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RICHARD HAWLEY
 
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Richard Hawley
Richard Hawley ist einer jener Musiker, die im Laufe der Jahre so einige Höhen und Tiefen durchlebt haben - beruflich wie persönlich. Der Mann aus Sheffield begann bereits im Alter von sechs Jahren Gitarren zu spielen, überlebte die Rock'n'Roll-Exzesse seiner ersten Band, Longpigs, spielte als Gitarrist bei Pulp, der Band seines ältesten Kumpels Jarvis Cocker und arbeitete nebenher als Session Musiker. Es war jedoch erst sein 2001er Solo-Debüt, "Late Night Final", mit dem er seine eigene Visionen verwirklichen konnte. (Auch wenn die CD damals ein Sticker zierte, die ihn als "Pulp-Guitarist" auswies.) Hier präsentierte sich ein romantisch-melancholischer, nachdenklicher Songwriter, der seine - stets mit einer Prise Schwermut gewürzten - Ideen in Formaten auslebte, die stark an verflossene, bessere Zeiten der 50er und 60er erinnerten. Dazu sang er dann mit einer einschmeichelnd souveränen Bariton Stimme von den kleinen Dingen, die in der Summe das Leben ausmachen. Das galt auch für das Nachfolgealbum "Lowedges" von 2003 und ganz besonders für das neue Werk, "Coles Corner", das dieses Konzept bislang auf die Spitze trieb: Obwohl für Richard ansonsten die Prämisse "weniger ist mehr" gilt, erlaubte er sich hier bei einigen Tracks ein Orchester - was die Intensität seiner persönlichen Moritaten noch unterstreicht und intensiviert. "Coles Corner" ist - wie "Lowedges" - ein Teil Sheffields: Eine Ecke, die sich auf einen nicht mehr existierendes Kaufhaus bezieht, und an der sich Generationen von Liebenden zum Tete a Tete verabredeten. Ist "Coles Corner" also so etwas wie Richards "Strawberry Fields"?
"Ja", räumt Richard unumwunden ein, "'Coles Corner' befand sich vor diesem alten Kaufhaus, das lange zugemacht hat. Was mich aber daran fasziniert, ist, dass er sich nicht auf einer Stadtkarte wiederfindet und es auch keine Hinweisschilder oder so etwas gibt. Vielmehr ist er so etwas wie eine Tradition die in den Herzen und Gedanken der Leute verankert ist. Das Kaufhaus, nachdem 'Coles Corner' benannt ist, ist lange verschwunden - aber die Leute brauchen ja Orte, an denen sie sich treffen können. Und sie haben sich dort seit ungefähr 100 Jahren getroffen. Es ist eine romantische, faszinierende Idee, dass es tausende und abertausende von Leuten gibt und gegeben hat, die sich dort kennengelernt haben. Ich singe also hier eher über diesen Gedanken, als über den eigentlichen Ort, der eigentlich bedeutungslos ist und überall sein könnte. Für Leute, die hier leben, bedeutet dieser Ort eine ganze Menge." Diese Art von Umsicht bei der Songgestaltung macht Richards Stücke übrigens ganz nebenbei auch ganz besonders glaubwürdig. "Ja, obwohl, manche Stücke auf der Scheibe schon noch konkreter sind", schränkt Richard ein, "ich basiere meine Geschichten einfach auf dem wahren Leben und versuche nicht, mir welche auszudenken. Das habe ich mal versucht, aber meine besten Songs sind, die, die ich selber erlebt habe." Warum klingt das neue Album denn gelassener und weniger düster als seine bisherigen Werke? "Das findest du?", fragt er erstaunt, "ich finde es ist viel düsterer als mein bisheriges Zeug - besonders was die Texte angeht. Aber jedem das Seine..." Nun, vielleicht entsteht dieser Eindruck ja durch das allgemeine Sound-Design - mit dem großen Orchester auf der einen und dem sanften Band-Sound auf der anderen Seite? "Es sind ja nur drei von 11 Stücken mit Streichern", schränkt Richard ein, "ich wollte einfach ein Orchester den ganz simplen, einfachen Dingen gegenüberstellen - wie z.B. einer Stimme und einem Instrument. Wie zwei Extreme. Ich wollte beweisen, dass es dasselbe ist. Man kann etwas wehr Großes sehr einfach klingen lassen und etwas sehr Kleines sehr groß." Was ist denn die Faszination, etwas einfach zu halten? "Nun, was denkst du denn?", lacht Richard, "ich gebe dir mal ein Beispiel: Wenn wir jetzt zusammen einen Trinken gingen und dabei in einem ruhigen Gespräch über das Leben philosophieren würden, dann musst du für alles offen und ehrlich sein. Und dann merkst du auch, wenn man dich verarschen will. Wenn man bloß ein Instrument und eine Stimme hat, dann ist das so, dass die Leute sehr viel schneller merken, wenn man sie verarschen will. Anders, als würde man sich hinter einem Wall Of Sound verstecken." Ist das auch der Grund, warum das Album so ruhig, beinahe sanftmütig geworden ist? "Also das neue Album klingt definitiv ruhig, weil das letzte Jahr eines der schlimmsten in meinem Leben gewesen ist", verrät Richard, "ich habe eine Menge Freunde verloren und mein Vater wäre fast an Krebs gestorben. Ich denke, dass man dieses Gefühl auch in der Musik verspürt. Es ist wie ein tiefer Atemzug, den man nimmt, bevor das Leben weitergeht. Deswegen ist das neue Album so sanft." Das heißt: Musik ist Therapie? "Heißt das, dass ich mich wie ein geistig Behinderter anhöre?", freut sich Richard, "ja, es ist schon so, dass man Dinge besser verarbeiten kann, wenn man einen Song darüber schreibt."
Richard Hawley
Von welcher Musik lässt sich Richard eigentlich heutzutage inspirieren? "Heutzutage? Von gar keiner", antwortet er, "ich fühle mich inspiriert von den Dingen, die ich als Kind gehört habe. Seien es Elvis oder Gene Vincent oder Santo & Johnny Farino - zwei italienische Brüder, die nicht besonders gut englisch sprachen. Sie haben in den 50er und 60er Jahren wunderschöne Instrumentalalben herausgebracht. Die brauchten keine Stimmen. Ihre Musik sagt mehr als Worte. Unbedingt empfehlenswert - ich suche immer nach Scheiben von denen. Versuche, ihre Scheiben zu finden!" Warum fühlt sich Richard denn von zeitgenössischer Musik nicht mehr inspiriert? "Nun, meine Musik ist ja modern, weil ich sie jetzt mache", wehrt Richard ab, "aber die Sache ist die: Ich bin jetzt in einem bestimmten Alter und ich spiele Gitarre, seit ich sechs bin. Ich habe 5 000 Langspielplatten zu Hause und 3 000 CDs. Ich höre mir dauernd Musik an. Ich habe auch das Radio an und höre mir an, was dort gespielt wird. Aber was dir nun mal passiert, wenn du dein ganzes Leben Musik hörst, ist, dass wenn du modernes Zeugs vorgesetzt bekommst, alles schon mal dagewesen ist. Für die jungen Kids im Alter von 18 ist es das erste Mal, dass sie so etwas hören. Für mich ist es die dritte oder vierte Welle - die immer noch klingt wie die Sex Pistols oder Echo & The Bunnymen oder Orange Juice. Weißt du, was ich meine? Ich muss noch dazu sagen, dass ich mir keineswegs nur Balladen anhöre. Ich liebe Rock'n'Roll - Little Richard oder Bo Diddley. Den spiele ich z.B. mit meiner Rockabilly-Kapelle The Feral Cats. Das ist für mich die Quelle des Flusses." Ein gutes Beispiel dafür ist "Wading Through The Water Of Our Time", das ein ziemlich unverblümtes, klassisches Country-Stück darstellt. "Country Musik ist ja auch brillant", meint Richard, "natürlich kein modernes Zeug, denn das ist Scheiße. Was mich aber zu dem Stück inspiriert hat, war anzustreichen." Häh? "Ja, anzustreichen. Zu der Zeit, in der dieses Stück entstand, haben wir gerade unseren Proberaum aufgebaut", verrät er, "und meine Jungs hatten große Schaufeln in ihren Händen. Wir haben die Tapeten abgerissen und waren alle in Staub gehüllt. Da haben wir ganz schnell dieses Stück aufgenommen - alle um ein Mikrophon rum gruppiert in staubigen Overalls. Das sah ganz schön komisch aus. Das ist dann also wirklich ein typischer Arbeiterklassen-Country Song geworden. Obwohl das Stück selber praktisch vom Tod handelt. Der Tod war also meine wahre Inspiration. Und das Anstreichen. Es ist nämlich so, dass meine Songideen mir kommen, wenn ich etwas wirklich Langweiliges mache. Wie z.B. abzuspülen, anzustreichen oder sogar wenn ich schlafe. Ich schreibe dann meine Träume auf, wenn ich mich dazu aufraffen kann. Ich habe sogar viele Songs geträumt. 'Long Back Train' z.B. oder 'Can You Hear The Rain'. 'Last Order', das Instrumental auf der neuen Scheibe, entstand z.B. während eines Nickerchens in einem Taxi. Ich muss zugeben, dass ich da ziemlich müde war, weil ich nämlich ziemlich viel getrunken hatte. Da wachte ich dann aber mit dieser Melodie in meinem Kopf auf. Ich bin dann so schnell es ging ins Studio geeilt und habe den Song aufgenommen." Das heißt ja doch, dass Richard ziemlich schnell arbeitet, nicht wahr? "Sehr so gar", stimmt Richard zu, "das hängt damit zusammen, dass schon alles da ist. Es geht nur darum, es aufzuschreiben." Und in Form zu bringen. Wie muss man sich das denn vorstellen? "Nun, ich verwende einige Effekte - zum Beispiel ein altes analoges Hallgerät, aber hauptsächlich ist der Raum, von dem ich dir gerade erzählte, ziemlich groß und was du hörst, ist der natürliche Raumklang. Es ist ein wenig wie bei den alten Rock'n'Roll Aufnahmen." Das bedeutet wahrscheinlich, dass Richard auch ein Anhänger von antikem Aufnahmegerät ist. "Nein", widerspricht er bestimmt, "ich habe alles auf Pro-Tools aufgenommen. Aber ich verwende das nur als Aufnahmegerät wie ein Bandgerät. Es ist schlicht einfacher. Wenn ich allerdings die Aufnahmen fertig habe und sie mastern lasse, geht es zunächst auf ein Halbzoll-Band. Damit kann man bessere Resultate erzielen."
Richard Hawley
Richard ist ja auch als Songwriter für andere Musiker tätig. Wie ist das denn so und was hat er in der Pipeline? "Nun, ich schreibe schon seit einiger Zeit für andere Leute", erklärt Richard, "das ist immer eine Kollaboration. Du hast quasi einen Handschuh an und versuchst, diesen für andere passend zu machen. Das kann ganz schön chamäleonartige Züge annehmen - es ist aber meiner Meinung nach wichtig, auch ein wenig seiner selbst einzubringen. Demnächst werde ich etwas mit Stuart A. Staples von den Tindersticks machen. Ich spiele des weiteren Gitarre für Wanda Jackson - kennst du sie? Und ich soll ein Album einer Band aus Schottland namens 'Camera Obscura' produzieren. Sie sind sehr gut. Ansonsten muss ich mal sehen." Wird es denn eine richtige Live-Tournee geben? Zuletzt spielte Richard ja im Vorprogramm von R.E.M. "Ja, auf jeden Fall", bestätigt er, "es ist ja schön und gut auf einer großen Bühne zu stehen und vor einem großen Publikum zu spielen, aber ich bevorzuge es in kleineren Hallen ein volles Programm zu spielen. Denn was kannst du dem Publikum in einer halben Stunde schon bieten?" Was ist denn für Richard das, was ihm am meisten Spaß macht, und was ist das, was am Schwierigsten ist? "Mit Freunden einen Trinken zu gehen", lacht Richard, "und ein wenig Rock'n'Roll zu spielen. Das liebe ich. Schwierig finde ich dabei eigentlich nichts. Ich spiele Gitarre seit ich ein kleiner Junge bin - das ist es, was ich tue. Musik ist für mich keine Musik, sondern Sauerstoff, den ich zum Leben brauche. Ohne bin ich wie ein Fisch auf dem Trockenen."
Weitere Infos:
www.richardhawley.co.uk
www.mute.de/artists/hawley.shtml
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Pressefreigaben-
Richard Hawley
Aktueller Tonträger:
Coles Corner
(Mute/EMI)
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