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Interview-Archiv

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THE MAGNETIC FIELDS
 
Instrumentalmusik mit Texten
The Magnetic Fields
Stets etwas verschroben, aber nicht selten durch und durch genial - so lässt sich auch das neue Album des New Yorker Quartetts The Magnetic Fields mit dem unbestrittenen Mastermind Stephin Merritt beschreiben. Auf "i" - das Album heißt so, weil alle 14 Songtitel mit genau diesem Buchstaben beginnen! - stellt Merritt einmal mehr seine außergewöhnlichen Fähigkeiten als Verfasser hittauglicher Melodien und scharfsinniger Beobachter zwischenmenschlicher Beziehungen unter Beweis, die spätestens seit dem großartigen "69 Love Songs"-Boxset natürlich kein Geheimnis mehr sind.
Obwohl sich auf dem neuen Album natürlich wesentlich weniger Songs wiederfinden als auf dem vor fünf Jahren veröffentlichten 3-CD-Vorgänger, bedeutet dies nicht, dass die Stilvielfalt darunter gelitten hätte. So findet sich auf "i" neben einem skurrilen Menuett, bei dem die Ukulele (!) den Ton angibt ("I Die"), ein 1A-Synthi-Popsong ("I Thought You Were My Boyfriend"), und bei "I Don't Believe You", dem vielleicht besten Song, erinnert der gekonnte Einsatz von Streichern und Schlagzeug stark an die Frühwerke der Bee Gees. "Vielen Dank!", sagt Merritt, als er beim Interviewstopp in Hamburg mit Gaesteliste.de spricht. "Ich denke, dass die Bee Gees eher eine unterbewusste Inspiration für mich sind, aber ich mag ihre frühen Alben sehr. Die frühen Bee-Gees-Platten mit Schlagzeug folgten denen, auf denen sie noch kein Schlagwerk verwendet haben, und das hat sie wohl besonders für den Einsatz von Schlagzeug sensibilisiert, und das trifft auch auf mich zu." Das erklärt diesen einen Song, nicht aber, warum Merritt auch sonst munter von einem Genre zum nächsten springt. "Ich versuche einfach, mich so vielen verschiedenen Stilen wie möglich zu widmen", erklärt er und fügt süffisant an: "Im besten Fall versage ich und erfinde dabei neue Genres!"

Anders als bei "69 Love Songs" ist auf "i" nur die Kernbesetzung der Band zu hören. Paradoxerweise sind die Arrangements dennoch dieses Mal üppiger geraten. "Alle Arrangements für das neue Album wurden schriftlich niedergelegt. Bei '69 Love Songs' war das nur bei der Hälfte der Stücke der Fall, deshalb klingen wohl die neuen etwas geplanter. Und es stimmt, es spielen nur vier Leute auf der neuen Platte. Das war eine der ersten Beschränkungen, die wir uns auferlegt hatten. Das Cello spielt Sam Davol, Banjo und Gitarre kommen von John Woo und Claudia Gonson spielt Piano, Drums und das Cembalo auf 'In An Operetta'." Der Schwenk zu ausgearbeiteten Arrangements ist nicht zuletzt deshalb sehr interessant, weil uns Merritt bei unserem letzten Treffen noch gestand, dass es ihm bei "69 Love Songs" sogar ganz recht gewesen sei, dass die große Anzahl von Songs eine ausgefeilte Produktion aller Stücke verhindert habe. "'69 Love Songs' musste auf diese Art und Weise entstehen", ist sich Merrit sicher. "Der Fokus lag dabei ganz klar auf den Songs, insbesondere den Texten. Die unzureichende Produktion sollte noch mehr Gewicht auf die Songs legen. Bei der neuen Platte war das nicht nötig, weil es ja nur 14 Stücke gibt. Mir war es wichtig, auch diejenigen Leute anzusprechen, die sich nicht die Zeit nehmen können, auf die Texte zu achten. Mein Ziel war es also, Instrumentalmusik zu machen, bei der erst später der Gesang hinzugefügt wird."

Zum einen ist dieses Umdenken der Tatsache zu verdanken, dass die Magnetic Fields inzwischen auch ein Publikum ansprechen, das sich nicht mehr nur aus "native speakers" zusammensetzt, allerdings muss sich Merritt nur in seiner eigenen Band umschauen, um auf Leute zu treffen, denen die Musik wichtiger ist als die Inhalte. "Claudia zum Beispiel hört auch nicht auf die Texte. Das Witzige ist, dass ich umgeben bin von Menschen, die mir sagen: 'Wow, du bist so ein großartiger Texter', obwohl sie überhaupt keinen Schimmer davon haben, weil sie gar nicht auf die Texte achten", erzählt Merritt lachend. "Ich denke, sie haben bloß irgendwo gehört, dass ich ein guter Texter sein soll!" Das bringt uns zu der Frage, ob Merritt denn all die Lobeshymnen liest, die vor allem in den letzten Jahren weltweit in den Medien aufgetaucht sind? "Ich hatte auch schlechte Reviews. Die allererste Kritik zu '69 Love Songs' war ziemlich ernüchternd. Dort hielt man mir vor, dass zu viele Filler auf der Platte seien. Vor allem, weil eine Reihe Countrysongs darauf wären und die sowieso immer nur Filler seien. Als besonders abschreckendes Beispiel wurde 'Papa Was A Rodeo' hervorgehoben, was inzwischen mit Abstand unser populärster Song ist! Das hat mir sehr früh gezeigt, dass ich Reviews nicht ganz so ernst nehmen sollte."

The Magnetic Fields
Aber nicht nur in puncto Medien hält sich Merritt von den üblichen Spielchen der Plattenindustrie fern. Richtig ist, dass das neue Album nicht mehr auf Merge, sondern auf dem etwas größeren Nonesuch-Label erscheint. Doch während viele andere Bands das Label wechseln, um auf ein komfortableres Budget bei den Aufnahmen zurückgreifen zu können, lässt Merritt dieses Argument für die Magnetic Fields nicht gelten. "Ehrlich gesagt habe ich für die Aufnahmen zu '69 Love Songs' wesentlich mehr Geld ausgegeben als für die neue Platte. Schließlich konnte ich damals ein ganzes Jahr lang nichts anderes machen, und außerdem sind die Mengen von Tapes, die ich für '69 Love Songs' benötigt habe, ganz schön zu Buche geschlagen! Richtig allerdings ist, dass ich für das letzte Album weniger Geld bekommen habe als für das neue! Ich denke auch nicht, dass die neue Platte kostspieliger klingt als die vorige. Schließlich haben wir kaum Reverb benutzt und heute kann man für gewöhnlich an der Menge des eingesetzten Reverb erkennen, wie teuer eine Platte war. Die Idee dazu hatte ich, weil die Platte, die zu 'i' wurde, eigentlich eine Soft-Rock-Platte im Stile der Carpenters oder Roberta Flacks werden sollte. Von Roberta Flack hab ich die 'No-Reverb'-Herangehensweise übernommen. Sie hat zu einer Zeit aufgenommen, als man davon überzeugt war, dass Reverb den damals vorherrschenden High-Fidelity-Ansprüchen im Weg stehen würde. Außerdem war in der Zeit nach dem Weißen Album der Beatles gerade eine Anti-Produktion schwer angesagt. Deshalb suchten Musiker wie Roberta Flack, Stevie Wonder oder die Carpenters nach einem besonders natürlichen Sound. Der ist allerdings ein reines Phantasieprodukt, aber man wollte den Hörern damals das Gefühl geben, sie seien mit im Tonstudio. Dabei klingt ein richtiges Studio natürlich ganz anders. Ungefähr so wie das, was die Leute lo-fi nennen."

Während Merritt - der bekanntlich neben den Magnetic Fields auch noch bei The 6ths, Future Bible Heroes, den Gothic Archies und solo als Soundtrackkomponist tätig ist - bei früheren Alben oft auf Überbleibsel vergangener Sessions zurückgreifen konnte, musste er nach dem Mammutwerk der "69 Love Songs" dieses Mal ganz von vorne anfangen. Fast jedenfalls. "'I Don't Believe You' ist schon vor '69 Love Songs' als Single veröffentlicht worden. Ich weiß gar nicht mehr, warum der Song nicht auf dem Album war. Für gewöhnlich schreibe ich Songs mit einem bestimmten Album im Hinterkopf. Ganz einfach deshalb, weil ich eigentlich immer an einer neuen Platte arbeite. Im Moment ist das anders. Die Songs, die ich derzeit schreibe, passen auf verschiedene Alben, über die ich derzeit nachdenke. Vermutlich wird meine nächste Veröffentlichung ein Soundtrack-Album mit The 6ths. Meist ist es aber so, dass ich zuerst das große Bild im Blick habe und dann erst die Details." Platten kauft Merritt übrigens heute nur noch sporadisch. Dafür hat er sich zu einem echten Sammler von Musical-DVDs entwickelt. "Ich kaufe sie dem Alphabet nach, und derzeit bin ich bei 'g'. Ich freue mich schon auf den Monat, in dem das 'x' dran ist. Dann werde ich nur 'Xanadu' bestellen", sagt Merritt und muss lachen. Als Inspirationsquelle für neue Songs dienen ihm die Musicals allerdings nur bedingt. "Die Sache ist die: Die Musik ist mein Beruf, aber sie ist auch mein Hobby. Die Grenzen dazwischen sind fließend. Es ist für mich schwer zu sagen, wann ich arbeite und wann nicht. Letzten Endes ist es das Gleiche!"

Weitere Infos:
www.houseoftomorrow.com
Interview: -Simon Mahler-
Fotos: -Pressefreigabe-
The Magnetic Fields
Aktueller Tonträger:
i
(Nonesuch Records/WEA)

 
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