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Interview-Archiv

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PHILLIP BOA AND THE VOODOOCLUB
 
So wie früher
Phillip Boa And The Voodooclub
Phillip Boa ist wieder mit einer neuen Platte zurück - "My Private War" heißt sie, und wenn man keine von den kopiergeschützten Versionen erwischt hat, die der CD-Player nicht abspielen will, dann kann man Herrn Boa mit seinem Voodooclub in Bestform erleben. Auf insgesamt 13 Stücken läßt er seinen wahnwitzigen Texten wieder freien Lauf, die Melodien gehen nicht unter und eine neue Frauen-Stimme ist auch mit dabei. So wie früher? Bei unserem Interview in den heimischen Dortmunder Gefilden stand uns Herr Boa Rede und Antwort.
Die neue Platte wurde teils auf Malta, Deinem zweiten Wohnsitz neben Dortmund, und New York aufgenommen - wie lief es denn im Studio auf Malta?

Boa: Einer meiner besten Freunde, David Vella, den hab ich vor ca. acht Jahren auf Malta kennengelernt, der hatte da so ein Garagenstudio, hat jetzt ein schönes Studio am Meer gebaut, mit einem sehr konkurrenzfähigen Mischpult, und da wurden auch schon einige erfolgreiche Platten aufgenommen. Da hänge ich auch ziemlich viel rum. Es gab immer so Erfolgsmomente, man setzt sich selbst ja sehr unter Druck, und normalerweise setzt die Plattenfirma einen auch sehr unter Druck. Aber das war diesmal gar nicht der Fall, meine neue Plattenfirma (Phillip wurde ja von Motor Music zur RCA gewechselt) hat uns da walten und spielen lassen, insofern war das ein unheimliches Gefühl der künstlerischen Freiheit. Wir haben viel Spass gehabt und es war wie früher.

Wie war es früher?

Boa: Es gibt schon gewisse Unterschiede, früher heisst bei mir vor 14 jahren, 1985 erschien unsere erste Platte, wir waren mehr so suchende Dilettanten, wir haben Popmusik nicht akzeptiert, wir haben damit rumgespielt, avantgardistisch zum Teil im Rahmen der Popmusik. Wir haben viel selbst gemacht, ohne Respekt vor irgendwas. Das verliert man etwas im laufe der Jahre, weil man immer mehr dazulernt. Es ist eine gewisse Gefahr. Ich bin, glaube ich, jetzt etwas zu meinen Anfängen zurückgekehrt, aber schon mit dem Wissen, wie man Songs schreibt. Es ist nicht genau dasselbe.

Neu auf dem Album ist ja auch die weibliche Stimme, die der Alison von den Beangrowers gehört, die ja auch aus Malta kommen. Wie ist denn diese Zusammenarbeit entstanden?

Boa: Der David vom Studio ist der Produzent und Entdecker der Beangrowers, von daher habe ich die schon sehr früh kennengelernt, die sind alle sehr jung, 21 und so, und mir gefiel die Stimme von der Alison schon immer sehr gut, und ich wollte auf der Platte unbedingt wieder weiblichen Gesang haben und dann haben wir Testaufnahmen gemacht. Das untermalt meine relativ tiefe Stimme optimal, das ergibt so diesen extra melodischen Effekt, diese Ambivalenz, hoch und tief, gut und böse, das funktioniert gut.

Ist das eine längerfristige Angelegenheit oder nur für diese Platte?

Boa: Das weiss ich nicht. Ich denke, dass Alison ihre eigene Band weitermachen will. Die Beangrowers werden auch auf unserer Tour als Special Guest spielen, und Alison kommt für die meisten der Songs auch noch zu uns auf die Bühne.

Wird es denn einen Gegenpart geben, dass Du mal bei denen etwas produzieren oder remixen möchtest?

Boa: Ja, ich bin schon zum Teil deren Publisher, also Musikverleger, und ich hab auch 'ne Menge Liebe in die erste Platte der Beangrowers reingesteckt. Ich hoffe, sie können noch eine zweite machen, die sind bei Zomba unter Vertrag. Mal sehen.

Steckt hinter dem Albumtitel, "My Private War", eine Geschichte? Erzähl mal...

Boa: Albumtitel sind immer gut, wenn sie provozieren, wenn sie zu Assoziationen anregen. Jeder Journalist stellt mir im Moment diese Frage. Ich sehe es als Metapher, das ist ein Bild für einen sanften Krieg, den man führt gegen die Menschen, die einen enttäöuscht haben, gegen die Niederlagen, die einen zurückgeworfen haben. Das ist nicht verbittert, sondern sehr ironisch, genauso wie meine Texte nie nur düster sind, sie haben auch immer das Helle und Positive, eine gewisse Ambivalenz und Atmosphäre. Genauso ist das bei "My Private War" auch zu sehen. Das Leben wirft einem immer schöne Stöcke zwischen die Beine, richtig feste und Du kannst es trotzdem aushalten. Man soll irgendwie nicht aufgeben.

Man hatte trotzdem den Eindruck, dass sehr viele Liebeslieder drauf sind, oder Lieder, die sich zumindest so anhören? Stimmt das?

Boa: Ich weiss nicht, was Liebeslieder sind, der Begriff wird in der Presse immer ein bisschen missbraucht. Liebe ist der Sinn des Lebens, das kann die Liebe sein zu Deinen Freunden, Deinem Vater, Deiner Familie, Freundin, Frau, das kann aber auch die Liebe zum Verreisen, zur Kunst, Musik, Lesen, Sehnsucht sein, ohne Liebe ist das Leben sinnlos. Das ist auch ein ganz entscheidender Punkt in der Ethik, Philosophie, die manche Theoretiker auch vergessen. Mein Album handelt selbstverständlich auch davon, wie jedes Album eines Künstlers.

Viel Liebe zum Detail steckt meistens auch im Coverartwork. Hat das wieder Dirk Rudolph gemacht, wie auch schon früher?

Boa: Das hat diesmal jemand anderes gemacht, weil meine neue Plattenfirma irgendwie nicht mit Dirk arbeiten wollte. Dirk ist ein genialer Designer und ich würde ihn auch jederzeit wieder einsetzen. Nur er steht sehr für eine andere Firma und das ist zufällig meine alte Firma und da gab es gewisse Reibereien.

Es gibt da eine Story über Dirk und Dich, dass Du damals vor 15 jahren in Dirk's Plattenladen gegangen bist und gesagt hast: Dirk, ich möchte, dass Du mein Cover machst. Stimmt das oder ist das ein Gerücht?

Boa: Das ist schon so abgelaufen. Ich war damals Kunde in diesem kleinen Indie-Plattenladen, der hies "Play It Loud", ein richtig guter Laden, er hatte auch schon ein oder zwei Cover gemacht, die mir gut gefallen haben, von einer Band namens "Fenton Wilds", in der er auch selbst gespielt hat, tja und so ist das dann gekommen, sehr spontan. Er hat dann meine erste Maxi gemacht, und seitdem ganz viele Sachen.

Es gab ja diesen Boa-Remixbattle, wo sich Leute die verschiedenen Sound-Spuren des Songs "Baby Take The Strain Out" im Internet runterladen konnten und so ihre eigenen Remixe herstellen konnten . Wie ist es dazu gekommen?

Boa: Ich bin ein grosser Fan von Remixen. Ich mag es, wenn meine Musik geremixt wird, und ich hatte schon eine stattliche Anzahl von Künstlern, die meine Sachen geremixt haben, LFO, Aphex Twin, der von den Pet Shop Boys, Westbam auf "This Is Michael", übrigens der erste Remix, den Westbam je von einer Band gemacht hat, die nicht aus der Danceszene kommt. Ich bin ein grosser Fan und möchte am liebsten hundert Remixe haben. Da kam dann einer von der Plattenfirma und meinte: Ich hab 'ne Idee, wir machen einen Remixbattle im Internet. Da hab ich gesagt: Ok, ich bin dabei, das hört sich gut an. Wir haben dann ein Lied genommen und den Leuten 24 Spuren gegeben, mit auch von uns erfundenen Samples, also kein Lied, wo wir fremde Samples genommen haben. Das konnte sich jeder runterladen, und kann damit machen was er will, was draufsingen oder so.

Was bekommen die Hauptgewinner?

Boa: Tja, da gibt es den einzigen Streit zwischen mir und meiner Plattenfirma. Ich hätte gerne eine Doppel-CD mit je 15 Tracks, mit 15 meiner besten Remixe und 15 Remixen der Gewinner, und das findet die Firma zu aufwendig. Vielleicht gibt es auf einer nächsten Single drei oder vier Remixe. Auf jeden Fall sollte man sich das im Internet anhören können. Ich bin jetzt auch nicht der Internet-Spezialist, ich kann ein bisschen rumsurfen, aber das wars dann auch schon. Das reicht mir auch.

Was hälst Du eigentlich von MP3, meinst du, es könnte neuen Bands helfen?

Phillip Boa And The Voodooclub
Boa: Ja, man kann das negativ oder positiv sehen, ich finde z.B. diese Kampagne "Copy Kills Music" völlig verlogen, denn die Industrie baut ja die CD-Brenner und die Kids benutzen die ja nur. MP3 finde ich an sich eine gute Geschichte, was ich nicht gut finde ist, dass die Tantiemen der Künstler völlig ignoriert werden, das wird aber eines Tages bestimmt geregelt werden. Das ist eine Chance einer neuen Independentkultur, die es in Deutschland ja gar nicht mehr gibt. Ich hatte mal ein eigenes Indielabel namens Constrictor, das wurde damals auch von vielen Medien und anderen Labels unterstützt. Diese Kultur ist mittlerweile in Deutschland durch die Korruption total ausgestorben, durch den schlechten Geschmack der Medien, es gibt nur noch so ein paar Alibi-Sendungen und das ist nicht gut. Es gibt keine Plattform mehr für neue Künstler, sowas kann durch das Internet wieder entstehen. Dazu brauchen wir noch ein paar Jahre. Das Problem ist, dass die Indieleute sich oft gegeseitig bekämpfen, das sind oft Einzelkämpfer, die sich gegenseitig hassen oder ausstechen wollen, das ist ein bisschen traurig. Timewarner hat EMI gekauft und dann kauft vielleicht Bertelsmann noch Sony, dann gibts noch drei Plattenfirmen. Wenn ein neuer Künstler jetzt eine Firma sucht, dann hat er drei Firmen zur Auswahl, das ist traurig.

Was hälst Du von Bands, die ganze Alben kostenlos in's Internet setzen, wie z.B. Public Enemy?

Boa: P.E. haben immer gute Ideen gehabt, die das Musicbusiness schön abgepisst haben, insofern haben die immer meinen Respekt. Danach haben sie ihre Platte normal rausgebracht und sich gewundert, dass sie nicht mehr soviel verkauft haben. Ich finde solche Aktionen sind gut, wenn sie aus dem Willen der Künstler entstehen.

Zum Abschluss habe ich hier ein Zitat aus dem Presseinfo zu Deiner CD: "...aus dem Kultstar ist ein Klassiker geworden, der Respekt verdient"...

Boa: Diese Infos haben immer die Gefahr, peinlich zu sein. Das ist noch ok, das hat ein Freund von mir geschrieben, ich hab's nicht korrigiert - mit so Waschzetteln beschäftige ich mich gar nicht mehr...

Weitere Infos:
www.phillip-boa.de
www.voodoo.musicpage.de
Interview: -David Bluhm-
Fotos: -DocRock Show-
Phillip Boa And The Voodooclub
Aktueller Tonträger:
My Private War
(BMG)

 
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