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RILO KILEY
 
Durchgestartet
Rilo Kiley
Eine Band auf Höhenflug: Seit ihr drittes Album "More Adventurous" letzten Sommer in den USA und diesen Februar auch in Deutschland veröffentlicht wurde, geht es für das Quartett aus Los Angeles steil bergauf. Die Verkaufszahlen des Vorgängeralbums wurden mit dem aktuellen Werk mehr als verdreifacht, in den USA sind die Zuschauerzahlen inzwischen jeden Abend locker vierstellig, und auch in unseren Breiten haben Jenny Lewis, Blake Sennett, Pierre de Reeder und Jason Boesel seit ihren triumphalen Konzerten im Vorprogramm von Bright Eyes im Frühjahr viele neue Fans gewonnen. In Anlehnung an den Titel ihres 2001er Debütalbums, bei dem noch der alte Drummer Dave Rock am Schlagzeug saß, könnte man sagen: Durchgestartet sind sie schon lange, nur zur Landung werden sie so bald nicht ansetzen.
Besagter Erstling, "Take Offs And Landings", erscheint nun mit gehöriger Verspätung auch erstmals offiziell in Deutschland. Auf der Cover-Innenseite des Tonträgers steht zu lesen: "This material is training information only and will not be revised". Ein Scherz, na klar, aber wenn man sich die Setlisten der Rilo Kiley-Konzerte anschaut, auf denen sich kaum alte Songs wieder finden, und sich Jennys Aussagen ins Gedächtnis ruft, dass die Band die Platte doch inzwischen ein gutes Stück hinter sich gelassen hätte, könnte man glauben, dass sich doch ein Fünkchen Wahrheit dahinter verbirgt. "Was Jenny über das Album gesagt hat, hatte damals [im Frühjahr 2003] durchaus seine Berechtigung", erklärt Pierre bei unserem Gespräch vor dem RK-Auftritt im Kölner Gebäude 9. "Zu jenem Zeitpunkt hatten wir die Songs nämlich einfach unglaublich oft gespielt und sie deshalb ein Stück weit satt. Gerade auf dieser laufenden Tournee allerdings haben wir eine ganze Reihe der alten Stücke wieder für uns entdeckt. 'Pictures Of Success' haben wir dabei ziemlich umgekrempelt, die anderen spielen wir eher so wie damals."

Kein Wunder also, dass Pierre weniger streng mit "Take Offs..." ins Gericht geht, als Jenny das damals getan hat. "Das erste Album ist auch insofern etwas Besonderes, weil es über einen sehr langen Zeitraum entstand. Wir haben einfach zu Hause Songs aufgenommen, ohne genau zu wissen, ob wir daraus wirklich ein Album machen würden. Es wäre auch durchaus denkbar gewesen, daraus eine weitere EP wie [das RK-Debüt] 'Initial Friend' zu machen. Doch es wurden mehr und mehr Songs, und so wurde ein ganzes Album daraus." Während sich auf der letzten Platte unterschwellig ein Trend bemerkbar macht, die Songs sorgfältiger auszuproduzieren, gefällt an der ersten Platte vor allem ihr bisweilen rauer Charme, der nicht zuletzt daher rührt, dass die Stücke nicht nur in den eigenen vier Wänden der Musiker, sondern auch ohne Produzenten entstanden. "Es stimmt, die Platte habe ich damals gemeinsam mit Blake bei uns daheim aufgenommen und gemischt", erklärt Pierre. "Dabei hat sicherlich eine Rolle gespielt, dass ich ein großer Fan der Beatles bin und ihrer Art, sich bisweilen einfachste Studiotechnik zu Nutze zu machen."

Mit hörenswerten Ergebnissen. Einige prominente Fans der Band wie Matthew Caws von Nada Surf halten "Take Offs..." bis heute für das beste Werk Rilo Kileys. Für viele Quereinsteiger dagegen mag sich das Bild etwas verzerren, da sie vermutlich die Alben in rückwärtiger Reihenfolge, zunächst das aktuelle dritte, dann das schon weiter verbreitete Zweitwerk "Execution Of All Things" von 2003 und dann erst das bisher nun einmal schwer zu findende Debüt gehört haben dürften. "Ich glaube nicht, dass es eine große Rolle spielt, dass viele 'Take Offs...' erst hören, wenn sie die anderen beiden Platten schon kennen. Sie wissen ja, dass es sich dabei um ein Frühwerk handelt, und gehen dementsprechend an die Platte heran", glaubt Pierre. "Natürlich sind wir jetzt eine völlig andere Band. Das liegt in der Natur der Sache, nicht zuletzt auch deshalb, weil wir jetzt bessere Musiker sind. Wobei Letzteres natürlich nicht zwangsläufig bedeutet, dass dabei auch bessere Songs herauskommen."

Nach der unlängst erfolgten Vertragsunterzeichnung bei Warner Bros. blühte in den Fan-Foren auch die Diskussion wieder auf, ob das nun der richtige Schritt in Richtung musikalischer Expansion oder nur ein Schritt hin in Richtung glatter Stromlinienförmigkeit sei. "Ich weiß, dass viele denken, ein Deal mit einem Major bedeutet, dass sie uns Vorschriften machen werden. Das wird allerdings nicht passieren. Wir haben uns diesem Schritt schließlich sehr behutsam genähert und zuerst durch den Vertriebsdeal für die aktuelle Platte eine sehr gesunde Beziehung zu dem Majorlabel aufgebaut. Wir werden auch weiterhin in jeder Beziehung das Sagen haben. Die Sorgen einiger Leute sind meiner Meinung nach unbegründet."

Den wunderbaren neuen Songs nach zu urteilen, die die Band bereits jetzt im Liveprogramm hat, ist die Sorge in der Tat unbegründet. Doch wer weiß, was in den Studioversionen aus "I Love LA", "Pull Me In Tighter" oder "Somebody Else's Clothes" wird? "Ich kann wirklich nicht sagen, welche Richtung die neuen Songs nehmen werden", wehrt Pierre ab. "Das wird sich zeigen, wenn es so weit ist, die nächste Platte aufzunehmen. Wir haben eine ganze Menge Fragmente, aber nur recht wenige Songs, die komplett fertig und spielbar sind. Natürlich stellt es eine schöne Abwechslung dar, brandneue Songs zu spielen, schließlich spielen wir die Songs der aktuellen LP auch schon ein Jahr, teilweise sogar länger." Während die Konzerte der aktuellen, natürlich von Gaesteliste.de präsentierten Deutschland-Tournee im kuscheligen Club-Rahmen stattfinden, warten in den USA die größten Arenen und Freiluft-Pavillons auf die vier - als Support von Coldplay! "Wir wissen nicht genau, was da auf uns zukommt", gesteht Pierre. "Natürlich haben wir eine Ahnung, schließlich sind wir alle schon bei Shows der Größenordnung gewesen, aber sicher können wir uns nicht sein. Schön ist, dass auf allen Plakaten wirklich 'Coldplay plus Rilo Kiley' steht. Das heißt, man versucht uns nicht zu verstecken. Wir werden wohl auch ein vernünftig langes Set spielen können, ich denke mal 45 Minuten".

Da bleibt den eingefleischten RK-Fans also genügend Zeit, um verzweifelt nach den Frühwerken ihrer Lieblinge zu verlangen, dabei hat die Band die meistgewünschten Songs der bereits erwähnten "Initial Friend"-EP schon seit Jahren nicht mehr im Programm. Selbst nach Europa ist der Trend schon herübergeschwappt, wie Pierre amüsiert erklärt: "Oh, das ist in Europa nicht anders. Ich kann mich eigentlich an keine Show erinnern, bei der nicht irgendwer 'Glendora' verlangt hätte." Eine letzte Frage noch: Wer ist denn das süße kleine Mädchen mit der Spielzeug-Trompete, die man auf einigen Rilo Kiley-Konzertfotos der aktuellen Tournee am Bühnenrand stehen sieht? "Das war meine Tochter. Sie liebt es, mit ihrer kleinen Tompete am Bühnenrand zu stehen und 'mitzuspielen'." Heißt das, dass Nate Walcott, der auf früheren Tourneen bei Rilo Kiley die Trompete spielte (und dies derzeit nicht tut, da er zeitgleich bei Bright Eyes engagiert ist), um seinen Job bei Rilo Kiley fürchten muss? Pierre grinst und sagt: "Na klar! Nate, sieh dich vor!"

Weitere Infos:
www.rilokiley.com
www.rilokiley.net
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Pamela Littky-
Rilo Kiley
Aktueller Tonträger:
Take Offs And Landings
(Barsuk Records/Indigo)

 
 

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