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CHRIS BROKAW
 
Film ab!
Chris Brokaw
Das Wort Pause hat Chris Brokaw ganz offensichtlich immer noch nicht in seinen Wortschatz aufgenommen. Während viele andere Musiker noch nicht einmal über ihre guten Vorsätze für's neue Jahr nachgedacht haben, hat der Tausendsassa aus Boston die nächsten zwölf Monate schon fast komplett verplant. Nach einer Tournee an der US Westküste zusammen mit den Early Day Miners im Januar soll es im Februar auf Konzertreise durch England gehen, ein Duo-Album mit Geoff Farina von Karate will für das Divot Label aufgenommen werden, The New Year werden mit Chris als Drummer an der Westküste und womöglich auch durch Mexiko touren, bevor Chris und Geoff dann gemeinsam in Japan auf der Bühne stehen wollen. Und die lange versprochene Chris Brokaw-Rockplatte mit Bandbesetzung soll auch noch 2005 erscheinen.
Dabei liegt gerade erst ein ungemein arbeitsreiches Jahr hinter Chris. Anfang Dezember erschien sein Soundtrackalbum "I Was Born, But..." (zum gleichnamigen Streifen des US-Filmemachers Roddy Bogawa), und auch die letzten von über 100 Konzerten binnen Jahresfrist hat Chris erst wenige Tage vor Weihnachten absolviert. Der größte Unterschied zur Vergangenheit war dabei, dass Chris 2004 erstmals mehr als Solist denn als Bandmitglied oder Sideman von The New Year, Evan Dando, The Empty House Cooperative und, und, und beschäftigt war. "Es war ein gutes Gefühl, mich auf meine eigene Arbeit konzentrieren zu können", erklärt Chris im Gaesteliste.de-Interview. "Ich denke, dass meine Stimme immer besser wird. Wenn sie ein Verstärker wäre, hatte er früher nur einen Knopf – für die Lautstärke -, nun sind noch einige Knöpfe für die Klangfarbe hinzugekommen."

Während andere an eine Auftragsarbeit wie eine Filmmusik mit gehörigem Respekt herangegangen wären, bedurfte es in Chris' Fall noch nicht einmal besonderer Vorbereitung. "Ich wusste, das Roddy mag, was ich mache, und mir vertraute, also hab ich einfach losgelegt. Den Film zu sehen reichte, um zu wissen, was zu tun war", sagt Chris, der ja auch nicht zum ersten Mal einen Score ablieferte, nachdem er vor zwei Jahren schon mit dem Empty House Cooperative in Cambridge ein Theaterstück vertont hatte. Dennoch gab es grundlegende Unterschiede. "Für 'I Was Born, But...' habe ich die komplette Musik geschrieben, während die meisten Songs bei 'Highway Ulysses' vom Autoren des Stücks, Rinde Eckert, stammten, die von Empty House Cooperative lediglich in die richtige Form gebracht wurden. 'Ulysses' war das Ergebnis einer echten Zusammenarbeit, während der Filmscore ein Alleingang war. Beide haben mir auf verschiedene Art sehr viel gegeben."

Neben einer ganzen Reihe von instrumentalen Songs, die deutlich Chris' Handschrift tragen und auch auf seinen beiden vorangegangenen Solo-Veröffentlichungen "Red Cities" und "Wandering As Water" nicht fehl am Platze gewesen wären, finden sich auch viele ganz anders klingende Stücke auf der Soundtrack-Platte. "Die eher atmosphärischen Nummern liegen mir sehr am Herzen, weil sie improvisiert sind, geradezu zufällig passierten und sich so sehr von den auf traditionelle Weise geschriebenen Stücken unterscheiden. Ich höre eine Menge Jazz und experimentelle Musik, deshalb ist es nicht besonders ungewöhnlich für mich, Sachen mit weniger Struktur zu spielen. 'Chinatown' zum Beispiel entstand in einem - dem ersten - Take, mit einer Gitarre, ganz ohne Overdubs. Eine Menge cooler, unerwarteter Dinge passierten während der Performance, und ich war froh, dass das Band mitlief. Ich bin auf diese Nummer genauso stolz wie auf alles andere auf der Platte."

Die meisten Songs des Soundtracks orientieren sich namentlich an den Szenen, in denen sie im Film zum Einsatz kommen. Nur die Eröffnungsnummer scheint aus dem Rahmen zu fallen, heißt sie doch "Reeperbahn"! "Das ist eine lustige Geschichte", berichtet Chris. "Ich saß um acht Uhr morgens in einem Zug aus Hamburg und versuchte, einen Text für diesen Song zu schreiben, während über der Reeperbahn die Sonne aufging. Der Text verwandelte sich allerdings in einen 'road song', und das wollte ich ganz und gar nicht. Als ich 13 Jahre alt war, habe ich nämlich beschlossen, dass ich nie und unter gar keinen Umständen einen Song darüber schreiben wollte, wie hart es ist, unterwegs zu sein. Das kam vermutlich daher, dass ich Jackson Brownes 'Running On Empty' gehört hatte und mein Verstand als Punkrocker mir sagte: 'Fuck this rock star, what the fuck is he complaining about?', trotzdem blieb meine Nummer für mich auch danach noch der 'Reeperbahn'-Song."
Weitere Infos:
www.chrisbrokaw.com
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Tamara Bonn-
Chris Brokaw
Aktueller Tonträger:
I Was Born, But...
(12XU/Rough Trade)

 
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