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MARY LOU LORD
 
Die Schatzgräberin
Mary Lou Lord
Mary Lou Lord aus Boston, Massachussetts, ist so etwas wie ein lebender Geheimtipp: Unter Musikerkollegen und Fachidioten wie uns ist sie - besonders als Interpretin und Performerin - hochgeschätzt, wird aber von der breiten Masse eher ignoriert. Was aber nicht weiter verwunderlich ist, denn wie sollte auch die breite Masse von ihr Notiz nehmen? Ihr bislang einziger ernsthafter Versuch, an die Öffentlichkeit zu dringen, war die CD "Got No Shadow" auf Columbia / Sony im Jahre 1998. Und diese verschwand in einem beispiellosen Strudel aus Ignoranz, schlechter Vermarktung, persönlichen Problemen und nicht-existenter Promotion in den Grabbelkisten dieser Welt. Und was Mary ansonsten an Tonträgern auf den Markt warf, war eher obskur: Singles und EPs auf kleinen Labels, Kompilationsbeiträge oder eine seltsame Live-CD namens "Live City Sounds", die sie als Straßenmusikantin in der U-Bahn aufnahm.
Am musikalischen Potential kann es aber gewiss nicht liegen, dass Mary Lou uns bislang eher verborgen blieb. Auf der Homepage http://maryloulord.yi.org/ wird eine endlose Liste von Musikanten aufgereiht, mit denen sie in irgendeiner Art und Weise in Verbindung steht und ihr Mentor und musikalischer Partner, Nick Saloman (The Bevis Frond), der auch maßgeblich an der Produktion ihrer neuen CD, "Baby Blue" beteiligt war, ist ja schließlich auch kein Nobody. Und dann sind da ja noch die Cover-Versionen: Auch hier gibt es eine endlose Liste, bei der sicherlich für jeden Geschmack etwas dabei sein sollte. Eigentlich ist Mary Lou Lord eine Künstlerin, die man sehr leicht lieben kann - wenn man sie denn ein Mal kennengelernt hat. Dafür gibt es jetzt, auf der von Gaesteliste.de präsentierten Tour Anfang April auch hierzulande Gelegenheit. Grund genug, nachzufragen, was es mit dem neuen Album denn auf sich hat.

Das Stück "Baby Blue" ist ein Coverversion der eher unglückseligen Band Badfinger, die Anfang der 70er Jahre auf dem Beatles-Label einige Erfolge hatten. Der größte davon war sicherlich das von Nilsson gecoverte "Without You" - "Baby Blue" schaffte es im April 1973 nur bis auf Platz 14 der US-Charts. Badfinger ist wohl eine der Bands, die vom Business am sorgfältigsten untergebuttert wurden: Mehrere Millionen an Tantiemen verschwanden im Nichts und Songwriter Pete Ham - der Autor von "Baby Blue" - erhängte sich im April 1975 (wie acht Jahre später ein weiteres Mitglied). Nun, ganz so schlimm ist es im Fall von Mary Lou Lord wohl noch nicht (zumindest privat hat sie nämlich ihr Familien-Glück gefunden), aber dennoch ist das Cover-Foto der CD, auf dem Mary Lou ihr Gesicht in ihren Händen vergräbt, nicht eben eine repräsentative Darstellung positiver Energien. "Ach da hatte ich bloß einen Bad Hair Day", scherzt Mary Lou, "nein, ernsthaft, ich habe mich nie als Pin-Up Girl gesehen. Ich möchte lieber, dass man auf die Songs achtet, als auf mich. Und was 'Baby Blue' betrifft, das ist schon immer einer meiner Lieblings-Songs gewesen. Das ist ein toller Pop-Song! Für mich, als Solo-Künstlerin ist es ja immer etwas Besonderes, wenn ich im Studio meinen Spaß haben kann und auf den Luxus einer Band zurückgreifen kann. Ich glaube, es ging mir bloß darum, mich gehen zu lassen (wörtlich: "letting my hair down" – was wieder in Bezug auf das Cover ein Witz wäre) und Spaß an einer eigentlich stressigen Situation zu haben. Wusstest du, dass Bob Dylan 'It's All Over Now Baby Blue' als Tribut an Gene Vincent (und seinen Song 'Baby Blue') schrieb? Vielleicht ist dieser Song ja der Versuch, diese Tradition aufrecht zu erhalten?"

"Spaß im Studio" ist dabei ein schönes Stichwort: Das Album wurde zu einem Spottpreis innerhalb kürzester Zeit in Nick Salomans Studio in London eingespielt. Das ging sogar so weit, dass der Drummer gerade mal 10 Minuten Zeit hatte, sich die Cover-Versionen draufzuschaffen. "Nick auch", fügt Mary Lou hinzu und spricht damit die andere Cover-Version an: "Fearless", das sich auf Pink Flyods "Meddle" findet. "'Fearless' liebe ich schon seit Jahren. Ich habe das als Straßenmusikerin und akustisch Solo gespielt. Als ich es Nick vorschlug, stellte sich heraus, dass er es gar nicht kannte. Stell dir mal vor: Der König der Psychedelia hat aufgehört, sich nach Syd Barretts Abgang mit Pink Floyd zu beschäftigen. Als ich es ihm dann aber vorspielte mochte er es und ich denke, dass wir eine tolle Version eingespielt haben, die ein wenig rauher als das Original ist." Wie funktioniert denn ansonsten das Team Saloman / Lord? "Nick ist ungemein produktiv", verrät Mary Lou, "er ist einer der besten Songwriter, die es gibt. Ich wühle mich immer durch seine DATs mit unveröffentlichten Songs. Dieses Mal waren es ungefähr 50, von denen er dachte, dass sie nicht zu Bevis Frond passen. Wir sitzen dann immer zusammen, ich spiele ihm ein paar meiner Ideen vor und er hilft mir, die Songs zu Ende zu bringen. Er sagt immer, dass Songwriting so etwas sei, wie ein Auto zu bauen, und dass ich dazu tendiere, das Lenkrad auf dem Dach zu befestigen und die Türen falsch herum einzubauen. Er hilft mir dann bloß dabei, es richtig zu machen. 'Ron' und '43' schrieb er z.B. im Studio, als ich gerade Vokal-Tracks (zu anderen Songs) einspielte. Als ich ihn fragte, was er da mache, sagte er, dass er gerade neue Songs geschrieben habe. Somit war ich quasi seine Muse, glaube ich." Was wurde eigentlich aus dem Plan, für das neue Album mehr eigene Songs zu schreiben? "Also ich habe ja noch nie an die These geglaubt, dass, nur weil ich etwas geschrieben habe, es auch gut ist", meint Mary Lou bescheiden, "ich habe tatsächlich einige weitere Songs für das neue Album geschrieben und aufgenommen. Am Ende war ich aber der Meinung, dass diese nicht so gut waren wie die anderen. Ich bevorzuge es, das bestmögliche Album zu machen. Mittlerweile habe ich auch den Umstand akzeptiert, dass mir das Song-Schreiben keinen Spaß macht und daß ich stattdessen lieber einen verborgenen Schatz ausgrabe, den Nick auf einer DAT unter seinem Bett versteckt. Vielleicht poliere ich ja noch an meinen eigenen Songs herum – wer weiß. Ich habe z.B. ein Stück namens 'Cold Company' geschrieben, über das mein Ehemann aber so wütend war, dass ich ihn von der Scheibe nahm..." Und was mag die Schatzgräberin Mary Lou an diesem Prozess des Buddelns besonders? "Die Texte und die Melodie von Stücken zu entdecken", erklärt sie, "ich mag es die Message so simpel wie möglich rüberzubringen. Es gibt nichts Schöneres, als einen Song zu entdecken, den die Welt nie hören würde, wenn ich ihn nicht singen würde. Und das Beste ist dann die Reaktion auf den Gesichtern der Leute zu sehen, wenn sie das verstehen und das gleiche Gefühl haben, wie ich, als ich den Song zum ersten Mal hörte."

Mary Lou Lord
Was uns zu der Frage bringt, was wir denn ungefähr auf der kommenden Tour erwarten können? "Nun, hoffentlich bekomme ich keinen mentalen Zusammenbruch wegen der ganzen Reiserei und dem Schlafentzug – denn ich habe gerade eine einen Monat lange US-Tour absolviert", überlegt Mary Lou, "es kann also sein, dass ihr mich auf der Bühne schlafen seht oder ich anfange mit mir selber zu reden. Das ist aber bitte nur ein Scherz jetzt! Was ihr erwarten dürft, ist eine Straßenmusikantin, die drinnen spielt. Vielleicht weiß ja der eine oder andere sogar wer ich bin und fragt nach irgendwelchen Songs - dann fühle ich mich nämlich immer gleich zu Hause." Was ist denn das Lustigste, das Mary Lou auf der US-Tour passiert ist? "Nun, ich war mit meinen Labelmates, der Band Gingersol unterwegs. Die waren toll und nett und haben mein neurotisches Selbst perfekt akzeptiert. Allerdings haben sie noch nicht besonders viel getourt und waren deshalb immer sauer, wenn ich morgens nicht fertig war und lamentierten immer rum, dass wir zu spät kommen würden uns so. Ich mache das ja schon eine ganze Zeit und kenne das Spiel: Wenn es heißt, dass wir um 17 Uhr da sein sollen, heißt das, dass der Sound-Mensch vor 18 Uhr nicht da ist - also brauchst du vorher auch nicht da zu sein. Die wollten aber nicht auf mich hören und fuhren immer unsinnig früh los – nur um dann zwei Stunden bevor irgendjemand vom Club da war anzukommen und vor verschlossenen Türen zu stehen. Ich habe mir dann immer ins Fäustchen gelacht und gemeint: 'Ich hab's ja gleich gesagt...'" Was steht denn für Mary Lou nach der Tour an? "Eine Pause", meint sie wie aus der Pistole geschossen, "ich fühle mich, als sei ich seit Ewigkeiten auf Tour gewesen und will ein wenig Zeit mit meiner Familie. Aber all dies hat mich auch motiviert und hoffentlich wird es nicht wieder sechs Jahre dauern, bis ich eine neue Scheibe aufnehme." Warum hat es mit "Baby Blue" denn eigentlich so lange gedauert? "Hmm - nun die Scheibe aufzunehmen war eine Sache von ein paar Wochen. Es war bloß ein langer Weg dahin. Wie du vielleicht weißt, schlage ich mich mit einer Stimm-Erkrankung herum. Sie heißt Dysphonische Spasmodie und es bedeutet im Wesentlichen, dass deine Stimmbänder sich zusammenziehen und deine Stimme dann aussetzt. Linda Thompson hat das auch. Das Einzige was hilft, sind Botox-Injektionen in die Stimmbänder. Seltsamerweise ist das beim Sprechen schlimmer als beim Singen. Aber trotzdem musste ich das Singen quasi erst wieder erlernen. Und das hat verhindert, dass ich Plattenaufnahmen machen konnte. Und dann bin ich ja auch noch eine Mutter (mit einer fünfjährigen Tochter) und es ist nicht einfach, Zeit für Aufnahmen zu finden." Nun, zum Glück hat es ja jetzt ein Mal geklappt. Freuen wir uns also auf die Schätze, die Mary Lou Lord für uns ausgegraben hat...
Weitere Infos:
www.maryloulord.com
www.mayloulord.yi.org
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Pressefreigabe-
Mary Lou Lord
Aktueller Tonträger:
Baby Blue
(Loose/Soulfood)
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