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GIANT SAND
 
Gordon Lightfoot rettet den Tag
Giant Sand
Noch anlässlich der letzten Giant Sand-Scheibe, dem Covers Album, war sich Howe Gelb ziemlich sicher, dass es Giant Sand hinkünftig nicht mehr geben würde. Denn damals betrachtete er John Convertino und Joey Burns noch als integralen Bestandteil - und die beiden hatten halt nun mal aufgrund des Erfolges mit Calexico keine Zeit mehr für die Mutterband. Dann tourte Howe anlässlich seiner letzten Solo-"The Listener"-CD mit einer dänischen Band (er lebte damals gerade ebendort) und der Sängerin Marie Frank. Dieses klappte dann so gut, dass er beschloss, mit diesen Musikern unter dem Namen Giant Sand weiterzumachen. Oder?
"Nun, es erschien mir damals so, dass Giant Sand ohne John und Joey nicht bestehen könnten", erklärt Howe zögerlich, "als ich dann mit den Musikern aus Dänemark tourte, realisierte ich, dass das Zusammenspiel mit den Musikern das war, was Giant Sand einmal ausgemacht hat. Es war einfach alles da: Es machte Spaß mit den Jungs zu spielen und mit denen rumzuhängen, sie waren verfügbar und hatten die Spontaneität, die man braucht, wenn man etwas zusammen aufnehmen möchte. Ich stellte dann fest, dass mir die neuen Songs sozusagen von selbst zuflogen - und das ist ein gutes Zeichen. Denn am Ende war es so, dass meine Songs John und Joey nicht mehr vertraut haben." Auf der neuen Scheibe spielt ja auch John Parrish mit. Was war denn dessen Aufgabe? "Nun, John spielt Drums auf der neuen Scheibe - aber auch der dänische Perkussionist Peter. Wir können uns gar nicht mehr dran erinnern, wer was gemacht hat", erzählt Howe. Aber John produzierte die Scheibe doch auch? "Ja, aber ich möchte gar nicht wissen, was er da genau gemacht hat", seufzt Howe, "wenn ich nämlich genau wüsste, was er gemacht hat, dann bräuchte ich ihn gar nicht. Ich bin immer so beschäftigt mit dem, was ich tue, wenn ich eine Scheibe aufnehme, dass er irgendwann das Steuer übernahm. Was ich an Produzenten immer hasse, ist der Umstand, dass man denen immer alles erklären muss. Das ist bei John nicht so. Wenn ich z.B. irgendetwas in einem Song höre, wovon ich denke, dass es gut ist, ist John auch schon dabei, dieses zu betonen. Zum Beispiel ein Piano-Lick, der eigentlich für einen anderen Part besser gewesen wäre - wozu aber z.B. während der Aufnahmen keine Zeit war. In der fertigen Version hat es John dann genau an diese Stelle gebracht. Dinge wie diese sind sehr hilfreich. Und dann hat er einen ganz eigenen Mixing-Stil. Wenn du abmischst, hast du ja diese zehntausend Möglichkeiten. John weiß immer sofort ganz genau, wie etwas abgemischt werden muss." Das heißt, Howe ist selber nicht so sehr daran interessiert zu produzieren? "Ich denke, das werde ich in Zukunft mehr machen", räumt er ein, "ich bin es nämlich langsam satt, so viel zu touren. Ich kann mir nicht vorstellen, im meinen 50ern noch so viel herumzureisen. Ich muss mir also Sachen aussuchen, mit denen ich überleben kann. Ich bin nämlich kein Millionär, sondern bloß ein Tausendillionär und kann mich nicht auf meinen Lorbeeren ausruhen. Das Produzieren ist definitiv eine Option. Kürzlich habe ich diese Band aus Kopenhagen namens Mitsi Mitsi Mau produziert, die sind richtig gut. Doch, ich denke, ich bin bereit dafür."

Als Howe begann, mit den neuen Musikern aufzunehmen: Was war denn der Unterschied im Vergleich zu der letzten Giant Sand-Inkarnation? "Nun, es fühlte sich an, wie damals, als John und Joey zum ersten Mal mit mir spielten. Aber du musst ja bedenken, dass es vor Joey und John eine ganze Dekade Giant Sand ohne sie gab - z.B. zu Giant Sandworms Zeiten. Das ist jetzt bereits die dritte Giant Sand-Dekade! Übrigens habe ich gerade diese beiden Drummer aus Kanada entdeckt. Die sind wirklich toll. Ich habe mit denen bereits die nächste Scheibe fertig eingespielt. Es ist eine CD mit alten und neuen Stücken und einem Gospel-Chor. Das wird aber vermutlich eine Solo-Scheibe. Aber zurück zur neuen Band: Das fühlt sich jetzt auch richtig wie ein Band-Projekt an. Das hängt auch damit zusammen, dass ich mich ein paar Monate im Jahr in Dänemark aufhalte. Jeder Musiker, der seinen Beitrag leistet, tut das auf eine belebende Art, die irgendwie auch inspirierend wirkt. Das ist wie Kerosin. Man fühlt, dass etwas passiert. Es erschien mir wichtig, Giant Sand entgegen der öffentlichen Wahrnehmung wieder als Band zu etablieren. Es schien ja so, dass John und Joey dazugehörten - mehr noch John. In den frühen 90ern war das sicher auch so. Aber Mitte der 90er - ungefähr nach 'Glum' - begann die Sache schwierig zu werden. Ich konnte den Jungs damals keine Vollbeschäftigung bieten. Wir waren damals zwischen Labels. So begann Joey andere Projekte zu verfolgen. Es war dann wohl so, dass Joey nicht mehr so unbedingt ein Teil von Giant Sand als ein Teil von irgendwas sein wollte. Er hat Giant Sand dann nicht mehr so als seine Band betrachtet. Das war alles kein Problem, bis zu dem Zeitpunkt, als es Giant Sand schadete. Zum Beispiel, wenn es darum ging, die Zeit zwischen den Projekten aufzuteilen. Das ging dann soweit, dass man vom Label subtile Anstregnungen unternahm, alles, was mit Giant Sand zu tun hatte, zu eliminieren. Die bekamen z.B. Anweisungen, unsere Scheibe nicht herauszubringen. Und es war kaum noch möglich, mit Joey und John zu spielen. Wir haben uns da irgendwie auch selbst belogen. Sie wollten ja irgendwie, aber Joey hatte so einen großen Hunger auch andere Dinge zu machen, dass es einfach nicht mehr klappte. 'Chore Of Enchantment' stammt ja bereits aus 1997. Ich hatte die Scheibe Labels angeboten und die hatten Anweisungen, sie nicht herauszubringen, weil City Slang Calexico unter Vertrag hatten. Da wurde mir dann klar, dass Giant Sand und Calexixo in dieser Weise nicht weiter zusammen existieren konnten. 'Cover Magazine' war ja auf eine gewisse Art eine entspannte Art, 'Auf Wiedersehen' zu sagen. Dabei wollte ich eigentlich gar kein Cover-Album machen. Aber meine Songs fühlten sich einfach nicht richtig an, weil ich nie wusste, wo Joeys Herzblut dran hing."

Nun, damals meinte Howe aber eigentlich ja noch, dass alles in Ordnung war, oder? "Nun ja, damals dachte ich zunächst, das sei alles nur in meinem Kopf", erläutert Howe, "als ich mich einen Schritt zurücknahm und mir die Sache aus der Entfernung anschaute, realisierte ich erst, wie es wirklich war. Noch eine Anekdote: Wir hatten dieses Benefiz-Konzert für Alejandro Escovedo gebucht. Joey und John konnten nicht mitmachen, weil es eine kurzfristige Angelegenheit war - sie hatten mir aber nicht von ihren Verpflichtungen erzählt. Das war früher nie so gewesen. Wir waren immer füreinander da. Sachen wie diese nahmen Überhand. Das ging dann so weit, dass mir während der Shows, die wir noch zusammen spielten, das Gefühl hatte, dass mir die Sache entglitt. Ich konnte quasi hören, dass Joey nicht ganz dabei war. Und das war Anfang der 90er ganz anders gewesen. Ich bin mir gar nicht klar darüber, ob ihm das selbst so bewusst ist, weil es eine ganze Weile dauerte, bis mir das klar wurde." Okay - Schwamm drüber. Was ist es denn nun, dass das Zusammenspiel mit den neuen Musikern so spannend macht. Ist es ein anderer Sound? "Nun, ich bin ja der Meinung, dass es auch mit John und Joey am Ende anders klang", weicht Howe aus, "es hört sich heute so an, wie Anfangs mit Joey und John. Es ist ja eine Evolution: Jeder trägt zum gemeinsamen Sound bei und am Ende kommt etwas dabei heraus." Und wie sieht's mit dem technischen Aspekt aus? Betrachtet man nämlich Howes Zusammenspiel mit den neuen Musikern, so fällt doch auf, dass da noch nicht dieses blinde "aufeinander eingehen" anzutreffen ist, das die Giant Sand-Shows gemeinhin auszeichnet. Die neuen Musiker haben doch wohl noch Schwierigkeiten, auf Howes impulsive Art einzugehen, oder? "Ja, ja, ja, das ist etwas, was ich noch vemisse", pflichtet Howe bei, "nun muss man allerdings sagen, dass das mit John und Joey Anfangs auch nicht so war. Es machte die Sache aber natürlich leichter, als es funktionierte. Die neuen Jungs sind da noch nicht angelangt. Aber ich bringe es ihnen bei. Es ist wie ein Neuanfang. Für die ist es natürlich etwas Faszinierendes so zu arbeiten. Für mich ist es spannend, weil sie einen anderen Ansatz haben. Es sind ein paar Stücke auf der neuen Scheibe, die wir einfach live eingespielt haben, und wo du den Band-Sound auch hören kannst." Sind das die Rock-Songs? Auf der neuen Scheibe sind einige ziemlich laute Stücke drauf - u.a. eine Cover-Version von "Anarchy In The UK". "Das war meine Tochter. Sie lief im Haus herum und sang das vor sich hin. Ich habe sie dann gebeten, in meinen Mini-Disc Recorder zu singen und wir haben das dann verwendet", erzählt Howe, "das mit den Rock-Songs kannst du George Bush anlasten. Vielleicht ist es dir schon mal aufgefallen, aber immer wenn Republikaner an der Macht sind, gibt es die beste Rock'n'Roll Musik. Das ist ein Ying / Yang Ding. Die Leute sind so desillusioniert mit dem Mist, den uns die Republikaner bieten, dass das Zeug, das wir ihnen zurückgeben, besonders laut und verzerrt ist. Das war bei Nixon so, wie auch bei Reagan und erst recht bei Bush." Ebenso ungewöhnlich, wie die rockigen Stücke ist der Umstand, dass auf dieser Scheibe die vollständigen Songs zugunsten der sonst üblichen Fragmente überwiegen. Diese Scheibe hört sich eigentlich nicht mehr an, als zappe man sich wahllos durch ein Radioprogramm. "Obwohl ich eigentlich so was mag", lächelt Howe. "Ich habe ja noch diese Tour-CDs, auf denen diese Fragmente ja noch drauf sind. Ich möchte diese nämlich auch haben. Es ist alles im Angebot. Ich will einfach das Zeug abliefern, das gut für dich ist."
Giant Sand
Was hat denn der Titel der CD zu bedeuten? (Im Booklet ist eine Landkarte zu sehen, bei der die Anordnung der Himmelsrichtungen und der Städte durcheinandergeraten ist) "'All Over The Map' heißt soviel wie 'All Over The Place' - was bedeutet, dass etwas nicht besonders konsistent ist. Musikalisch z.B. ein Walzer mit einem Bluegrass-Einfluss oder so was." Ist es vielleicht auch eine Referenz auf das dauernde Touren? "Ja - und des weiteren ist es auch ein Hinweis darauf, wo die Songs entstanden sind. Einige sind in Deutschland, einige in Italien, einige in Frankreich entstanden. [Es gibt sogar einen Track, "Les Forcats Innocents" auf französisch]", erklärt Howe, "und es erklärt die Frage, die die Leute seit Jahren stellen: Ist Giant Sand vorbei (all over)? Die Antwort lautet: Ja, es ist 'all over' - aber 'all over the map'. Und dann ist mir noch was aufgefallen: Ich hatte da diese Fluglinienkarte in der Hand, die so aufgebaut ist, dass der Ausgangsflughafen - in dem Fall Kopenhagen - der Mittelpunkt der Welt ist, die dann darum herumgewölbt erscheint. Da wurde mir bewusst, wie irsinnig dieses Konzept ist, dass der Norden auf der Landkarte immer oben ist. Ich meine: Vom Weltall aus gesehen, macht das ja gewiss keinen Sinn. Und auch wenn du auf der Erde bist, ist Norden ja keineswegs oben. Deswegen habe ich mir mal einen Spaß gemacht, und diese Landkarte nach meinem Gusto zusammengeschustert." Ein Song, "Hood (View From A Heidelberg Hotel)", erwähnt eine Bruderschaft im Text. Welche Bruderschaft meint Howe hier? "Das war einer dieser Momente", erklärt Howe, "ich war auf diesem Hotelzimmer in Heidelberg und der Himmerl war verhangen und die Stimmung bedrückt und das war einer der Momente, in der ich die Zeit mit John und Joey vermisste. Die Bruderschaft ist also meine Freundschaft mit ihnen. Es kommen andere Bilder hinein - die Musik, die ich gerade hörte, die Beziehung zu den anderen, auf Tour zu sein. Es war ein beschissener Tag, aber am Ende des Tages erschien mir Gordon Lightfoot und ich wusste, dass alles gut wird." Hm. Gordon Lightfoot als Retter des Universums - das wäre vielleicht mal ein Konzept für Hollywood. Kein Howe-Interview darf aber ohne die Frage zu Ende gehen, was er denn des weiteren in der Pipeline hat. "Nun, da ist die Scheibe mit dem Gospel-Chor", verrät er, "die Hälfte sind neue Songs, dann gibt es ein paar sehr alte Giant Sand-Songs, die einfach mal einen Chor brauchten und einige Rainer Songs. Dann gibt's diese Tour-Only CD mit Fragmenten von Songs aus den letzten Jahren. Ich sammle diese Sachen. Ich male, wenn du weißt, was ich meine. Ich habe Haufen von Songs. So kam z.B. die Blacky Ranchette-Scheibe zustande. Dann gibt's diese neue Piano-Scheibe, 'Ogle Some Piano' - mit John und Joey - die ich kürzlich rausbrachte. Dazu gibt's eine CD mit Auszügen, Remixen und Videos von dieser Scheibe, 'The Listeners Coffee Companion'. Außerdem habe ich noch diese Scheibe, die ich mit meinen Freunden von Grandaddy und anderen aufgenommen habe, von der ich nun gar nicht mehr weiß, wie ich sie unterbringen soll. Hm. Ich glaube, ich habe zu viele CDs..." Man wundert sich ja eh, wie Howe diesbezüglich den Überblick behält. "Das ist einfach", grinst Howe verschmitzt, "ich habe diesen Archivar, Jim Blackwood, der alles für mich in Ordnung hält..."
Weitere Infos:
www.giantsand.com
www.sa-wa-ro.com/GiantSand.htm
www.thrilljockey.com/bandpage.html?artistnum=34
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Pressefreigaben-
Giant Sand
Aktueller Tonträger:
Is All Over...The Map
(Thrill Jockey/Rough Trade)
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