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CORDOVAS
 
Im Rock'n'Roll-Himmel
Cordovas
Ein Gespräch mit Joe Firstman ist immer ein bisschen so, wie ein Trip durch Alice's Wunderland: Nie weiß man, hinter welchem Türchen welche Antwort lauert, welche Pille größer, welche kleiner macht oder ob der Mann rückwärts oder vorwärts in der Zeit unterwegs ist. Spannend und interessant ist das aber trotzdem stets. Die Cordovas haben - nach einer Umbesetzung innerhalb der Band - soeben ein neues Album fertiggestellt, das sie unter der Regie des Songwriters/Produzenten Cory Hanson in ihrer zweiten Heimat Mexico aufgenommen haben und haben dieses "The Rose Of Aces" genannt. Interessanterweise waren sie bereits vor der Veröffentlichung auf großer Tour - auch in unseren Breiten - und haben das neue Material in der neuen Besetzung ausgiebig präsentiert. Auch die aktuelle Single "The Fallen Angels Of Rock'n'Roll" war da mit im Angebot, was aber nicht heißt, dass die Cordovas selbst gefallene Engel wären. Aber lassen wir doch mal Joe selbst erzählen. Was war zum Beispiel der Grund für die Umbesetzung, bei der der ehemalige Gitarrist Toby Weaver durch die Sängerin Kelsey Lepperd "ersetzt" wurde?
"Mann, auf dieser Tour hatte ich die beste Zeit meines Lebens", fängt Joe mit einem seiner gern gewählten Superlative an, "es sind einfach eine Menge Sachen zur rechten Zeit zusammengekommen. Die Kunst ist dabei immer der Grund für alles - auch die Umbesetzung betreffend. Es war nichts wirklich überraschend, sondern alles entsprach meinem Plan und meinem Drängen nach der Kunst. Etwas anderes interessiert mich nicht. Wir wollten einfach einen bestimmten Punkt erreichen und uns nicht mit Erinnerungen aufhalten. Ich denke, dass Cory Hanson - der Produzent - die Sache auf die selbe Art sah - dass nämlich einige von uns eine bestimmte Vision hatten und andere eben nicht und das führte dann dazu, dass sich die Dinge so entwickelt hatten." Vorsichtig ausgedrückt, könnte man also sagen, dass es dann da auch ein paar persönliche und musikalische Differenzen gab. Merkwürdigerweise kann sich das aber nicht auf die radikale Art bezogen haben, in der Cory Hanson seine eigenen Scheiben produziert. "Ich habe seine neue Scheibe 'Western Cum' gehört, als wir unsere Scheibe aufnahmen", erzählt Cory Hanson, "und denke, dass er bei unserer Platte eine bessere Arbeit gemacht hat, als auf seiner eigenen. Die Sache war die, dass das Label empfohlen hatte, nicht derivativ zu arbeiten. Und es ist ja auch so, dass es uns keinen guten Dient erwiesen hatte, wenn die Leute sagten, dass sie die Cordovas an die Allman Brothers erinnerten." In der Tat gab es ja mal Phasen, da wollten die Cordovas einfach nur die besseren Allman Brothers oder Grateful Dead sein. Auf der neuen Scheibe gibt es nun aber eine stilistische Bandbreite, die auf den anderen Cordovas-Scheiben in dieser Konsequenz nicht zu beobachten war. "Ich hatte eine Menge Songs und einige gute Produktions-Ideen", führt Joe aus, "wenn ich aber meine eigenen Sachen produziere, tendiere ich dahin, etwas das Ziel aus den Augen zu verlieren. Also suchte ich mir mit Cory die klügste Person, die ich finden konnte und auch jemanden, der etwas beweisen wollte. Ich habe ihm so ungefähr 100 bis 130 Demos gegeben. Er hat sich vermutlich gar nicht alles angehört, aber ich habe ihn dann die Songs aussuchen lassen. Ich wollte dieses Mal gesagt bekommen, was ich zu tun hätte und habe ihm den Fahrersitz bei der Produktion überlassen."

Was auffällt, ist dass Joe die Songs nicht alleine geschrieben hat, sondern entweder mit Lucca Soria zusammen oder aber mit Mark Cline Bates. "Als ich jung war und als Songwriter anfing, habe ich mich immer zuerst als Texter gesehen", erinnert sich Joe, "nun ist das vielleicht nicht mehr so - ich weiß nicht. Mir ist es auch nicht wichtig, das irgendwie zu labeln. Wie Jerry Garcia - einer unserer Helden - mag ich es aber, Poesie mit einzubinden. Also fügten wir mit Mark Cline Bates einen Poeten in den Mix. Und das Gefühl ist auch da. Mark ist auch ein Musiker - allerdings nicht so einer, der gerne improvisiert, wie die Cordovas das machen - aber er ist ein exzellenter Songwriter, der von West Virginia nach L.A. gezogen ist, dort aber leider keinen Erfolg hatte." Wessen Idee war es denn, Lucca Sorias Partnerin Kelsey Lepperd als Sängerin mit in die Band zu integrieren - was die Klangpalette erheblich erweiterte? "Danke, das sehe ich auch so", meint Joe, "Kelsey war immer schon mit der Band befreundet - schon seit damals meine Tochter geboren wurde und sie war mit Lucca schon in der Highschool befreundet. Weißt du, wir haben diese kleine Crew-Band, die auch mit uns in Mexico war. Das sind so ungefähr 20-30 Leute insgesamt - und Kelsey ist vielleicht sogar die beste Musikerin von uns allen. Sie kam mit uns nach Mexico im letzten Winter und hat mit uns gesungen und die Scheibe aufgenommen - es war einfach schön und hat gepasst. Insbesondere auf der Bühne wird das deutlich, wie wichtig sie für uns geworden ist. Wenn ich die Möglichkeit hätte, in der Zeit zurückzugehen und die Scheibe noch mal aufzunehmen, dann würde ich ihr noch mehr Raum geben. Ich habe auch mal mit ihr darüber gesprochen, ob wir nicht mal ein Duett aufnehmen sollten. Ich will einfach nicht mehr alleine der Haupt-Sänger sein."
Auf der Scheibe gibt es einen Song auf Spanisch. WTF? "Nun, wir sind keine mexikanischen Bürger, sondern leben in Nashville", erklärt Joe, "wir müssen alle sechs Monate das Land verlassen, um unsere Visa verlängern zu können. Wir haben uns dann überlegt, wohin wir gehen könnten, damit es nicht zu weit weg ist und der nächste Flug ging nach L.A. Da haben wir uns überlegt, was wir da machen könnten und sind dann ins Studio gegangen, um einen Song aufzunehmen. Daraus ist dann 'Somos Iguales' geworden, bei dem uns Marisoul Hernandez von der L.A. Latin-Band La Santa Cecilia unterstützt hat. Ihr Mann hat übrigens das Artwork gemacht mit der 'Rose Of Aces'-Tarot-Karte gemacht. 'Somos iguales - como nopales' heißt 'Wir sind alle gleich - wie die Kakteen'. 'Nopales' ist das spanische Wort für den Pricklypear-Kaktus, den wir auch in den USA haben." Kann es sein, dass die Lyrics des neuen Albums universeller und weniger persönlich geraten sind, als die bisherigen? Songs wie "Sunshine", "Sky, Land and Sea" oder "Deep River" mit ihren allegorischen Zustandsbeschreibungen lassen das zumindest vermuten. "Das kommt aus dem Teamwork zwischen mir und Mark", räumt Joe ein, "'Sky, Land And Sea' kommt vielleicht aus dem militärischen Sprachgebrauch - ich bin mir nicht sicher - aber auf jeden Fall hat es schon etwas Poetisches an sich. Das hängt damit zusammen, dass wir uns überlegt haben, wie man die Songs immer noch ein kleines bisschen besser machen könnten, als wir uns dem Kern des Materials näherten. Ich habe den Song auch an meinen Cousin Dave Regelin geschickt, weil ich keine Idee mehr hatte und er hat diese Zeile geschickt: 'Ear To The Wind, Whispers Who I Am - Sky, Land And Sea'. Das ist großartig, denn es bedeutet ja, der Natur zuzuhören. 'Sunshine' ist auch sehr schön. Das Wort immer wieder zu wiederholen, hat für mich einfach viel Sinn gemacht." Ist es dabei wichtig, dass alles eine bestimmte Bedeutung hat, oder kann man es nicht der Interpretation des Zuhörers überlassen? "Das sollte man vielleicht tun", überlegt Joe, "ich meine: Kann irgendjemand mit Bestimmtheit sagen, was 'Guernica' bedeutet? Offensichtlich ja die Bombardierung der Stadt im spanischen Bürgerkrieg - aber vermutlich ja doch viel mehr. Der Led Zeppelin-Song 'Going To California' kann ja auch mehr bedeuten, als die Freundin zu verlassen und in Kalifornien neu anzufangen. Ich sage mir immer, dass es nett zu wissen ist, wovon ein Song handelt und einen Inhalt hat. Aber je länger ich mir die Sache betrachte, desto wichtiger ist es mir, einfach berührt zu werden. Was hätte Miles Davis zum Beispiel zu dem Thema 'Texte' zu sagen - denn seine Songs hatten zwar Titel - aber ist es das, was all diese Noten bedeuten? Nein - es geht um die Emotionen. Alles geht um die Emotionen. Selbst wenn man die Sprache nicht versteht, kann Dich ein Song immer noch alleine durch seinen Klang bewegen."

Nun gibt es aber auch Songs, die - über die Emotionalität hinaus - mit Spezifika aufzuwarten haben. Beispielsweise jene über den "High Roller" Stanley oder die "Fallen Angels Of Rock'n'Roll". Wen hat sich Joe denn da zum Vorbild genommen? "Ich dachte dabei an meinen Freund Zane aus L.A.", führt Joe aus, "ich habe ja so manche Karriere gefördert - wie die von Thundercat und Kamasi Washington, die wie Zane auch in meiner Band spielten. Ich hatte mal einen Jazzclub und konnte mit den größten Genies herumhängen und spielen. Und Zane war der größte von allen." Diese Aussagen beziehen sich auf die Zeit, in der Joe als Bandleader in der lokalen Late-Night-Show "Last Call With Carson Daly" die angeführten Musiker engagierte. Zu seiner Band gehörten damals auch Drummer-Legende Kenny Aronoff, Mike Riley von den Rival Sons und eben auch der besagte Zane Carney. War der denn als Versager vorbestimmt? "Ja, das denke ich schon", meint Joe mit einem Seufzen, "und das versuchen wir in diesem Song zum Ausdruck zu bringen. Zane ist für mich so eine Art tragischer Blaze Foley Charakter. Es gibt aber auch Belege dafür, dass die Theorie des gequälten Künstlers ein Irrtum ist. Wir lieben aber diesen Irrtum. Es ist schön, darauf zu trinken, zu rauchen und zu singen." Was meint Joe denn damit? "Ich denke da an die gefallenen Engel", schmunzelt Joe, "sie spielten in diesem Team, das scheinbar keine Risse in der Wand hatte und niemand wusste, wer sie eigentlich waren." Und was hat es mit dem "High Roller" Stanley auf sich? "Das ist ein Charakter von Mark", führt Joe aus, "er sagt, dass ihm diese Geschichte passiert sei, aber ich bin auch mit sowas aufgewachsen. Ich bin in das Cherokee-Casino in einer Native-American-Reservation in North Carolina gegangen. Ich bin auch viel in Vegas gewesen. Seit ich meinen ersten Lohn von Atlantic Records bekommen hatte - denn ich hatte zuvor nie eine Kreditkarte gehabt. Ich bin gleich zum Geldautomaten gerannt und habe 200 $ abgehoben, habe mir die Quittung angeschaut und mit gesagt: 'Ich gehe nach Las Vegas'. Noch in der Stunde bin ich los und habe das ganze Geld verspielt, was ich bis dahin verdient hatte. Insgesamt waren das 30.000 $. Diese Art von Ausschweifungen zogen sich durch meine ganzen Atlantic-Tage. Ich hatte also keine Probleme mit einem Typen wie 'Stanley'. Ich betrachte Typen wie diese aber gar nicht als High Roller, denn die sind einfach mit einem bisschen Geld in die Szene reingerutscht - aber die waren von Anfang an außerhalb der Liga. Ich habe auch nichts verdient, auch als ich Poker in L.A. spielte. Ich habe einfach eine Menge Geld verpulvert."
Ein vielleicht sehr typischer Firstman-Song dürfte "Stone Cold Stoned" sein - denn da geht es um das Spliff-Rauchen. "Schau Mann, das ist einer der vielen Songs, die ich geschrieben habe", meint Joe, "mir ist es egal, dass Cory den ausgesucht hat - ich gab mir dann nur viel Mühe damit, das nette Demo mit Leben zu erfüllen. Cory mochte den Song. Unser alter Manager - der jetzt nicht mehr mit uns ist - meinte sogar, dass das der erste Track sein sollte. Ich dachte sogar, dass der Song ziemlich blöde sei. Andererseits enthält er auch Zeilen wie 'I'll Write My Magnum Opus Then - Here Comes The Wind'. Wir forschen halt als Songwriter nach kleinen, kristallklaren Momenten wie diesen. Man berührt dabei sozusagen Gott im Rock'n'Roll-Himmel mit solchen Zeilen. Das kann ich mit Sicherheit sagen, weil ich diese Zeile selbst nicht geschrieben habe."

Ist Joe Firstman heutzutage als Musiker eigentlich glücklicher als zu Beginn seiner Karriere? "Ja", antwortet er ohne zu zögern, "zu Beginn meiner Laufbahn habe ich mehr oder minder das gemacht, was die Plattenfirma vorgegeben hat und dafür Standing Ovations bekommen. Als ich dann im Club auf mich alleine gestellt war und bereit, mich als Solo-Künstler zu beweisen - mit diesem ganzen Krach und dem Alkohol und dem Kram -, dann habe ich halt angefangen zu trinken. Das war gar kein Plan - ich wusste einfach nicht, was ich tat. Ich hatte gedacht, dass ich einen Plan hätte - aber zu trinken ist kein Plan. Ich habe einfach so viel wie möglich geschrieben und immer die neuen Songs gespielt, weil ich dachte, dass das allen gefallen würde. Das hat aber nicht funktioniert. Ich habe mich dann gehen lassen und alles verloren. Heutzutage weiß ich aber ganz genau, was ich zu tun habe. Auch wenn der Plan nur ist, alles zu improvisieren, würde ich dennoch jedem anraten, einen Plan zu haben. Wenn du dich gut fühlst, versuche Freude zu bereiten, dann mache das - und wenn du traurig bist, dann singe traurige Songs. Ich habe auch schon Elliott Smith-Songs gespielt - und die sind traurig. Versuche, etwas Aufrichtiges zu vermitteln. Die Welt wird dich schon spüren lassen, wenn es nicht gut ist."
Weitere Infos:
cordovasband.com
www.facebook.com/cordovasband
www.instagram.com/cordovasband
twitter.com/CORDOVASBAND
Interview: -Ullrich Maurer-
Foto: -Justine Molina-
Cordovas
Aktueller Tonträger:
The Rose Of Aces
(ATO/Pias/Rough Trade)
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