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CORALIE CLÉMENT
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Aufwachsen in der Sackgasse
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Wer nun gedacht hätte, die kleine Schwester von Frankreichs Superstar Benjamin Biolay einfach in die Samba-Chanson-Ecke stecken zu können, nur weil das höchst erfolgreiche Debüt-Album mit diesem luftig-leichten Genre flirtete, der muss nun umdenken. Samba, wie sich nun herausstellt - das steht eher für Benjamin Biolay, nicht aber für Coralie Clément. Das deutete Coralie indirekt auch bereits im Interview zur letzten Scheibe an, in dem sie erklärte, dass der Samba für sie damals etwas ganz Neues gewesen sei und das bestätigte sich dann endgültig auf der letzten Tour, wo Coralie mit einer kompletten Band auftrat, der auch ihr Partner und Kollege Daniel Lorca (Nada Surf) angehört und die durchaus auch anderes als Samba zustande brachte.
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So gab es dort z.B. gar eine improvisierte Coverversion von "Seven Nation Army" zu hören. "Ja, aber das Stück ist doch von den White Stripes", erklärt Coralie, "und dann haben wir noch eine Rock-Version von Benjamins Stück 'Billy Bob A Raison' gespielt. Das waren aber Ausnahmen." Dennoch: Das war schon ein Hinweis darauf, dass sich Coralie mit der nächsten Scheibe, "Bye Bye Beauté", die nun vorliegt, freischwimmen würde. Hier erwartet dann den Hörer nun eine höchst eigenwillige, innovative und lebendige Sammlung von Schrammelrock Songs, die sorgsam um Coralies nach wie vor zerbrechliches Stimmchen herumarrangiert wurden, die aber trotz aller Affinität zur eher anglophil orientierten Alternative-Ästhetik durchaus eine originäre Bindung zum französischen Chanson beibehalten. Nur eben ohne lateinamerikanisch angehauchte Leichtfüßigkeit. Die Ehre, dieses Kunststück vollbracht zu haben, gebührt dennoch großteils wieder Benjamin Biolay, der auch hier der musikalische Direktor war - nur eben mehr im Dienste seiner Schwester. Dennoch ist der Schritt zum neuen Sound doch ziemlich radikal. Warum war dieser denn notwendig? "Du meinst, warum diese Scheibe vollkommen anders klingt als die erste?", lacht Coralie - offensichtlich darauf brennend, diese Metarmorphose zu erläutern, "weil ich einfach ein Album machen wollte, das ein wenig rockiger ist. Das kommt daher, dass das, was ich mir damals anhörte und was ich mochte, eben Rock war. Und ich hatte dann das Verlangen selber ein Rock-Album zu machen." Nun ist es aber doch so, dass die bisherigen Fans doch eher ein Album in der Art wie das erste erwarten, oder? "Ja schon", räumt Coralie ein, "aber ich wollte mich auf keinen Fall wiederholen. Ich wollte unbedingt einen anderen Stil, eine andere Musik machen. Und meine Stimme ist ja immer noch da. Die hat sich ja nicht geändert und ist immer noch dieselbe. Ich habe auch nicht angefangen zu brüllen oder laut zu singen. Ich singe immer noch gleich und ich denke, dass die Änderungen in der Musik so zum besseren gereichen."
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Wie gelang es denn eigentlich, eine Balance zwischen Coralies eher leisen Stimme und der Rockmusik zu finden? Eigentlich schließt sich das ja aus. Jedenfalls erklären Sängerinnen mit einer ähnlich "hingehauchten Stimme" ja des Öfteren glaubhaft, dass es sehr schwer ist, mit einer leisen Stimme gegen eine Band - geschweige denn eine Rockband - anzusingen. War das nicht schwierig? "Nein, überhaupt nicht", widerspricht Coralie, "das war vielmehr sehr interessant. Das war auch die Idee hinter dem ganzen Konzept: Eine kräftige Musik mit einer Prise Pop und so, die sehr präsent ist, mit meiner Stimme dazwischen. Es war eher auf meiner ersten CD schwierig, eine Balance zu finden, wie mit der Tontechniker erklärte. Es war dieses Mal sehr befriedigend - mir gefällt es jedenfalls." Nun erzählte uns Coralie ja beim letzten Mal, dass sie die eher traditionellen französischen Chansonniers als Inspirationsquelle betrachte - von Serge Gainsbourg bis hin zu Francoise Hardy. Nun klingen aber die neuen Sachen gar nicht mehr traditionell im klassischen Sinne. "In der Tat gibt es ein Album von Francoise Hardy namens 'Le Danger', das ich sehr liebe", widerspricht Coralie, "und das ist Rockmusik. Und auch Serge Gainsbourg hat ja Sachen für andere Leute gemacht, die nicht unbedingt klassische Chansons sind. Für mich ist es so, dass die Musik zwar Rock ist, die Texte aber immer noch sehr im Vordergrund stehen - wie bei einem klassischen Chanson. Diese Mischung finde ich sehr interessant." Okay - was sind denn dann die Inspirationsquellen aus der Rock-Ecke, die Coralie andeutete? "Oh - ich habe gerade eine Gruppe namens Blonde Redhead für mich entdeckt", zählt sie auf, "die liebe ich sehr. Dann gibt es eine kanadische Gruppe namens Metrique, die ich in New York kennengelernt habe. Die sind echt super. Das sind zum Beispiel die Sachen, die mich inspiriert haben."
Was ist denn aber aus dem Plan geworden, die Stücke zur neuen CD mit dem französischen Altmeister Hubert Monier zu schreiben, von dem uns Coralie das letzte Mal erzählte? "Nun, ich habe durchaus mit Hubert zusammen gearbeitet", führt Coralie aus, "ich liebe auch seine Chansons. Aber am Ende war meine Hochachtung vor ihm dann doch zu groß für mich. Es wäre eine zu große Ehre für mich gewesen, diese Sachen zu singen - ein zu großes Geschenk. Er singt so wunderschön - das wäre für mich nicht möglich gewesen. Das Material war einfach zu schön für mich. Ehrlich: Ich wollte ihm dann die Sachen überlassen." Und wie kamen dann die neuen Stücke für Coralies Scheibe zustande? "Ich hatte zwei Chansons auf Reisen zwischen New York und Paris geschrieben", erinnert sich Coralie, "die habe ich dann Benjamin und meinem Manager vorgespielt. Und wir haben diese dann in Paris ziemlich schnell aufgenommen. Danach kamen die restlichen Stücke auch ziemlich schnell zustande. Das will sagen, dass ich angefangen habe und schließlich alle mitschrieben. Daniel - mit dem ich auch das Duett 'Mais pourtant' zusammen gesungen habe - Benjamin und Thierry Stremler. Benjamin hat die Arrangements ausgearbeitet. Wir haben das Album in drei Wochen erschaffen. Und das war gut so, denn ich wollte schnell arbeiten." Was will uns der Titel des Albums, "Bye Bye Beauté", denn sagen und gibt es eine Verbindung zwischen diesem und dem Stück "Beau Fixe"? "Ja, die gibt es", bestätigt Coralie, "in der Tat ist das ganze Album wieder ein Konzept-Album wie das erste geworden. Es gibt eine Geschichte und eine Hauptperson. 'Bye Bye Beauté' ist eine offensichtliche Referenz an die 60er und die Geschichte als solche." Die Hauptperson ist dieses Mal aber nicht die Lou des ersten Albums, nicht wahr? Denn die "stirbt" quasi im letzten Stück der Scheibe. "Mit Lou wollte ich Schluss machen", lacht Coralie, "sie ist aber auch ein Teil der Geschichte. Es wird auf dem dritten Album sicher auch wieder ein Konzept und eine Hauptperson geben - darüber habe ich aber noch nicht nachgedacht." In dem Zusammenhang: "Gloria" - der Titel des zweiten Stückes - ist in diesem Fall kein Name? "Nein, das ist ein generischer Ausdruck, der den Begriff 'Sieg' symbolisieren soll", erklärt Coralie, "da gibt es ja diesen Flötenteil mittendrin. Das symbolisiert für mich etwas Unwirkliches - wie Feen, die kommen und die Hauptperson mitnehmen in unsere reale Welt. Diese Hauptperson wird im ersten Stück, 'Indécise' (unentschlossen), das ich auch als erstes schrieb, vorgestellt."
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Worum geht es denn generell auf dem Album? "Um das Erwachsen werden", erläutert Coralie, "Das Stück 'Kids' heißt ja im Untertitel 'jeu de foulard' - das Schal-Spiel. Es singt hier ein Erwachsener, der sich an seine Kindheit erinnert. Bei dem Schal-Spiel - das es wirklich gibt - geht dabei um Reflektionen über das Leben und den Tod. Das Bild des Schals ist dabei das, dass ein Schal das Atmen erschwert. Man denkt in diesem Spiel über den Sinn des Lebens nach. Ein Thema, das auch in 'L'enfer' (die Hölle) aufgegriffen wird - die übrigens meiner Meinung nach nicht existiert, was auch in dem Lied gesagt wird. Bei dem Stück 'L'Impasse' (die Sackgasse) geht es dann um die Liebe. Meine Hauptperson wird im Laufe der Geschichte erwachsen, erlebt die Liebe und entdeckt letztlich, dass man dabei auch ein wenig leiden und manchmal schmerzliche Entscheidungen treffen muss. Das Leben mit jemandem anderen kann also sehr schön, aber auch sehr schlecht sein. In der Sackgasse ist man dann, wenn man erfährt, dass der Traum, den man zunächst hatte, eben doch nur eine Illusion ist. Das führt dann direkt zu dem Stück 'Un beau jour pour mourir' (ein schöner Tag zum Sterben). Das ist ja ein wenig morbid. Hier möchte die Hauptperson zu ihrem Geliebten gelangen. Das sind für mich übrigens auch die Parallelen zum ersten Album. Die Musik ist ja - wie gesagt - sehr verschieden, aber die Texte sind sehr ähnlich. Es geht hier um eine Person, die zunächst sehr zerbrechlich und verletzlich ist, dann aber aufwächst, eine Entwicklung durchlebt und allerlei Dinge dabei entdeckt." Was ist denn für Coralie der größte Fortschritt bei diesem Album - einmal abgesehen vielleicht von der Musik. "Für mich ist der größte Fortschritt der, dass ich mehr Einfluss hatte, dass ich entscheiden konnte, ein Album zu machen, wie ich es wollte und dass ich letztlich auch selber Songs geschrieben habe." Wie wird es den in Zukunft weiter gehen? "Musikalisch weiß ich das noch nicht", räumt Coralie ein, "aber nach der Promo für dieses Album will ich auf jeden Fall meinen Plan verfolgen, als Schauspielerin für's Kino zu arbeiten. Wie es momentan mit einer Tour aussieht, weiß ich noch nicht, hoffe und denke aber doch, dass es dazu kommen wird." Wenn die neue Scheibe von Coralie Clément also erwachsener klingt als das Debüt, so ist das sicherlich kein Zufall. Mal abgesehen davon, dass Rockmusik - auch wenn sie auf so subtile Art umgesetzt wird wie hier - stets erwachsener klingt als vieles andere: Auch in ihren Texten macht Coralie deutlich, wohin die Reise geht: Erhobenen Hauptes in die Zukunft. Und darin unterscheidet sich Coralie vielleicht auch von den Idolen ihrer Jugend - denn France Gall, Francoise Hardy oder auch Jane Birkin brauchten z.B. sehr viel mehr als eine einzige Scheibe um letztlich musikalisch auf eigenen Füßen stehen zu können.
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Weitere Infos:
coralieclement.free.fr
www.uwe-kerkau-promotion.de/coralie_clement.shtml
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Interview: -Ullrich Maurer- Fotos: -Pressefreigaben-
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Aktueller Tonträger: Bye Bye Beauté (Capitol/EMI)
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