals und spielst eine einzige Note, und es ist aufregend und bringt dein Blut in Wallung! Darum geht es beim Rock N Roll! Es geht darum, dass DU es auch kannst, weil es so einfach ist. Rock N Roll ist Richard Hell oder The Dead Boys - du willst es versuchen? Dann mach es doch! Du musst nur den Arsch hoch kriegen und dir eine Gitarre besorgen, mehr nicht! Es geht auf jeden Fall nicht um dieses Retro-Ding, bei dem ein bestimmtes Mischpult und ein bestimmter Prozessor auszureichen scheinen, um authentischen Rock N Roll zu bekommen."

Soll das heißen, dass Jason bei der Auswahl seiner Instrumente und der Studiotechnik, gerade weil er auf eine aufwendige Produktion verzichtet hat, dieses Mal nicht besonders sorgfältig war? "Ein bisschen. Du probierst das aus, was dir [im Studio] zur Verfügung steht. Der beste Verstärker, den ich besitze, ist ein H&H-Transistor-Amp, der in den späten 70ern gebaut wurde. Das ist der, den ich benutze und den ich auch schon immer benutzt habe. Rock N Roll muss nach vorne schauen. Jerry Lee Lewis hat nicht im Sun Studio in Memphis gesessen und gesagt: 'Passt schon!' Er wollte die Mädchen, die Autos haben und sehen, wo seine Grenzen sind! Er wollte die Big Band, die Horn Section!" Ungewöhnlich an "Amazing Grace" ist nicht zuletzt die kurze Entstehungszeit des Albums. Trotz der für Spiritualized sehr kurzen Aufnahmezeit sei es ihm nicht schwer gefallen, die Platte zu beenden und der Versuchung zu widerstehen, sie später noch groß nachzubearbeiten, sagt Jason. "Die letzte Platte war so ein Kraftakt, dass wir wussten: Es gab keinen Weg, das noch einmal zu versuchen. Für dieses Album gab es eine bestimmte Frist, nämlich Ende Januar diesen Jahres. Dann stand die England-Tournee von Spring Heel Jack an, die ich auf gar keinen Fall verpassen wollte. Vielleicht habe ich ein wenig Glück gehabt, dass sich manche Dinge einfach ergaben, aber ich denke, dass wir etwas eingefangen haben, das ziemlich einzigartig und ergreifend ist."

Spiritualized
Von geradezu ergreifender Schönheit ist auch einmal mehr das Artwork des Albums. Das Cover ziert eine schlichte, aber äußerst stilvolle Aufnahme von Jasons Arm. "Ich finde, die Platte ist sehr menschlich, und sie handelt davon, wie es ist, menschlich zu sein, und von der Fehlbarkeit, die damit einhergeht. Das Bild des Arms fasst das für mich gut zusammen. Es ist ein sehr einfaches, aber dennoch wunderschönes Motiv. Es schien mir der richtige Weg zu sein, diese Platte zu präsentieren: Sehr simpel, aber dennoch wunderschön. Die ausgefallenen Ideen, die wir bei früheren Platten verwirklicht haben, schienen einfach nicht zu der Art und Weise zu passen, wie diese Platte entstanden ist." Neben der CD-Version gibt es die Platte übrigens auch als Vinyl-LP und als wunderschön aufgemachte 12"-Box mit drei einzelnen EPs, deren Cover Portraits der sechs Musiker von Spiritualized zieren. Die EPs, die zusammen alle 11 Songs des Albums enthalten, erschienen allerdings schon vor dem offiziellen Veröffentlichungsdatum der LP- und CD-Version. "Dafür gab es verschiedene Gründe, aber einer davon war, auf diese Weise etwas vom Gewicht des Veröffentlichungsdatums zu nehmen", lässt uns Jason wissen. "Ein bestimmtes Veröffentlichungsdatum ist nur Teil des Marketings. Die Label versuchen, alle potentiellen Käufer auf einmal zu mobilisieren, damit sie die Platte sofort kaufen und so eine Chartplatzierung garantiert wird. Die EPs sind meine Art zu sagen, dass mich das wirklich nicht sonderlich interessiert. Du kannst die Songs so schon vor der offiziellen Veröffentlichung hören, und die Platte wird es auch noch lange, lange Zeit danach geben. Wer sie haben möchte, kann sie sich holen, wann immer es ihm gefällt!"
Weitere Infos:
www.spiritualized.com
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Fotos: -Adrian Boot / John Coxon-
Spiritualized
Aktueller Tonträger:
Amazing Grace
(Sanctuary/Zomba)

 
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