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SONS AND DAUGHTERS
 
Das Ekelpaket
Sons And Daughters
Die Debüt-Scheibe der schottischen Band Sons And Daughters, "Love The Cup", ließ aufhorchen. Offensichtlich hatte diese Splittergruppe von Arab Strap so rein gar nichts mit der düsteren Gemächlichkeit von Aidan Moffat und Malcolm Middleton im Sinn, sondern legte es darauf an, zu klingen als stünde sie unter Strom. Mit dieser erfrischenden Hysterie setzten sich Adele Bethel, David Gow und ihre Mitstreiter aber nicht nur vom allgemeinen Strap-Umfeld ab, sondern darüber hinaus auch von vielem, was sich ansonsten alternativ dünkt. Offensichtlich haben die Sons And Daughters eine musikalische Vision - auch wenn diese Schluckauf hat und sich bislang nur mit mittels dahingeschrammelter Riffs und im stolpernden Stakkato ausdrücken kann. Auch die zweite, von Victor van Vugt in Conny Planks legendärem Landhaus-Studio im bergischen Land produzierte CD, "The Repulsion Box", hat noch jede Menge dieser kanalisierten Sturm und Drang-Energie zu bieten. Die Frage ist, woher das kommt und vor allen Dingen, wie man Stücke dieser Art schreibt. Jedenfalls ist es ja kaum vorstellbar, dass sich so etwas jemand etwa im heimischen Schlafzimmer ausdenkt. Denn an Schlaf ist dabei ja nun wirklich nicht mehr zu denken.
"Ja, das wäre in der Tat schwierig", pflichtet Gitarrist Scott Paterson bei, "was wir also machen, ist, unsere Songs zusammen zu schreiben. Normalerweise hat jemand von uns eine Idee, wie ein Drum-Pattern oder ein Gitarrenriff, und damit spielen wir dann beim Soundcheck oder im Probenraum herum. Dann setzen wir uns zusammen und diskutieren die Arrangements und den Sound. Adele hat dann für gewöhnlich ihr Buch mit Texten und versucht, etwas passendes zu finden oder schreibt einfach neue, während wir an der Musik arbeiten. So kommen die Stücke dann zustande." D.h. die Texte entstehen separat? "Manchmal", führt Adele aus, "das hängt davon ab, ob die Texte zur Musik passen oder nicht. Das muss dann eben angepasst werden. Es kommen auch andere, die Themen vorschlagen." Die Texte sind ja sehr interessant, während man sich indes nie sicher sein kann, worüber gerade gesungen wird. "Das stimmt", lacht Adele, "es ist ja so, dass die Texte entstehen, wenn die Musik gespielt wird - was die Idee des ganzen Band-Kontextes ist. Daher stammt auch die ganze Gewalt in den Texten. Denn was wir spielen, ist ja ganz schön intensiv und die Texte spiegeln die Musik dann wider. Mein Hauptthema sind die negative Aspekte von Beziehungen." - "Moment mal", springt da Scott ein, "hauptsächlich die negativen Aspekte. Es gibt aber auch eine Menge Bilder in den Texten, die von Filmen inspiriert werden. Roman Polanski, David Lynch - diese Art von Filmen." Aber es geht dabei nicht um die Themen, sondern eher um die Stimmung dieser Filme, die wiedergegeben werden soll, nicht wahr? "Ja, denn auf dieser Scheibe handeln die meisten Songs nicht wirklich von mir", ergänzt Adele, "ich spiele da vielmehr einen Charakter und es gibt sogar Songs wie 'Red Receiver' oder 'Rama Lama', die eine gewisse Geschichte erzählen." Oder doch zumindest eine Situation schildern. Welche Situationen sind dies denn? "Nun, nehmen wir 'Rama Lama', da das der einzige Song ist, den ich geschrieben habe", erläutert Scott, "das ist einfach eine Geschichte, die ich in meinem Kopf hatte, von dieser Frau die von einem schrecklichen Mann misshandelt wird, der sie dann im Badezimmer ertränkt. In Glasgow, wo wir herkommen, da gibts fortwährend diese Geschichten von Leuten, die tot in ihren Wohnungen aufgefunden wurden. Niemand scheint sich dafür zu interessieren, wie diese Personen ums Leben gekommen sind. Das sind Sachen, die mich faszinieren. Es war der letzte Song, den wir für die Scheibe aufgenommen haben, da kam auf einmal diese Musik und der Text zusammen. Ich liebe düstere kleine Geschichten wie diese, weil ich auch Leute wie Nick Cave und Leonard Cohen mag. Es ist seltsam, weil Adele mir nachher erzählte, dass sie gerade die Kurzgeschichte 'The Hitman' von Charles Bukowski gelesen hatte, die genau dieses Thema behandelt."
Sons And Daughters
Warum sind die Songs und die Alben der Sons And Daughters eigentlich so kurz? "Dafür gibt es zwei Gründe", erläutert Scott, "erstens wollen wir es kurz haben und zweitens hatten wir Anfangs nicht genügend Geld, es länger zu machen. Wir haben unsere erste Scheibe selber finanziert, mit einer Beihilfe vom Scottish Arts Council. Dafür bekamen wir eine Woche Studiozeit. Wir haben auch neun Stücke aufgenommen, von denen zwei indes nicht so recht passten. Manche Leute nennen es Mini-Album, für uns ist es aber ein vollwertiges Werk. Die erste Suicide-Scheibe hatte ja auch bloß sieben Stücke." - "Ich bin auch selber nie ein Fan von Alben gewesen, die 50 Minuten oder länger dauern", ergänzt Adele. Vergleicht man den Sound des neuen Albums, so unterscheidet sich dieser doch sehr vom ersten. Er erscheint schärfer definiert, kompakter. "Wir wollten uns auch da nicht wiederholen", meint Scott, "es hätte ja jeder erwarten können, dass wir eine Blaupause unseres ersten Albums machen würden. Andererseits sollte es auch nicht dramatisch verschieden sein, sondern immer noch nach uns klingen. Das erste Album war ungefähr die Mischung der Musik, die wir bis zu diesem Zeitpunkt selber gehört hatten. Das neue Album reflektiert das, was wir seither gehört haben. Bei mir waren das z.B. Nina Simone, Gun Club, Violent Femmes und so etwas. Es gab da auch eine Menge Kompression, speziell auf den Stimmen. Victor van Vugt, unser Produzent, hat das vorgeschlagen. Das erste Album reflektierte nämlich nicht unseren Live-Sound. Einfach auch deshalb, weil wir die Sachen vor den Aufnahmen noch nicht live gespielt hatten. Das neue Album klingt deswegen aggressiver, härter - so wie wir live klingen." - "Nun, wir sind beim ersten Album einfach ins tiefe Wasser gesprungen und wussten da nicht viel von Aufnahmetechniken. Die Mikros für die Stimmen waren zum Beispiel nicht richtig - und so klingen die Stimmen auf dem Debüt verwaschen. Das konnten wir nachher auch nicht mehr ausbügeln. Bei der neuen Scheibe haben wir auf so etwas geachtet." Was ist denn der Grund dafür, dass die Sons And Daughters-Gitarren ziemlich pur klingen - also ohne Feedback oder Verzerrer? "Nun, als ich jünger war habe ich auch eine Menge Effekte gespielt", räumt Scott ein, "aber das langweilte mich irgendwann. Mir scheint es auch so, dass gewisse Leute durch die Verwendung von Effekten verbergen wollen, dass sie gar keine guten Stücke haben." - "Wir mögen auch 50s Rock'n'Roll-Scheiben", wirft Adele ein, "da haben sie auch einfach die Gitarren eingestöpselt und drauflos gespielt."

Wie Arab Strap scheuen sich auch die Sons And Daughters nicht davor, mit schottischen Dialekten zu singen - während viele schottische Acts sich ja geradezu darum bemühen, ihre Herkunft sangestechnisch zu verschleiern. Was ist der Grund dafür? "Dafür gibt es zwei Gründe", offenbart Adele, "erstens: Da ich von Arab Strap komme, hätte ich mich schon ganz schön seltsam gefühlt, wenn ich mich da jetzt plötzlich verbogen hätte. Wir dachten auch, dass es zur Aufrichtigkeit unserer Musik passte. Und dann kann ich auch gar nicht mit einem amerikanischen Akzent singen." - "Ich habe auch immer mit meinem eigenen Akzent gesungen", stimmt Scott zu, "es ist natürlich so, dass, wenn du eine schottische Band hast, in die Gefahr kommen kannst, wie die Proclaimers zu klingen. Deswegen versuchen wir auch zu vermeiden, allzu schottisch zu sein. Auf der anderen Seite wollen wir aber auch nichts verfälschen." - "Ich denke sowieso, dass der lokale Akzent in der britischen Musik ein Comeback feiert", überlegt Adele. Gibt es denn auch einen Folk-Background in der Sons And Daughters-Musik, der das schottische Element ja noch betonen würde. "Definitiv", bestätigt Scott, "ich bin zwar nicht direkt mit Folk-Musik aufgewachsen, aber ich mag Folk-Musik aus Amerika. Britische Folk-Musik sagt mir nicht so zu - ich mag Bert Jansch oder John Martyn, das ist es aber schon. Bob Dylan hat mich schließlich zu Harry Smiths Folk-Anthologie gebracht und damit habe ich mich dann beschäftigt. Diese Songs klangen irgendwie geisterhaft, seltsam und eigenartig. Das war ein großer Einfluss - besonders bei der ersten Scheibe. Es ist aber nicht die einzige Einflussquelle, weil wir alles mögliche mögen - von Jazz über Rockabilly bis zu Punk. Deswegen haben wir uns bemüht, eine gesunde Mixtur zu integrieren." Wonach suchen denn dann die Songwriter Sons And Daughters in ihren eigenen Werken? "Nun, das ist ganz einfach", erläutert Scott, "wenn wir nicht alle einen Song mögen, dann fällt er durchs Raster. So haben wir uns zum Beispiel bei dieser Scheibe alle auf die dort vorhandenen Stücke einigen können." - "Wenn die Texte einfach passen, dann ist das auch ein gutes Zeichen", fügt Adele hinzu, "es muss alles ineinanderfließen und zusammenpassen, das ist das Wichtigste." - "Es ist auch so, dass die Songs, die am schnellsten zustande kommen, auch die sind, die wir am meisten genießen", überlegt Scott, "wenn wir monatelang an einem Stück herumlaborieren, dann ist das schon mal kein gutes Zeichen und der landet dann schließlich auch auf dem Müll."

Sons And Daughters
Wohin soll denn die Sons And Daughters-Musik sich in der Zukunft entwickeln? Schließlich ist das momentane Format ja nicht beliebig dehnbar. "Das stimmt", bestätigt Scott, "deswegen haben wir uns bereits überlegt, dass die nächste Scheibe einen Schritt weitergehen soll. Ich liebe Leute wie Tom Waits, bei denen jede Scheibe anders klingt und die alles machen können. Er verwendet immer andere Zutaten, praktisch von der ganzen Welt. So etwas möchte ich auch machen. Ich weiß, dass die neue Scheibe anders klingen soll - ob sie düsterer oder fröhlicher sein wird, weiß ich noch nicht, nur anders soll sie sein. Weniger zusammenhängend vielleicht, oder abstrakter. Vielleicht werden wir verschiedene Instrumente verwenden." - "Das gute an dieser Band ist ja, dass wir von so vielen verschiedenen Dingen beeinflusst sind", meint Adele, "wir können also auch in jede Richtung gehen, in die wir gehen wollen und brauchen uns nicht zu beschränken." Wird es aber jemals eine schöne, langsame Ballade von den Sons And Daughters geben? "Absolut", meinen Adele und Scott im Chor und Scott ergänzt noch: "Wir haben sogar schon eine, die auf der B-Seite der aktuellen Single 'Dance Me In' zu hören ist. Das ist es auch, was wir auf der nächsten Scheibe machen wollen - mehr langsame Songs, aber auch kürzere Songs. Wir streben nämlich eine gewisse Langlebigkeit an. Alle Bands und Acts, die ich bewundere, sind äußerst abwechslungsreich und kreativ." - "Es ist aber schwerer ein Liebeslied zu schreiben, als einen traurigen Song", gibt Adele zu bedenken, "da ist Nick Cave ein gutes Beispiel. Der hatte zunächst auch nur zornige, aggressive Texte und ist dann erst durch die Bad Seeds dazu gekommen, schöne Liebeslieder zu schreiben. Solch eine Entwicklung möchte ich auch gerne durchlaufen. Ich weiß zwar nicht, ob ich das kann, ich möchte es aber auf der nächsten Scheibe zu versuchen." - "Wir haben zumindest schon mal versucht, einen fröhlichen Song zu schreiben", erzählt Scott, "das ist aber so schwierig! Ich war immer versucht, einen Moll-Akkord hinzuzufügen. Weißt du, fröhliche Musik tendiert dazu, lustig oder sogar lächerlich zu klingen. Deswegen ist es uns bislang noch nicht gelungen." - "Für mich fühlt sich dann so etwas immer gleich unehrlich an", meint Adele fast entschuldigend.

Die Sons And Daughters bilden mit ihrer energischen No-Nonsense-Methode eine erfrischende Alternative zum sonstigen Glasgow-Sound. Dabei paaren sich ein interessantes philosophisches und musikalisches Konzept mit einer gewissen Bodenständigkeit und einer unerwarteten menschlichen Natürlichkeit. Verbissen ist jedenfalls was anderes. Vielleicht lassen die Sons And Daughters gerade deswegen aufhorchen?

Weitere Infos:
www.sonsanddaughtersloveyou.com
www.dominorecordco.com/site/?page=news&artistID=189
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Pressefreigabe / Ullrich Maurer-
Sons And Daughters
Aktueller Tonträger:
The Repulsion Box
(Domino Records/Rough Trade)
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