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HOT WATER MUSIC
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Blut und Pop
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Die neue Scheibe ist im Kasten und eigentlich könnten Hot Water Music durchaus zufrieden sein. Könnten. Denn "Chuck is totally fucked!" beschreibt Chris Wollard den Zustand seines Sängers und Kumpels Chuck Ragan. Zwar konnte der die Platte "The New What Next" noch komplett einsingen, doch einige Wochen später hatte er einen schweren Unfall. "Seine Hand ist derbe verletzt", sagt Wollard im Gespräch mit Gaesteliste.de. "Es ist schwer zu erklären, aber er war mit seiner Freundin am Strand, saß in so einem Strandstuhl und hatte neben sich ein Glas Wein stehen. Als er dann aufstehen und sich abstützen wollte, war dieses Glas im Weg und er hat es sich in die Hand gebohrt. Kurz gesagt, es hat geblutet wie Sau. Die Wunde ist inzwischen verheilt, aber das Gefühl ist noch nicht wieder da, er kann noch keine Faust machen. Er muss jetzt eine Therapie machen, Geduld haben und sich Zeit geben. Eine blöde Sache, wirklich. Wir hoffen, dass er irgendwann wieder Gitarre spielen kann." Ob es Chuck bis zur US-Tour schaffen wird, ist noch ungewiss, daher lernt Lawrence von den Mighty Mighty Bosstones gerade die HWM-Tracks, um auf der Bühne Chucks Gitarren-Parts zu übernehmen. "Und im schlimmsten Fall müssen wir uns nach einem neuen festen Gitarristen umsehen und Chuck singt nur noch. Aber natürlich hoffen wir, dass er wieder 100-prozentig gesund wird."
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Themawechsel. Wenden wir uns den schöneren Dingen zu. Die neue HWM-Platte "The New What Next" steht in den Läden. Aufgenommen wurde sie schon wie die beiden Vorgänger "A Flight And A Crash" und "Caution" mit Brian McTernan. "Wir sind gute Freunde und alles war sehr entspannt, wir hatten Spaß und es war niemals Arbeit für uns. Es dürfte das spaßigste Album sein, das wir je aufgenommen haben", beschreibt Wollard den Aufnahme-Prozess. "Neu hingegen war die Art, wie wir die Songs geschrieben haben. Bei den letzten Alben war es so, dass einer mit den Songs kam und dann alle daran weiter gearbeitet haben. Diesmal wollten wir aber zusammen schreiben, um eine richtige 'Band-Platte' zu bekommen. Also haben wir jetzt alle vier da gesessen und jede Melodie, über alle Drum- und Bass-Parts und einfach alles diskutiert. So hatten wir viel mehr Einflüsse, Ideen und Meinungen und ich finde, die Platte klingt sehr groovig und offener." Man könnte meinen, dass viele Köche den Brei verderben können. Vier Individuen oder vier Musiker können eben auch vier Meinungen bedeuten. Doch Chris sieht das anders: "Bei den früheren Platten war es viel härter. Denn natürlich kämpfte auch diesmal jeder um seine Ideen, aber niemand war auf dem Ego-Trip! Unser Drummer dachte zum Beispiel nicht, er wäre der einzige, der was vom Schlagzeugspielen verstehen würde. Und das gilt für jeden von uns. Ja, man könnte denken, es wäre hart, aber es war eine unfassbar schöne Erfahrung, wie sich alle unterstützt haben."
"The New What Next" ist eine tolle Platte geworden. Irgendwie typisch, aber doch anders. Vielleicht tatsächlich etwas spaßiger als die Vorgänger? Die Songs kommen locker und geradezu flockig, Chuck singt überaus entspannt, die ganze Scheibe hat einen seltsamen Party-Charme, ohne die nötige Tiefe zu vernachlässigen. Und Songs wie "My Little Monkey Wrench", "The End Of The Line" und ganz besonders "The Ebb And Flow" sind geradezu poppig. Mitsing-Nummern, wie man sie aus dem Hause HWM nicht unbedingt erwartet hatte. "Ja, die Platte ist schon etwas poppiger", sagt der bestens gelaunte, überaus sympathische und auf die Platte merklich stolze Gitarrist. "Auch wenn es eine Menge langsamere, härtere und wie ich finde dunklere Songs gibt. Doch Chuck schreit eben nicht mehr so viel und wir setzten sehr viel Wert auf die Melodien und Harmonien und so magst du sicher recht haben. Und witzig, dass du 'The Ebb And Flow' erwähnst, ich liebe den Song! Denn er war sehr schwierig zu schreiben, da er diesen Rocksteady oder Reggae-Groove besitzt und wir hatten nie daran gedacht, so etwas zu machen. Aber als wir zusammen saßen, entwickelte er sich mit der Zeit und uns wurde klar, wie er zu werden hat. Außerdem hat er die coolsten Riffs, die Chuck je geschrieben hat."
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Kurz vor der Veröffentlichung der Scheibe hat die Band noch einmal das Tracklisting geändert. Da stellt sich die Frage, wie wichtig die Reihenfolge der Songs ist. Und für Mister Wollard ist das klar: "Es ist sehr wichtig! Gerade bei einer Scheibe wie dieser, auf der die Songs so unterschiedlich sind. Denn es ist doch häufig das erste Lied, das entscheidet, ob man die Platte mag. Die erste Tracklist haben Jason [Bass] und ich gemacht, als wir aus dem Studio kamen, weil das Label meinte, sie bräuchten die Tracklist sofort, um die Promo-Scheiben rauszuschicken. Doch je länger wir darüber nachgedacht haben, merkten wir, dass die ersten Songs alle recht ähnlich klangen, alle sehr midtempo waren und es entstand der Eindruck, dass die ganze Platte so klingen würde. Also mischten wir nochmal neu und wollten eine Reihenfolge, die mehr Sinn macht. Jetzt hat das Ganze einen anderen Fluss und es ist spannender, 'The New What Next' zu hören."
Im Oktober diesen Jahres feiern Hot Water Music ihren 10. Geburtstag. Eine lange Zeit für eine Band. Zehn Jahre tolle Musik, tolle Platten und tolle Konzerte. Gaesteliste.de gratuliert zum Jubiläum! "Danke Mann! Ich kann es auch kaum fassen, zehn Jahre, das ist heftig. Aber weißt du was? Es sind nicht nur zehn Jahre, aber wir feiern auf der neuen Platte auch unseren 100. Song, den wir aufgenommen haben. Es ist also ein großes Jahr für uns." Aus diesem freudigen Anlass wird die Band einige Konzerte in und um Florida spielen und mächtig feiern. Das ultimative Jubiläums-Konzert findet natürlich in Gainsville statt. "Wir werden uns schon etwas ausdenken, aber derzeit sind wir mit dem neuen Album beschäftigt, fürs Feiern und Vorbereiten haben wir noch keine Zeit. Aber die wird kommen." Eine Möglichkeit wäre die "Nacht der 100 Songs", in der HWM alle jemals aufgenommen Songs perfomen könnte. Doch Chris ist von dem GL-Vorschlag noch nicht ganz überzeugt: "Ha ha, sicher, das wäre cool! Wir würden aber wohl eher fünf andere Bands bitten, jeweils 20 Tracks zu spielen." Doch er wird schnell wieder ernst, wenn es um das Geheimnis geht, wie man zehn Jahre erfolgreich zusammen Musik machen kann. "Wir sind eine Familie, wir lieben uns! Die Band ist unser Leben und wir hängen trotz der vielen gemeinsamen Zeit, in der wir für HWM arbeiten, noch gerne gemeinsam ab. Wir können uns nicht vorstellen, damit aufzuhören. Warum auch? Wir haben so viel Spaß zusammen." Das sah auch schon mal anders aus. 1998 machte die Band eine Pause, was viele als Trennung auffassten und nicht mehr damit rechneten, dass HWM wiederkommen würden. "Wir waren damals einfach ausgebrannt", blickt Chris zurück. "Wir haben gemerkt, dass wir eine Pause brauchten. Und das war eine der wichtigsten Momente in der Geschichte der Band. Denn da haben wir bemerkt, dass wir uns als Menschen viel mehr bedeuteten, als der Name Hot Water Music uns je bedeutet. Und wenn jemand wieder eine Pause braucht, soll er sie bekommen. Denn wir würden niemanden von uns ersetzen. Wenn jemand kommen würde und sagt, er möchte aufhören, dann wäre das das Ende der Band. Hot Water Music sind wir vier." Pause. "Okay, Lawrence ist derzeit eine Art fünftes Bandmitglied, haha." Hoffen wir für Chucks Gesundheit, dass es eine temporäre Mitgliedschaft bleibt.
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Hot Water Music sind wie so viele andere Bands auch den "Rock Against Bush"-Compilations und kämpfen für eine Abwahl des derzeitigen US-Präsidenten. Doch daran, dass die Sampler und auch Fat Mikes Punkvoter.com-Initiative einen Wechsel bringen könnte, glaubt Chris nicht: "Not a chance! Aber es kann die Aufmerksamkeit von vielen jungen Leuten erzeugen, die sich bisher nicht mit Politik beschäftigt haben. Es kann helfen und wird auch helfen. Es sieht ja zum Glück so aus, dass Kerry gewinnen wird." Und trotz dieser Aussage hält er Hot Water Music für keine politische Band. "Nicht als Band. Aber wir sind natürlich vier Menschen und haben als Individuen unsere Meinung. Aber es wäre doch verrückt, wenn zwei von uns für die zwei anderen sprechen würden. Also schreiben wir lieber über unser Leben und unsere Erfahrungen. Und da in diesen Zeiten die Politik natürlich auch in unserem Alltag stattfindet, findet man sie auch in unseren Songs. Aber Politik ist sicher nicht der Grund, Musik zu machen. Wir wollen keine Band wie Anti-Flag werden."
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Weitere Infos:
www.hotwatermusic.com
www.epitaph.com/bands/index.php?id=387
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Interview: -Mathias Frank- Fotos: -Pressefreigaben-
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Aktueller Tonträger: The New What Next (Epitaph/SPV)
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