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KRISTOFER ASTRÖM & HIDDEN TRUCK
 
Das letzte, was du verlierst, ist das Leben.
Kristofer Aström & Hidden Truck
Nachdem uns Kristofer Aström mit "Loupita" zuletzt ein astreines Akustik-Album vorlegte - das ganz hervorragend zu seinem Status als sensibler, melancholischer Songwriter passte - kommt die neue Scheibe, "So Much For Staying Alive", fast wie ein Schock daher: Nicht nur das Covermotiv, auf dem sich Todgeweihte selber erschießen, wirft Fragen auf. Kristofer macht auf ein Mal gutgelaunten Gitarrenpopo mit 80s-Touch und wagt sich in seinen Aussagen über den persönlichen Tellerrand hinaus ins politische Terrain. Wie konnte es dazu kommen?
"Also zunächst mal hat das alles Methode", verrät Kristofer, "der ursprüngliche Plan nach der letzten Hidden Truck-Scheibe war der, zwei Alben mit denselben Songs zu machen - eines akustisch und eines mit Band. Es klappte aber aus Zeitgründen nicht und übrig blieb das 'Loupita'-Album. Das war ein Plan, den ich schon sehr lange hatte. 'Loupita' hätte eigentlich mein erstes Album sein müssen. Damals hatte ich aber noch nicht den Mut, etwas dermaßen Konsequentes zu machen. Heutzutage interessiert es mich auch nicht mehr so sehr, was die Leute denken. Zum Beispiel habe ich keine Angst mehr davor, dass die Leute sagen, dass mein Gitarrenstil zu wünschen übrig lässt oder so was. Ich bin selbstbewusster geworden. Das ist auch der Grund, warum dann 'So Much For Staying Alive' so geworden ist, wie es wurde. Der Prozess ist eigentlich immer der gleiche: Ich habe eine Sammlung von Songs fertig, die ich dann den Jungs zeige und wir sehen dann, was sich daraus machen lässt. Ich bin mit dieser Scheibe sehr zufrieden, weil sie mehr ein Band-Projekt geworden ist, als alles, was ich vorher gemacht habe." Gut - aber das erklärt ja noch immer nicht, warum hier eine Wiedergeburt als Gitarren-Pop-Ikone der 80er stattfindet (nach Kristofers Fireside- und seiner Singer / Songwriter-Phase bereits die dritte Inkarnation). "Nun, die Arrangements kommen von der Zusammenarbeit mit der Band", gibt Kristofer zu Protokoll, "ich weiß auch nicht woher die 80er Einflüsse herkommen. Es ist wohl so, dass wir alle mit dieser Musik aufwuchsen - mit diesen Synthie-Sounds. Ein paar von den Stücken hören sich ja fast an wie The Cure. Das war aber gar nicht geplant. Mein einziger Plan für diese Scheibe war, keine akustischen Gitarren zu verwenden. Davon hatte ich seit 'Loupita' erstmal genug. Ich habe ja letztlich auch sehr viele Solo-Shows gespielt. Das ist ein weiterer Grund." Nun ist Kristofer ja von Stockholm auf das Land gezogen. Da hätte man doch irgendwie vermuten können, dass die musikalische Entwicklung dementsprechend durch weitere ruhige Stücke komplementiert würde? "Nun, Stockholm ist nicht wirklich meine Stadt", räumt Kristofer ein, "es ist irgendwie kalt und unfreundlich. Ich wollte mal was anderes versuchen. Es ist nicht so, dass ich für immer auf dem Land leben möchte. Ich plane z.B. schon seit längerem mal nach Berlin zu ziehen. Ich möchte auch mal in New York leben. Und tatsächlich beeinflusst mich der Ort, an dem ich wohne. Nicht auf dieser Scheibe, weil ich alle Stücke schon fertig hatte, bevor ich umgezogen bin. Aber ich habe eine EP aufgenommen, die hoffentlich bald rauskommen wird, die 'Black Valley' heißt. Und diese ist sehr von der Gegend inspiriert, in der ich lebe, und die tatsächlich 'Swarte Dalen' - 'Black Valley' - heißt. Auf der Scheibe geht es um verschiedene Aspekte des Todes. Ich habe eine Dokumentation über den Untergang der Estonia gesehen, in der Überlebende ihre Erlebnisse erzählten - davon, wie sie aufgeben wollten und sterben wollten. Das fand ich sehr interessant und wollte mich damit beschäftigen. Der Gedanke dabei war, dass das letzte, was du verlierst, die Hoffnung ist. Das heißt: Das stimmt ja gar nicht - das letzte, was du verlierst, ist das Leben."
Kristofer Aström & Hidden Truck
Was inspiriert denn Kristofer als Songwriter generell? "Beziehungen", antwortet Kristofer wie aus der Pistole geschossen, "gleich welcher Art. Und nun, auf der neuen Scheibe, habe ich erstmals auch ein paar politische Songs geschrieben. 'Givers Of The World' handelt z.B. von einer Freundin, die nach Kambodscha gezogen ist, um mit Kinder-Prostituierten zu arbeiten. 'Black Dog' handelt davon, dass die Regierung dein Leben übernimmt." Woher kommt denn das auf einmal? "Ich weiß nicht", überlegt Kristofer, "ich denke, dass ich mich nie festlegen wollte. Das muss man auch nicht tun. Für mich ist es jedenfalls befriedigender, verschiedene Dinge, verschiedene Themen auszuprobieren." So etwas erzählte er ja auch bereits schon mal Kollege Wohlfeld. Insofern bleibt sich Kristofer also treu. "Heutzutage muss man ja auch überhaupt nicht mehr selber politisch interessiert zu sein. Man kann es ja eh gar nicht mehr vermeiden, von der Politik beeinflusst, ja belästigt zu werden. Es ist unmöglich, nicht wütend und verärgert zu sein, über das, was um einen herum passiert." Was ist es denn, das Kristofer zum Musizieren treibt? Das Bedürfnis sich mitzuteilen? "Als ich begann, war es sicher, um Spaß zu haben. Meine ersten Versuche, Texte zu schreiben, waren eine Reaktion auf meine Umgebung - Songs über die Schule, die Lehrer - Punkrock-Texte. Dann hatte ich aber Themen, die ich mit anderen diskutieren wollte. Ich will aber keine Worte in anderer Leute Mund legen, Dinge erklären, ausbuchstabieren. Das Ding mit der Musik ist ja, dass du es Kunst nennst. Und bei der Kunst geht es um die Sichtweise des Betrachters. Wenn mich also jemand fragt, was dieser oder jener meiner Texte zu bedeuten hat, dann halte ich mich zurück. Ich habe früher versucht, meine Texte zu erklären und bin nicht gut damit gefahren. Es ist ja auch nicht relevant, weil eh jeder seine Ansicht hat. Und das ist das, was die Musik interessant macht." Nun ist die neue Scheibe ja keine astreine Singer / Songwriter-Scheibe, sondern eher eine Gitarren-Pop-Scheibe. Was soll denn die Wirkung auf den Zuhörer sein? "Ich wollte, dass diese Scheibe ein Schock ist", schmunzelt Kristofer, "oder zumindest sollten die Leute doch überrascht sein. Die ersten Reaktionen waren auch ganz erfreulich. Ich will die Leute definitiv überraschen - auch darum geht es in der Kunst." Was will uns denn das Cover-Motiv sagen? Es ist ja irgendwie spaßig - zwei Leute vor einem Erschießungskommando erschießen sich schnell selber, bevor es losgeht. "Nun, das ist von meinem Pianisten Peter. Er macht diese Airbrush-Arbeiten. Ich fand, das war eine ganz lustige Idee. Er hatte dieses Bild, das er bereits fertig gestellt hatte und ich diesen Titel und das passte irgendwie. Das Ganze hat aber weiter keine Bedeutung. Nun gut - es ist natürlich auch eine politische Aussage, aber keine konstruierte, sondern eine, die sich aus dem Zusammenhang ergab."
Kristofer Aström & Hidden Truck
"Pianist" ist ein gutes Stichwort, weil auf dieser Scheibe erstmals ein paar Piano-Balladen im Zentrum stehen - auch eine neue Sache für Kristofer Aström. "Nun, wir haben diese Stücke auch im Band-Setting versucht", gibt er zu, "aber es hat nicht funktioniert. Und so haben wir sie im Piano-Arrangement belassen. Mehr aus musikalischen Gründen. So war es aber auch am Befriedigendsten. Er ist auch ein sehr guter Pianist, der eine Menge schwedischer Folk-Musik hört, so dass das vielleicht eine ganz gute Sache war, in dieser Richtung etwas einzufangen. Ich versuche nicht wirklich, Folk-Musik einzuflechten, denke aber, dass man das eh nicht ganz vermeiden kann. Wenn du in Schweden aufwächst, dann kannst du es eh nicht vermeiden, davon beeinflusst zu werden." Was beeinflusst Kristofer denn stattdessen und bewusst? "Bands und Künstler, die versuchen, etwas mehr, als bloß ein gutes Album zu machen", führt er aus, "ich mag es, überrascht zu werden. Egal ob du es magst oder nicht. Ein Album das anders klingt als das vorangehende, ist immer ein Beleg dafür, dass derjenige, der das machte, mit dem, was er bislang hatte, nicht zufrieden war, dass er sich weiter entwickelt. Ich mag es auch immer, wenn ein Album als ganzes Sinn macht. Das möchte ich ja auch bei meinen Alben erreichen." Was ist denn für Kristofer ein guter Song? "Ein Song ist dann gut, wenn er irgendeine Art von Emotion auslöst. Egal ob es Wut oder Freude ist." Was ist denn der rote Faden, der Kristofers nun doch sehr verschiedene Alben letztlich zusammenhält? "Nun, ich würde sagen, die Melancholie. Das ist eh das, was die Leute zunächst wahrnehmen. Das hat aber mit meiner Beziehung zur Musik zu tun, die sich auch bereits in meiner Band Fireside zeigte - wenngleich auch auf eine andere Art." Eine letzte Frage sei noch gestattet: Anlässlich der "Loupita"-CD stellten wir die - dann von Fans wieder in Abrede gestellte - Aussage in den Raum, Kristofer besitze keine besonders markante Stimme (in dem Sinne, dass diese seine Songs dominiere). Wie steht er denn selber dazu? Denn auf dem neuen Album gibt es ja auch wieder Background und Harmonie-Vocals. "Ja, das stimmt. Auf dieser Scheibe habe ich sogar versucht, die Backup-Vocals möglichst durch andere singen zu lassen", pflichtet Kristofer bei, "ich weiß gar nicht, was für mich als Sänger am Wichtigsten ist. Weil es mir ja immer um den Song als Ganzes geht. Ich bin weder ein guter Sänger, noch Gitarrist - nicht mal ein toller Songwriter. Wenn es aber klappt, und ich stolz auf das sein kann, was ich tue, dann ist das für mich wichtig. Ich bin selber zum Beispiel immer überrascht, wie sich Songs entwickeln, wenn man mit anderen zusammenarbeitet. Deswegen bin ich auch stolz, dass das neue Album eine Band-Scheibe geworden ist. Ich fühle mich nicht mal als Kapitän. Es sind zwar meine Songs und ich habe das letzte Wort, aber es braucht immer eine Diskussion mit den anderen, um zu dieser Entscheidung zu kommen. Wir haben die Scheibe auch selbst produziert - das gehört auch zu dem Prozess. Übrigens habe ich jetzt meine erste richtige Produktion gemacht. Und zwar für Britta Persson, die Frau, die die Background-Vocals auf meiner Scheibe singt. Ich glaube sie ist wirklich sehr gut und irgendwie ähnlich zu dem, was wir auf meiner Scheibe gemacht habe. Ich hoffe, die EP, die wir einspielten, erscheint im März." Und wenn diese Scheibe dann nur halb so überraschend ist, wie "So Much For Staying Alive", dann hat Kristofer Aström sein Ziel ja auch hier erreicht.
Weitere Infos:
www.kristoferastrom.com
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-
Kristofer Aström & Hidden Truck
Aktueller Tonträger:
So Much For Staying Alive
(V2/Rough Trade)
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