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BIANCA JAMES
 
Manifest der Stärke
Bianca James
Nichts deutet musikalisch darauf hin, aber tatsächlich ist Bianca James als Tochter italienisch/britischer Einwanderer im kanadischen Montreal aufgewachsen und hat ihre Basis heute in Toronto. Anstatt sich indes der dortigen Indie-Szene anzuschließen oder sich - wie viele ihrer Landsleute von der anderen Seite des Kontinents - den Folk- und Americana-Traditionen des südlichen Nachbarn zu verpflichten, lagen Biancas musikalische Interessen immer schon auf einem ganz anderen Gebiet. Gleichermaßen inspiriert vom klassischen Amerikanischen und britischen Pop mit 60s Flair, Motown Soul und modernem Glamour-Pop dachte Bianca immer schon eine Nummer größer. Als sie sich entschloss, ihre selbst geschriebenen Songs endlich der Öffentlichkeit zu offerieren, machte sie dann Nägel mit Köpfen und gab sich daran, diese Songs in einem entsprechenden klassischen Pop-Breitwand-Format mit großem Produktions-Besteck zu realisieren. Obwohl sich ihr selbst betiteltes Debüt-Album nun also anhört wie eine Multi-Millionen-Dollar-Platin-Produktion, stellt es doch ihr Debüt als Indie-Künstlerin dar, das sie in vollkommener kreativer Freiheit ganz ohne die Unterstützung einer großen Plattenfirma realisierte. Dagegen ist natürlich nichts einzuwenden - es darf aber doch ein mal gefragt werden, wie sie denn bitteschön hinbekommen hat, was selbst etablierten Künstlern oft erst nach Jahren gelingt.
"Vielen Dank für das Kompliment - das bedeutet mir viel. Ich wollte aber wirklich mit einem Weltklasse-Album anfangen", berichtet Bianca, "ich fand zwei brillante Produzenten und ich verkaufte meinen Mini-Cooper. Ich sagte dann: Lass uns dieses Geld nehmen und dieses dazu verwenden, die besten Live-Musiker anzustellen, die wir finden konnten." Dazu muss man noch wissen, dass das Album nicht nur beeindruckend produziert, sondern zudem live im Studio eingespielt worden ist - was der Sache ein klassisches Old-School-Feeling verleiht. "Ich habe also mit Thomas McKay aus Toronto zusammen gearbeitet - der übrigens hier neben mir sitzt - und dem dreifach Grammy nominierten Produzenten Rob Kleiner aus Los Angeles und wir haben zusammen mit den Musikern unser Herz und unsere Seele investiert, um etwas erschaffen zu können, das auf einer Ebene mit Amy Winehouse oder Adele liegt." Wenn man nun in solch etablierten Genres arbeitet - in denen ja nun schon so einiges ausprobiert worden ist: Wie findet man denn da als Künstlerin die eigene Identität? "Ich mag diese Frage", schmunzelt Bianca, "nun - ich habe jeden Text und jeden Song geschrieben - also ist das schon mal sehr persönlich und authentisch. Aber ich denke, dass das, was ich neu an den Tisch bringen konnte, meine Persönlichkeit ist. Wir alle haben ja einzigartige Persönlichkeiten, die uns von anderen absetzen. Ich werde oft mit Lana Del Rey verglichen - wegen meines Looks -, aber meine Musik ist ja spritziger, frecher und hat mehr Tempo. Was ich wollte, war ein Geist der Emanzipation und Befreiung und meine halb italienische Verwegenheit miteinander in Einklang zu bringen. Ich glaube auch sehr daran, Hoffnung und Wachstum darin zu finden, Widerstände zu überwinden. Das habe ich als Botschaft auch in jedem Song auf dem Album." Auch die Pandemie spielte songwriterisch eine gewisse Rolle, richtig? "Ich würde sagen, dass viele von uns in der Pandemie durch diese einsame Phasen gegangen sind. Ich weiß nicht, wie es in Deutschland war, aber in Kanada war es ziemlich hart. Ich habe dann noch den Song 'Inside Out' geschrieben, der schlicht davon handelt, von innen nach außen leben zu müssen, wie das in der Pandemie der Fall war. Der Song ist fröhlich und aufmunternd. Meine Botschaft ist: Bewahre auch in schwierigen Zeiten deine Identität und deinen Optimismus." In der Pandemie waren wir ja alle stärker auf uns selbst zurückgeworfen als im "normalen" Leben. "Ja, genau", bestätigt Bianca, "wir mussten uns unseren Dämonen stellen, wir mussten in unser Inneres blicken, wir konnten uns nicht ablenken und konnten nichts verdrängen. Ich hoffe, das hat uns alle ein wenig einfühlsamer, hoffnungsvoller und mitfühlender gegenüber dem Rest der Welt gemacht und uns klar gemacht, dass wir alle im selben Boot sitzen."
Bianca James
Wenn Bianca sagt, dass ihre Musik in gewisser Hinsicht frech sei, ist sie aber auch ein wenig trotzig und zugleich kraftvoll und ermächtigend. Es scheint, als sei ihre musikalische Visitenkarte zugleich als Manifest angelegt. "Absolut", bestätigt sie diese Vermutung, "Du musst als Musikerin heute einfach stark sein. Natürlich müssen wir mit Widerständen und Zurückweisungen rechnen. Nicht jeder wird deine Musik mögen - als brauchst du diesen Geist der Stärke. Zwar leben wir heute auch in einer Welt, in der es mehr Akzeptanz gibt - worüber ich froh bin -, aber gerade die Hater im Web können sehr bösartig sein und grausame Sachen sagen. Was ich also möchte ist, dass andere Menschen meine Texte anhören und wenn sie dann traurig sind oder Herzschmerz verspüren, dadurch selbstbewusster werden und mehr Eigenliebe erfahren. Es ist also tatsächlich ein Manifest - nicht für mich selbst, sondern für die Zuhörer." Das bedeutet dann, dass Bianca ihre Songs auch in therapeutischer Hinsicht - zunächst für sich selbst, aber auch für andere - anlegt? "Zu 100%", bestätigt sie, "weißt du: Ich verwende meine Songs dazu, Dinge zu sagen, die ich andererseits nicht aussprechen kann. Man kann ja seinen Freund oder Liebhaber nicht anrufen und sagen: 'Bang Bang Baby, I'm A Dangerous Girl' oder 'Til I Remember To Forget You'. Aber man kann das in Songtexte packen und dann auf eine künstlerische Weise kommunizieren. Musik ist Therapie. Jemand sagte mal, dass gutes Songwriting zugleich persönlich wie universell sein müsse." Ist das auch der Grund, warum Bianca in ihren Songs mit Spezifika arbeitet? "Genau", erklärt sie, "ich denke, wir brauchen diese kleinen, persönlichen Details, um die Songs in der Realität verankern zu können. Wenn man nur über generelle Ideen spricht, gibt es keine visuellen Elemente. Also erwähne ich Details wie ein Bettlaken, High Heels oder wo man sich gerade befindet, wie die Sonne gerade aussieht oder was gerade macht, wenn man im Auto fährt - damit sich der Hörer in die jeweiligen Situationen hineinversetzen kann. Das macht die Sachen dann auch für andere zugänglich."

Nun hört sich das Album an, als sei Bianca bereits seit 30 Jahren im Geschäft. Was hat sie aber tatsächlich gemacht, bevor sie sich diesem Projekt zugewendet hat? "Ich bin eine professionelle Voice-Actress", führt Bianca aus, "weißt du, was das ist? Man schauspielert mit der Stimme - man denke dabei an Werbung, Fernsehen, Web." Kurzum: Bianca ist also das, was man bei uns "Synchronsprecherin" nennen würde - was im englischen Sprachgebrauch aber so nicht wirklich etabliert ist, da es da ja dort nichts in unserem Sinne zu "synchronisieren" gibt. "Ich fühle mich also sehr wohl vor einem Mikrofon, wenn es darum geht, meine Stimme aufzuzeichnen", fährt Bianca fort, "und ich habe immer schon eigene Songs geschrieben - seit ich fünf Jahre alt war. Aber ich habe sie nicht veröffentlicht, weil ich wollte, dass meine erste Veröffentlichung dann auch wirklich exzellent sein sollte." Wie sieht Bianca ihren songwriterischen Ansatz. Geht es ihr eher darum, Geschichten zu erzählen oder eher darum, Situationen, Szenarien und/oder Gefühle zu beschreiben? "Ich denke beides", antwortet sie, "ich würde sagen, dass es eine Kombination ist. Ich möchte immer eine Geschichte erzählen - denn warum sollte ich sonst Songs schreiben - aber nicht jeder Song stellt eine Geschichte dar. In vielen modernen Pop-Songs scheinen die Worte bloß ein Vehikel für die Stimme oder den Rhythmus zu sein. Ich bin aber jemand, der wirklich Geschichten erzählen möchte. Ich meine einige Songwriter machen auch heute unglaublich gute Jobs - was ich aber anstrebe ist diese zeitlose 60s Qualität. Hör' bloß mal Motown-Sachen an, die sind auch heute noch lebendig. Ich mag es aber auch, wenn etwas modern und bissig ist - es soll also nicht altbacken und retro klingen, sondern eben zeitlos." Der Sound der einzelnen Instrumente ist bei der Motown-Produktion ja ausschlaggebend. Gilt das auch für Bianca? "Zu 100%", lässt sie uns wissen, "wir betrachteten jedes einzelne Instrument fast wie eine Schicht in einem Kuchen. Das fühlt man denn auch. Das, was am meisten Spaß machte, war meinen Produzenten zuzuhören, wie sie das dann Schicht für Schicht zusammenführten und dann kleine Extras wie Röhrenglocken, ein Mellotron oder eine extra Orgel dazu packten. Das war für mich sehr freudige Erfahrung."

Da kommt einem ja gleich die Doku "Standing In The Shadows of Motown in den Sinn". Nicht von ungefähr, wie sich herausstellt, denn Produzent Tom McKay kennt sich da aus. "Ich habe diese Musiker mal aufgenommen", erklärt Tom nämlich, "die haben mal eine Tour durch Kanada gemacht. Drei dieser Männer sind in Rollstühlen auf die Bühne gekommen. Das sind richtige Krieger. Die spielen jeden Tag Musik und machen das seit 60 Jahren. Das war ein wunderschön und eine große Inspiration für mich." Wenn man so etwas erlebt hat, dann hört man diese Art von Musik ja gewiss mit ganz anderen Ohren. "Genauso ist es", pflichtet Tom bei. "Also wenn mal in einem Motown-Studio mit diesen Musikern zusammenarbeiten könnte, dann würde ich sterben und in den Himmel auffahren", ergänzt Bianca. Es scheint Bianca ja im Allgemeinen sehr wichtig zu sein, mit Live-Musikern zu spielen. "Ganz klar", bestätigt sie, "ich denke, du kannst das spüren, wenn du einen Raum voller Menschen hast, deren Seelen sich über die Musik verbinden. Das ist Liebe und das ist sehr besonders. Man kann unbedingt den Unterschied zu Computer-generierter Musik heraushören." Das mal alles eingedenk: Was zeichnet einen guten Song dann für Bianca aus? "Exzellenz" ist ja keine rechte Kategorisierung. "Ich mag auch diese Frage", zögert sie, "ich mag alle möglichen Arten von Musik - was ich aber liebe, ist das Element der Überraschung. Was ich damit meine sind unerwartete Akkordfolgen oder wenn ein Refrain in eine neue Richtung abdriftet. Als Songwriterin kann ich mir oft vorstellen, in welche Richtung sich die Musik bewegen wird, bevor ich noch den ganzen Song gehört habe. Das ist aber langweilig. Wenn also jemand etwas riskiert, dann mag ich das. Nimm etwa mal den Song 'Heaven' des britischen Songwriters Niall Horan. Da gibt es einen interessanten Sprung im Refrain, der mich sofort hat aufhorchen lassen. Oder nimm die Stelle, an der Sia in dem Song 'Chandelier' am Ende immer höher singt. Das ist seltsam, aber es funktioniert und ist ungewöhnlich. Dann sind mir - wie ich schon sagte - auch gute Texte wichtig und nicht zuletzt eine unglaubliche Stimme. Egal ob es Patsy Cline ist, die Country singt oder Amy Winehouse, die Jazz singt oder meinethalben Ed Sheeran - da ist diese Art von Dringlichkeit in der Stimme, die aufhorchen lässt, die mich ins Herz und den Bauch trifft und in die ich mich dann verliebe."
Was ist denn Biancas Rezept, die vorgenannten Überraschungen in ihren eigenen Songs zu erzeugen? Vielleicht ein wenig Düsternis - wie in dem Song 'Black & Blue'? "Ohhh Düsternis - das ist wohl ein deutsches Ding, oder?", fragt sie zurück, "aber ja, das stimmt, ich danke dir für diese Beobachtung. Das gilt sogar für den Text: 'Black and white is better than black and blue' geht in diese Richtung und lässt einen stolpern. Düsternis und Schmerz sind sehr wichtige Element, weil sie im Schmerz auch immer diesen Moment der Leidenschaft ausdrücken. Mein Rezept ist also ganz einfach: Ich habe kein Rezept, aber ich gehe Wagnisse ein. Man muss natürlich bereit sein, auch mal Fehler zu machen, oder seltsam zu sein. Nimm etwa 'Jolene' von Dolly Parton. Der Song ist nicht in einer normalen Skala angelegt, wie mir mein Musiklehrer erklärte, sondern klettert immer höher. Das ist seltsam, aber es funktioniert." Ein exzellentes Beispiel für diese Art von musikalischen Wagnissen ist Biancas eigene Ballade "Till I Remember" - ein Empowerment-Song mit dezentem Gospel-Touch, der zunächst mal ganz konventionellen Balladen-Schema zu folgen scheint, in dem Bianca aber wirklich jede Gelegenheit nutzt, harmonisch, melodisch und strukturell aus eben diesem Schema in unerwartete Richtungen auszubrechen - und zwar nicht bloß im Refrain, sondern auch in den Strophen, der Bridge und dem Finale, Auffallen tut das zunächst mal nicht - bis man dann vielleicht versucht, den Song mitzusingen. Okay: Ein Album wie das Debüt von Bianca James will ja erst mal verarbeitet werden. Wie sieht es aber mit Plänen für die musikalische Zukunft aus? Steht vielleicht die Eroberung der Welt an? "Also geschäftlich sieht es so aus, dass diese kleine Promo-Tour mein erster Schritt nach Europa ist. Wir wollen im Herbst aber mit einer 10- oder 12-köpfigen Band für richtige Shows zurückkehren", berichtet Bianca, "ich habe aber bereits mein nächstes Album geschrieben und wir werden nun in Amsterdam im Electric Monkey-Studio Demos aufnehmen - mit dem Drummer, der mit Amy Winehouse gespielt hat, und auf einem Mischpult, das Ennio Morricone benutzt hat - und damit das nächste Album vorbereiten."
Weitere Infos:
www.biancajamesmusic.com
www.instagram.com/thebiancajames
www.facebook.com/thebiancajames
www.youtube.com/@thebiancajames
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Amoroso Films-
Bianca James
Aktueller Tonträger:
Bianca James
(Eigenveröffentlichung)
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