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ANDREW BIRD
 
Eigenbrötler mit sozialem Anspruch
Andrew Bird
Mit "The Mysterious Production Of Eggs" hat Andrew Bird unlängst - wie Kollege Ullrich Maurer feststellte - sein bisher bestes Album vorgelegt. Unsere Fragen beantwortet er im Tourbus auf dem Weg von Hamburg nach Berlin.
Die letzten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts waren von einer immer schnelleren Abfolge musikalischer Revivals geprägt. Nachdem die 80er dran waren, sind die 90er noch zu präsent, um für eine neue Welle herzuhalten und das neue Jahrtausend ist durch eine neue Art von stilistischem Eklektizismus gekennzeichnet. Ist dein neues Album ein gutes Beispiel für diese Entwicklung?

Bird: Es stimmt, die letzten zehn Jahre erscheinen wie eine Pop-Revue des 20. Jahrhunderts. Die meisten Bands kommen mir wie bessere Coverbands vor, die lieber ihren coolen Plattensammlungen huldigen, als der Idee, wie Live-DJs etwas Neues zu schaffen. Ich selbst habe '98 / '99, als ich mich intensiv mit dem frühen Jazz und Latin Sound der 20er und 30er Jahre beschäftigte, so eine Phase durchgemacht, vielleicht stehe ich deswegen derartigen Ansätzen kritisch gegenüber.

Wenn du von einer bestimmten Musik derart verzaubert bist, ist es verständlich, dass du dir kaum vorstellen kannst, bessere Musik zu machen wie zum Beispiel Lester Young im Jahre 1956.

Bird: Es war entsetzlich zuzusehen, wie zu dieser Zeit meine Lieblingsmusik von den Launen der Popkultur überfallen und entführt wurde. Mir wurde klar, dass man mit Revivals nicht weiter kommt. Ich wurde ruhelos. Ich möchte den ganzen Song schreiben und der Geschichte nicht zu viel Aufmerksamkeit schenken. Wenn du eine neue Bewegung aus der Taufe heben willst, habe ich nichts dagegen. Ich kann nur für mich selbst sprechen. Jetzt wo sich die Revivals der Jetztzeit annähern, scheint es aber schon logisch, dass es Zeit für etwas Neues wird.

Bezieht sich der Titel deines neuen Albums "The Mysterious Production Of Eggs" auf dieses Phänomen?

Bird: Der bezieht sich auf vieles. Ich bevorzuge es, wenn musikalische Ideen aus dem Nichts entstehen und ich das fortgesetzte Mysterium des kreativen Prozesses kalibriere. Dabei passiert das meiste unbewusst, allerdings gebe ich zu, dass ich eine bestimmte Velvet-Underground-Basslinie meide.

Als du letztes Jahr in Frankfurt am Main gespielt hast, hast du erzählt, dass du dein Studium der klassischen Musik nicht wirklich genossen hast. Lag das auch an den Kompositionsansätzen, die in dieser Arena vorherrschen?

Bird: Ich habe eine Aversion gegen den akademischen Ansatz (wobei ich zugeben muss, dass ich meine klassische Ausbildung schon als Voraussetzung sehe). Ich möchte mich einklinken, dabei sein und die Theorie Theorie sein lassen. Der Habitus moderner Komposition war ähnlich frustrierend - besessen von Formeln und Plänen. Ich hatte einen Kompositionsprofessor der immer sagte "alles wurde schon gemacht". Diese Einstellung nervt mich. Es gibt so viel, das noch nicht gemacht wurde. Es gibt andere Dimensionen, in die man gehen kann, anstatt dem linearen Pfad in Richtung wachsender Komplexität zu folgen. Außerdem ändert sich andauernd der Kontext in dem musikalische Ideen formuliert werden.

Andrew Bird
Wie gehst du vor, wenn du deine Songs schreibst, enthalten sie autobiographische Elemente?

Bird: Ich höre ständig Melodien. Ich schreibe aber nie eine auf oder mache eine Aufnahme. Ich warte, bis sie zurückkommt. So weiß ich, dass sie gut ist. Der Text muss zur Stimmung und Gestalt der Melodie passen. Ein Wort ist niemals so wichtig, als dass man dafür den Klang oder Fluss der Melodie opfern dürfte. Auf Autobiographisches gibt es lediglich Verweise. Wenn mich so was zum Lachen bringt oder mir peinlich ist, dann glaube ich, dass es gut ist.

In gewisser Weise erinnert das Album an M. Wards "Transistor Radio", das seiner musikalischen Sozialisation geschuldet ist.

Bird: Ich schätze M. Ward wirklich sehr. Letzte Woche habe ich ihn live gesehen. Das hat mich voller Wehmut an die Zeit erinnert, als ich ältere Musik gespielt habe. Mit ihm könnte ich zusammen spielen, weil er der Musik, auf die er sich bezieht, nicht zu ehrfürchtig sondern vor allem musikalisch und subtil entgegentritt. Allerdings habe ich kaum noch das Bedürfnis nach musikalischer Zusammenarbeit. Ich bin in einer ziemlich eigenbrötlerischen Phase. Aber Gemeinschaft, musikalisch oder nicht, halte ich für sehr wichtig. Im Bezug auf Musik sehne ich mich immer nach einer angenehmen, entspannten sozialen Situation. So was ist so schwer zu finden. Viele Songs verlangen nach gemütlichem Beisammensein, aber wie es scheint, braucht es eine Apokalypse, damit sich die Leute entspannen und sich miteinander beschäftigen.

Was treibst du, wenn du nicht gerade im Studio bist oder tourst?

Bird: Ich toure eigentlich ständig, obwol ich das erste Mal in acht Jahren eine Pause brauchen könnte. Normalerweise kann ich neue Songs auch auf Tour schreiben, aber die Anforderungen dabei vervielfachen sich, also hoffe ich, den Sommer in den Bergen und in meiner Hütte zu verbringen und zur Abwechslung mal das Gemüse aus meinem Garten zu essen.

Wann hast du aufgehört, einer "normalen" Arbeit nachzugehen?

Bird: Einen Job habe ich schon seit Jahren nicht mehr. Früher habe ich in der Gegend um Chicago Unterricht gegeben und Konzerte gespielt. Ich habe so viel geübt, dass ich mir eine Verletzung zugezogen habe. Damals war ich 22 und da habe ich meine erste Band Bowl Of Fire gegründet, einen Plattenvertrag unterschrieben und mich auf das Songschreiben konzentriert.

Wie sieht dein kreatives Umfeld aus? Welche Musik hörst du? Wer sind deine musikalischen Weggefährten? In welchen Kreisen verkehrst du?

Bird: Ich höre eigentlich wenig Musik, wenn dann afrikanische Musik aus den 70ern - Ghana Soundz, Ethiopiques. M. Ward, Will Oldham, Dosh - diesen Musikern fühle ich mich momentan verwandt. Aktuell übe ich mit meinem Trommler - jemand in meine Solo-Welt einzubinden ist besonders schwer. Ich freu mich darauf mit My Morning Jacket aufzunehmen und ich werde mit Mark Nevers auf einer Bobby Bare Sr. Platte spielen.

Arbeitest du an einem neuen Album, was erwartet uns?

Bird: Ich habe gerade die Arbeit an einem Album abgeschlossen, das mich vier Jahre Arbeit gekostet hat. Erst mal bin ich nicht zu sehr darauf bedacht, wieder ins Studio zu gehen. Die nächste Platte wir ein weites Feld eröffnen. Lange lockere Melodien mit Akustikgitarren, minimalistischen Strings und Elektronik. Das wird ziemlich entspannt.

Dann sind wir mal gespannt.

Weitere Infos:
www.andrewbird.net
www.fargorecords.com/english/artistes/andrew_bird/bird_index_en.html
Interview: -Dirk Ducar-
Fotos: -Pressefreigaben-
Andrew Bird
Aktueller Tonträger:
The Mysterious Production Of Eggs
(Fargo/Rough Trade)
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