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DIE STERNE
 
Die gut geflockte Aussage
Die Sterne
Seit immerhin zwölf Jahren gibt es jetzt bereits Die Sterne aus Hamburg. Eigentlich, so heißt es in der Bio, müsste die neue Scheibe, "Das Weltall ist zu weit", ja so etwas wie ein Alterswerk sein. Frank Spilker meint mit verzogenem Gesicht, dass sie ja gerade mal Mitte 30 seinen und Christoph Leich weist auf das "eigentlich" in der besagten Passage hin. Womit eindeutig geklärt sein dürfte, dass dies KEIN Alterswerk ist. Es hört sich auch gar nicht so an. Ging es auf der letzten Studio-Scheibe, "Irres Licht", noch darum, die Freude am Rock'n'Roll wiederzuerwecken, gibt es jetzt auch wieder Botschaften unters Volk zu bringen.
Aufgenommen wurde die Scheibe in Eigenregie im heimischen Keller-Studio. "Das mit dem Keller ist ein Gerücht. Das Studio befindet sich im zweiten Stock und jetzt sind wir in den sechsten umgezogen - es waren also immer lichtere Räume", korrigiert Frank - und deutet damit quasi an, dass das Album auch irgendwo licht klingt. "Wir haben die Scheibe aber alleine aufgenommen - nur mit einem Mischpult, ein paar Computern, Mikros und dem bisschen Erfahrung, die wir ja nach zehn Platten mittlerweile haben." Und mit welchem Hintergedanken? "Wir haben einfach nur Demos gemacht", erzählt Frank, "damals noch für die Virgin [die neue Scheibe erscheint bei V2] und als dann die Live-Platte zwischendurch rauskam und deutlich wurde, dass die Scheibe nicht bei Virgin erscheinen würde, haben wir uns gedacht, dass wir das eigentlich auch alles selber machen könnten, weil uns auch selber überzeugt hatte, was da entstand. Das Konzept war ziemlich schnell klar: Es gab den Vorsatz eine Agitpop-Platte mit einer deutlichen Sprache zu machen und dazu passte auch ein wenig rauherer Sound." Eine Agitpop-Platte mit deutlichen Texten – das hat es ja schon lange nicht mehr gegeben. "Ja, aber uns war das sehr schnell klar", erinnert sich Christoph, "eigentlich noch bevor wir die Aufnahmen begannen. Wir haben uns halt überlegt, wie es inhaltlich weitergehen könnte." "Der erste Song, den wir aufnahmen war 'Wir / Ihr' - das letzte Stück auf der Scheibe", ergänzt Frank, "wir haben dann eine Scheibe gemacht, die darauf hinausläuft. Eben hat mich einer deiner Kollegen übrigens darauf aufmerksam gemacht, dass 'Was ist hier los' - der Titel des Openers – ja eigentlich die Übersetzung von 'What's Going On' von Marvin Gaye sei. Das ist ja kein neues Genre, sondern es kommt irgendwoher. Es gibt also einen Bogen zwischen diesen beiden Stücken und macht Sinn." Die Sterne singen auf der neuen Platte recht häufig in der 'Wir'-Form (anstatt etwa aus der Erste-Person-Perspektive). Sind Die Sterne jetzt ein Sprachrohr für das deutsche Volk? "Das ist eine inhaltliche Geschichte", erklärt Frank, "es geht um die Frage: Wie komm man vom 'Ich' zum 'Wir'? Wodurch wird es ausgelöst? Die Antwort heißt immer: Durch Druck. Indem ich mich wehren muss, gibt es ein 'Wir'-Gefühl. Es geht um Kämpfe und den Zwang Kräfte zu bündeln. Das steckt in vielen Songs drin." Das Ganze hat aber auch etwas lamentöses, wenn man das so sagen darf, oder? Zumindest in dem Sinne, dass die Mehrzahl der Leute erst mal klagt, anstatt etwas zu tun. "Die machen ja auch keine Platten", schmunzelt Frank, "na ja, das darfst du sagen. Aber ich sehe es nicht so. Es gibt ja auch dieses Gruppen- oder Banden-Bilden. Du musst es tun, wenn du dich gegen oder für etwas engagieren willst. Vielleicht liegt es mir etwas näher, das 'Gegen' zu beschreiben als irgendeine Utopie auszumalen. Ich wüsste auch nicht, wie das ohne kitschige Bilder gehen sollte. Da ist es erst mal leichter, ein Feindbild zu beschreiben." Und man braucht sich nachher auch nicht zu rechtfertigen, wenn die Utopie sich nicht verwirklicht, nicht wahr? "Das sehe ich anders", wirft Christoph ein, "bei Ton Steine Scherben finde ich das auch nicht schlimm." - "Ich finde auch nicht, dass man einfordern kann, dass etwas passiert", ergänzt Frank, "man kann immer nur versuchen, ein Katalysator zu sein – und vielleicht versuchen, die Stimmung zu treffen, die gerade herrscht und etwas zu teilen. Ob die Scheibe jetzt genau richtig kommt, wird sich zeigen. Das kann ja auch völlig scheitern." Wie wurde das Album denn musikalisch konzipiert? Christoph war ja anlässlich der letzten Scheibe, "Irres Licht", ja noch ganz stolz darauf, dass man zum Rock'n'Roll zurückgefunden hatte. "Also bei diesem Album war das schon eine andere Herangehensweise", erklärt er, "es ging ja fast schon darum, Augenblicke einzufangen. Wir haben auch bei Sachen, die wir mehrmals aufgenommen haben, dann die erste Version genommen, wo nur drei Mikros herumgestanden haben – weil sie besser geflockt hat. Worauf ich bei dieser Platte stolz wäre, ist dass sie sehr gebündelt ist, dass Texte und Musik sehr dicht beieinander sind."
Die Sterne
Was ist denn die Funktion des Stückes "Wir rühren uns nicht vom Fleck" – das abwechslungsweise von der Crème der Szene gesungen wird (von Tomte Thees über Fettes Brot und Guz bis zu Helden Judith)? "Die sind alle zu uns gekommen", meint Frank beiläufig, "es gab mehrere Motivationen dafür, das Stück so aufzubauen. Ich finde, dass das Stück so leichter verständlich ist. Vielleicht als Demo- oder Sitzblockaden-Stück. Ich fand auch, dass es angesichts der Tatsache, dass wir so viel alleine gemacht haben, wichtig war, an dieser Stelle so viele Leute wie möglich mit einzubeziehen, um zu zeigen, dass das Ganze nicht allzu klaustrophobisch ist. Ich wollte es nicht so einsiedlermäßig machen." Und warum singen dann nicht alle zusammen? "So weit geht's dann doch nicht", schmunzelt Frank, "das würde ich dann auch als Kitsch empfinden." Gibt es denn überhaupt noch dieses Szene-Gefühl, in dem man sich gegenseitig beobachtet und inspiriert? "Ja, klar", meint Frank, "als wir dieses Projekt gestartet haben, war das schon vor dem Hintergrund, zu beobachten, was die anderen zur Zeit machen. Es ist ja wichtig, dass es eine Szene gibt – was nicht heißt, dass man unbedingt zusammenarbeiten muss. Aber das zumindest – auch bei den jungen Bands – das Gefühl besteht, dass man sich nicht untereinander bekämpfen muss, sondern sich durchaus auch gegenseitig befruchten kann. Das haben die schon gut gelernt. Im Grunde genommen verhält sich ja Grand Hotel Van Cleef nicht anders als L'Age d'Or oder What's So Funny About früher. Was uns aber auffiel ist, dass eine Stimme, die etwas deutlich macht, zurzeit fehlt. Es gibt da zwar auch einen Ansatz von Kritik, die Kritik ist aber meistens harmlos." Die aktuelle Single der Sterne - "In diesem Sinn" - erinnert ja mit den polternden Bläsersätzen ganz schön an Dexy's Midnight Runners. "Uns auch", räumt Frank ein, "das war dann auch eine bewusste Entscheidung es so zu machen, weil es eine Referenz ist, die auch inhaltlich funktioniert, weil die Dexy's auch eine Agitpop Band waren. Es ist für uns eine einmalige Sache, weil die Sache mit den Bläsern ansonsten in Hamburg mit Superpunk schon ganz gut besetzt ist; was ich aber gut finde, da ich Superpunk auch sehr mag." Es gibt auf der Scheibe ansonsten ziemlich viele Stücke, die relativ einfach aufgebaut sind – viele sogar einfach auf einem Riff oder einem Groove. "Dieses 'keep it simple' hat schon etwas mit dem Songwriting zu tun", erläutert Frank, "ich weiß, dass wir früher in Arrangements mehr reingegangen sind – gerade dann, wenn es straight wurde. Vielleicht sind wir jetzt einfach ein bisschen nachsichtiger." - "Eine Vorgabe war das aber nicht", ergänzt Christoph, "es war einfach so, dass die Platte sehr greifbar werden sollte und nicht ein abstraktes Werk." Und was hat es mit dem Track "Kaltfront" auf sich – ein Begriff, der hier merkwürdigerweise positiv besetzt ist? "Musikalisch zitiert das ein wenig bei Wires 'Dot / Dash'. Es ist textlich auch für mich eine Reminiszenz an den Punk. Beim Punk war die Umdeutung von Begriffen wichtig. Was die Hippies gut fanden, fanden die Punks Scheiße. 'Kaltfront' ist also – wie 'Zurück zum Beton' – ein typischer Punkbegriff. In dem Sinn ist das zu verstehen." Und "Hau drauf"? "Das kommt von 'Hit it & krit it' von Parliament", gibt Frank zu, "nicht im Sinne eines Zitats, sondern einer Inspiration. Es war für mich eigentlich ein Spaß und die Idee, mit Tabus zu spielen. Inhaltlich ist es ja eigentlich ein gefährlicher Text. Es geht darum zu betonen, dass das Ganze nicht nur gemacht wurde, um Platten zu verkaufen oder ästhetisch schön zu sein, sondern dass wir auch eine Kraft sein wollen – oder besser Teil einer Kraft, einer Jugendbewegung und das man mit dieser Kraft etwas ändern will." Wie wird es denn mit den Sternen weiter gehen? "Das ist eine gemeine Frage", meint Christoph, "wir haben doch gerade erst diese Scheibe fertig gestellt." - "Ich glaube zwar nicht, dass es stilistisch in der Richtung weitergehen wird", meint Frank, "aber ich denke, es war eine gute Erfahrung, ein klares Ziel zu haben, dass vermittelbar und kommunizierbar ist. Und ich glaube, es wird zumindest noch ein Sterne-Album geben – vielleicht nicht einmal das nächste - das mit einem klaren Konzept daherkommt. Vielleicht liegt es ja am Lebensalter der Band, dass wir mittlerweile genug aneinander herumgezerrt haben, um jetzt eine klare Botschaft zu haben."
Weitere Infos:
www.diesterne.de
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Pressefreigaben-
Die Sterne
Aktueller Tonträger:
Das Weltall ist zu weit
(V2/Rough Trade)

 
 

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