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ABIGAIL LAPELL
 
Kleiner als das Leben
Abigail Lapell
Die kanadische Künstlerin Abigail Lapell begann ihre musikalische Laufbahn als Folk-Songwriterin bereits 2011 mit der Veröffentlichung ihres Debüt-Albums "Great Survivor" und machte sich in der kanadischen Folkszene auch schnell einen Namen als gewiefte Storytellerin, die dann auch schon mit ihrem zweiten Album "Hide Nor Hair" den Durchbruch schaffte und den Canadian Folk Music Award für das beste zeitgenössische Album einheimste. Zwei Jahre später gewann sie dann mit ihrem dritten Album "Getaway" erneut in der Kategorie "Songwriter Of The Year". Dass die in ihrer Community bestens vernetzte Musikerin bei uns noch nicht so recht bekannt ist, liegt vor allen Dingen daran, dass sie in Kanada und den USA zwar regelmäßig unterwegs unterwegs ist und auf so ziemlich jedem denkbaren Folk-Festival aufgespielt hat, bei uns aber eben noch nicht.
Eine reinrassige, puristische Folkerin ist Abigail Lapell schon lange nicht mehr und nachdem ihr letztes Album "Stolen Time" auch hierzulande veröffentlicht wurde und musikalisch bereits rauer und vielseitiger angelegt ist, geht sie mit dem neuen Album noch einen Schritt weiter und beschloss, das aktuelle Projekt zusammen mit ihrem Freund Tony Dekker zu realisieren. Dekker ist der Kopf des auch bei uns populären Ensembles Great Lake Swimmers, das dafür bekannt ist, die Aufnahmen zu den eigenen Projekten an ungewöhnlichen Orten wie z.B. Höhlen, Silos, Scheunen oder Kirchen einzuspielen. Deswegen überrascht es auch nicht, dass er Abigail überzeugen konnte, auch deren Album in einer alten Kirche aufzunehmen. Von welcher Art "Geburtstagen" singt Abigail denn auf dem neuen Album? Geht es um Erinnerungen, spezifische Geburtstage oder den den Begriff "Anniversary"? "All das", erwidert Abigail, "ich habe tatsächlich über den Begriff 'Anniversary' nachgedacht, der ja bedeutet 'jährlich wiederkehrend', aber über auch bestimmte Meilensteine im Leben oder tatsächlich einen runden Geburtstag. Dann gab es auch einige Heiraten in meiner Familie und es sind ein paar Babys geboren worden. Und mein Vater verstarb vor zehn Jahren - was auch ein großer Einschnitt für mich war, an den ich denken musste. Es ging mir also darum dieses bittersüße Gefühl, anzusprechen mit dem wir den Lauf der Zeiten markieren - und auch den großen Anteil, den die Musik daran hat." Es geht dabei ja auch um Erinnerungen? Die beste Art, Erinnerungen einzufangen, ist ja eigentlich die, Lieder über diese Erinnerungen zu schreiben. "Da stimme ich total zu", meint Abigail, "und ich habe dabei auch an die kulturellen Erinnerungen gedacht und die Art, in der Songs für uns Abschnitte im Leben markieren. Songs sind ein großes Repositorium für Kultur und Tradition."

Wovon fühlte sich Abigail Lapell auf der gesanglichen und performerischen Seite inspiriert - besonders eingedenk der Tatsache, dass sie nicht in einem Studio, sondern einer Kirche aufnehmen würde? "Gesanglich fühle ich mich natürlich von großen, weiblichen Stimmen inspiriert", berichtet Abigail, " und es mag komisch klingen, aber es ging mir dieses Mal auch um Kindermusik. Ich habe nämlich als Musiktherapeutin mit kleinen Kindern und Babys gearbeitet. Diese Tradition habe ich dann aufgegriffen und dieses Hin und Her in der Musik, die stilisierte Sprache der Kindermusik aufgegriffen. Und letztlich bin ich auch immer sehr interessiert an ritualisierter Musik wie man sie von Kinderreimen her kennt." Dafür gibt es Beispiele wie "Rattlesnakes", "Count On Me" oder "Flowers In My Hair", die Abigail und Tony Dekker - musikalisch übrigens recht unterschiedlich - in Form von Call & Response-Tracks anlegten. "Ja - besonders 'Flowers In My Hair' war insofern cool, als das alle darauf mitgesungen haben", berichtet Abigail, "auch Musiker, die normalerweise nicht singen. Wir haben im Kreis gesessen und alle zusammen gesungen. Das war insofern anders als bei anderen Aufnahmesessions, als dass das alles sehr viel spontaner und direkter gewesen war.
Abigail Lapell
Von den Aufnahmesessions kann man sich über der Videos des "Anniversary Song" und "Rattlesnakes" einen Eindruck verschaffen, denn diese wurden in der Kirche aufgenommen, in der auch die Produktion des Projektes stattfand. "Ja, wir haben mitgeschnitten, wie wir die Musik eingespielt haben und daraus dann die Videos zusammengeschnitten", erzählt Abigail, "es war ja Tonys Idee in der Kirche aufzunehmen. Das ist es auch, wie diese Zusammenarbeit zustande kam. Wir hatten uns schon eine ganze Weile darüber unterhalten, denn er hat mit den Great Lake Swimmers ja schon einige Projekte in dieser Art durchgeführt. Ich fand diese Idee immer schon interessant - war aber zugleich auch ein bisschen eingeschüchtert davon. Aber dabei ging es eher um die logistischen Aspekte und darum, dass ich mich aus meiner Komfortzone bewegen müsste. Tony hat dann angeboten, vieles schon mal vorzubereiten und am Ende war es dann schon wirklich sehr entzückend. Tatsächlich hatte ich schon lange nicht mehr so viel Spaß bei Plattenaufnahmen gehabt. Es war ja auch ein sehr schöner Ort mit einem sehr einzigartigen Klang und einer sehr schönen Atmosphäre." Inwieweit ändert die Aufnahme in einer Kirche denn den Ansatz die Performance betreffend? "Besonders als Sängerin fühlte ich mich ganz anders - weil man ja den Raumklang und das Echo mit einbeziehen muss. Ich weiß es nicht mehr ganz genau, aber Tony hat das Echo ausgemessen und das waren mit Hall ca. sechs Sekunden. Wir haben das dann mit dutzenden Mikrofonen, die im Raum verteilt waren, ausgleichen müssen. Ich denke aber, es klingt alles sehr schön - aber ich fühlte mich schon anders bei den Aufnahmen. Ich denke, dass meine Performance dadurch auch größer wurde, als hätte ich etwa in einer kleinen Gesangskabine im Studio gestanden." Ist es denn schwieriger in einer solchen Umgebung aufzunehmen? "Nein - das hat sich sogar natürlicher und leichter angefühlt", führt Abigail aus, "man fühlt den großen Raum dann mit. Auch die intimeren, leisen Songs fühlen sich so anders an - aber ich denke nicht, dass das ein Problem war, denn das kann man alles ausbalancieren. Ich denke, der wichtigste Unterschied ist die Dynamik, wenn man so einen großen Raum mit niedrigem Boden und hoher Decke hat - die Spannbreite vergrößert sich dann halt. Es konnte dann schon sehr leise, aber auch sehr laut werden."

Wie entwickelt sich der Prozess denn für Abigail? Geht sie mit einem bestimmten Ziel vor Augen an die Aufnahmen heran? Gibt es einen Plan oder ein Thema, bevor die Aufnahmen beginnen? "Das hängt doch sehr von dem Projekt ab", führt Abigail aus, "in diesem Fall war das so, dass wir vor den Aufnahmen die Songs schon arrangiert und geprobt hatten - zweifelsohne aber mit Raum zum Atmen im Studio bzw. der Kirche. Wir konnten dann Dinge ausprobieren und herumexperimentieren. Und das war dann die Herausforderung für mich, denn ich arbeite nicht mit Audio-Referenzen und will nicht wie diese oder jene Band klingen. Ich konzentriere mich mich lieber auf das Songwriting und die Texte - wobei ich auch nicht immer sofort weiß, worüber ich gerade schreibe. Tony Dekker hat dann vieles in technischer und klanglicher Hinsicht gemacht - wegen des Echos in der Kirche. Es gab dann sogar Momente, in denen wir das Tempo anpassen und langsamer spielen mussten - eben wegen des Halls und des Echos. Das ist schon okay - man muss es aber beachten. Das ist auf Tour auch nicht anders - da muss man immer die Akustik des Raumes mit einbeziehen. Und auf die Stimmung und die Tagesform."
Wenn Abigail sagt, dass sie nicht immer genau weiß, worüber sie gerade schreibt, heißt das ja, dass die Musik dann eine Art Eigenleben entwickelt. Soll sie dann auch größer als das Leben sein? "Musik hat für mich absolut schon ein Eigenleben", bestätigt Abigail, "ich muss aber sagen, dass sie nicht größer sein muss als das Leben. Das ist etwas, mit dem ich hadere, denn ich liebe intime, ruhige, kleine Geschichten. Ich finde es manchmal schwer, konkret zu werden und verhaspele mich dann in diesen kleinen Details, anstatt das große, konzeptionelle Ganze zu erfassen. Ich würde sogar sagen, dass Musik für mich auch kleiner als das Leben sein darf." Verwendet Abigail ihre Songs dann auch in autotherapeutischer Hinsicht? "Ja - ich finde definitiv, dass es eine Art Therapie für mich ist", erklärt Abigail, "eine Freundin von mir sagt immer, dass Musik billiger als Therapie sei. Natürlich geht es darum, Dinge zu verarbeiten. Meistens allerdings, indem ich versuche eine Stimmung oder eine Emotion als Schnappschuss einzufangen - und weniger eine Geschichte zu erzählen, denn ich betrachte mich nicht als Geschichtenerzählerin." Was zeichnet dann einen guten Song für Abigail aus? "Ich mag gute Reime sehr", überlegt Abigail, "das ist für mich deswegen so fesselnd, weil ich am Klang der Worte ebenso interessiert bin, wie an der Sprache. Ich mag natürlich auch eine zeitlose, eingängige Melodie - obwohl ich nicht wüsste, wie man so etwas definieren könnte. Vielleicht indem man meint, dass man die Melodie schon kennt, wenn man sie zum ersten mal hört und sie sich irgendwie vertraut anhört?"

Da Abigail Lapell in Nordamerika bereits ein gewisses Standing hat, wird sie ihr Album "Anniversary" zunächst ein Mal dort präsentieren. Aktuell ist sie bereits in Kanada unterwegs - es folgen dann die USA. Erst danach plant sie, eine Tour in Europa zu buchen - dann allerdings wohl auch mit einer vollen Band.
Weitere Infos:
www.abigaillapell.com
www.facebook.com/AbigailLapell
www.instagram.com/abigaillapell
www.youtube.com/@abigaillapell/videos
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Jen Squires-
Abigail Lapell
Aktueller Tonträger:
Anniversary
(Outside Music/Bertus)
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