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LEWSBERG
 
"Wir ändern die Zutaten nicht, aber das Rezept"
Lewsberg
Eine gewöhnliche Band waren Lewsberg noch nie. Seit seinen frühesten Tagen lebt das Rotterdamer Quartett den DIY-Independent-Gedanken in vollen Zügen, bringt seine Platten ohne Labelunterstützung heraus, schätzt Veröffentlichungen auf Vinyl oder Kassette mehr als schnöde Downloads oder Streams und pflegt auch nur eine sehr reduzierte Präsenz im Netz. "Es ist mir egal, was die Leute über das denken, was wir tun und wie wir es tun. Für mich ist es logisch", sagte Gitarrist und Sänger Arie van Vliet kürzlich dem britischen Magazin The Quietus, und auch Gitarrist Michiel Klein sieht das ähnlich: "Ich finde es seltsam, zu versuchen, etwas zu machen, das jedem gefallen soll. Das ist niemals eine Option für uns." Auf ihrem bemerkenswerten vierten Album, "Out And About", setzen Lewsberg deshalb weiter auf klanglichen Minimalismus, finden dabei aber anders als auf dem betont zurückhaltenden, leisen Vorgänger "In Your Hands" nun mit rudimentären Songs zwischen Post-Punk und Indie-Pop einen facettenreicheren Sound, der mehr denn je die individuellen Talente der vier Bandmitglieder in den Fokus rückt. Anfang November beginnen die vier zudem im legendären Vera von Groningen eine ausgiebige Europatournee, die erst kurz vor Weihnachten endet.
Mit "Out And About" gelingt Lewsberg das Kunststück, sich klanglich neue Herausforderungen zu suchen, doch auch wenn sie sich hier weiter denn je von der herrlichen New-York-City-Rock'n'Roll-Monotonie entfernen, die auf ihren ersten beiden Alben, dem selbstbetitelten Erstling von 2018 und dem 2020er-Nachfolger "In This House" allgegenwärtig war, sind doch auch die neuen Lieder sofort als Lewsberg-Songs zu erkennen. "Ich denke, wir haben einen gewissen Modus Operandi", erklärt Arie van Vliet, als Gaesteliste.de vor wenigen Wochen alle vier Bandmitglieder vor dem Konzert in der Düsseldorfer Kassette zum Gespräch trifft. "Das bedeutet, dass bestimmte Elemente immer vorhanden sind, wir allerdings versuchen, sie jedes Mal anders einzusetzen. Das macht unseren Sound aus. Wir ändern die Zutaten nicht wirklich, aber wir verändern das Rezept."

Während sich die Band textlich ein Stück weit von den eng mit den Schriftstellern ihrer Heimatstadt verknüpften literarischen Referenzen löst, die auf den Frühwerken deutliche Spuren hinterlassen hatten und ihren Hang zu Existenzialismus und schwarzem Humor einer geradezu naiven Offenheit und Hingabe gegenübergestellt, öffnet sie sich auch klanglich ein Stück weit und findet so zu einem vielschichtigeren Sound, der oft versöhnlicher ist als in der Vergangenheit. Der heimliche Trumpf dabei ist Marrit Meinema, die im Herbst 2021 zur Band stieß und so das kurze Intermezzo beendete, in dem Lewsberg zu Zeiten des vor zwei Jahren erschienenen Albums "In Your Hands" zu dritt ohne Drummer ausgekommen waren. Bei Lewsberg bedient Meinema ein aufs Nötigste beschränktes Standschlagzeug, das komplett ohne Becken auskommt, doch was hatten sich die anderen drei eigentlich von der Neubesetzung erhofft? "Jemand, der lebendig ist", erwidert Shalita Dietrich lachend und sichtlich froh, in der Rhythmusgruppe nun wieder einen Gegenpart aus Fleisch und Blut zu haben. "Ja, wir haben schon gerne mit den Drumloops gespielt, aber live fehlte uns dann doch etwas die Dynamik", gesteht van Vliet. "Deshalb sind wir dann auf die Suche nach jemand Neuem fürs Schlagzeug gegangen." - "Eine Suche war es allerdings nicht wirklich", ergänzt Klein und spielt damit auf die Tatsache an, dass Dietrich und Meinema seit geraumer Zeit zusammen in der Band Venus Tropicaux aktiv sind.

Die personelle Veränderung zeigt aber nicht nur bei den Konzerten, sondern auch auf "Out And About" Wirkung. Reichte in der Vergangenheit bisweilen das Stichwort "The Velvet Underground", um den Soundkosmos von Lewsberg erschöpfend zu umschreiben, wurde die Band in den Kritiken zum neuen Album bereits in die Nähe von Young Marble Giants, Talking Heads und sogar Orange Juice gerückt, während Pitchfork sogar "inspiration from all things dreamy and twee" zu hören glaubte. "Wir wollten die Dinge etwas peppiger klingen lassen, denn die letzte Platte war schon sehr langsam und intim”, erklärt Klein. "Es war mir, und ich denke uns allen, wichtig, dass diese peppigeren Songs ohne dieses typisch maskuline Rock-Ding auskommen, und so sind wir da angekommen, wo wir nun stehen."
Van Vliets Geige, die vor zwei Jahren auf "In Your Hands" erstmals zum Einsatz kam, taucht nun auch auf der neuen LP in Songs wie "Going Places" und "Cannines" auf, während andere Lieder anders als in der Vergangenheit, als Klein und van Vliet zumindest von außen betrachtet den Ton angaben, stärker den kollaborativen Geist Lewsbergs betonen und dabei auch gesanglich mit den Beiträgen von Dietrich und Meinema abseits von van Vliets Sprechgesang neue Wege einschlagen. So entstand "A Different View" als Zusammenarbeit von van Vliet und Meinema. Ein bisschen eingeschüchtert war sie schon, plötzlich einen Text für eine Band zu schreiben, deren Lyrik sie schon lange bewundert hatte, trotzdem fühlte sie sich beim Schreiben nicht eingeschränkt. "Es gab eine bestimmte Stimme, weil der Teil, den ich geschrieben habe, eine Art Reaktion oder Reflexion auf Aries war, sodass es einfacher war, mich darauf einzulassen", sagte sie. "Ich hatte eigentlich keine Erwartungen, ich hatte das Gefühl, dass es mir freistand, den Text auf meine eigene Weise anzugehen und zu gestalten." Auch Dietrich fügt mit ihren Texten neue Facetten hinzu, ohne deshalb komplett Neuland zu betreten, oder wie sie es lachend ausdrückt: "Es gibt keine Regeln, aber Arie und ich sind jetzt seit acht Jahren verheiratet - und vermutlich werden wir einfach langsam eins."

Die ersten Konzerte zur neuen Platte fanden wenige Tage vor der Veröffentlichung Mitte September in Deutschland statt, kurz danach brach die Band zu ihrer ersten, gleich fünfwöchigen Tournee durch die USA auf, wo ihre Platten auf 12XU, dem Liebhaberlabel des Matador-Records-Gründers Gerard Cosloy, erscheinen, der die Band auch tatkräftig bei der Umsetzung der Gastspielreise auf der anderen Seite des Atlantiks unterstützte, während Lewsberg unterwegs auch gleich mehrfach auf Kollegen ihrer deutschen Bookingagentur Puschen traf, darunter Simon Joyner (beim Konzert in Omaha) und Codeines Chris Brokaw (beim Gastspiel in Boston). Obwohl man den vieren den Respekt vor dieser Mammutaufgabe anmerkt, sucht Klein lieber nach Gemeinsamkeiten mit den sonstigen Touringaktivitäten der Band zu finden, anstatt die Unterschiede zu betonen. "In gewisser Weise ist die Tournee gar nicht so anders als die in Europa, weil wir darauf achten, dass wir nicht zu viele Meilen machen müssen, und dabei kleine Shows genauso wie etwas größere spielen. Es war uns wirklich wichtig, das auch in den Staaten zu tun. Es stimmt, die Tournee ist viel länger als die in Europa, aber sie verkörpert trotzdem unsere Mentalität beim Touring." - "Ich denke, wir wissen, dass wir die ersten zwei Wochen problemlos überleben werden", ergänzt van Vliet unter dem Gelächter der anderen. "Danach haben wir dann nur noch drei Wochen, die wir durchstehen müssen!" Eine Aufgabe, die Lewsberg inzwischen erfolgreich gemeistert haben.
In Zeiten, in denen der Erfolg um jeden Preis für vielen Acts wichtiger zu sein scheint als die Musik selbst, sei am Schluss noch die Frage erlaubt, was es ist, das Lewsberg antreibt. "Die Frage nach unseren Ambitionen wird uns häufiger gestellt, aber meistens ist die Antwort schlichtweg: der nächste Song, das nächste Album. Es ist die Musik selbst, die uns antreibt", erklärt Klein, während Meinema sagt: "Die größte Motivation für mich ist, weiterhin zu lernen. Es gefällt mir, in dieser Band ein solch reduziertes Schlagzeug zu spielen, weil es eine andere Spielweise erfordert, die mir wirklich Spaß macht." - "Ich mag es auch, auf Reisen zu sein", sagt van Vliet, bevor er - vielleicht auch in Anspielung auf den Titel der neuen Platte? - hinzufügt: "Die Band ist ein guter Grund, um unterwegs zu sein!"
Weitere Infos:
lewsberg.net
www.instagram.com/lewsberg_gigs
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Tommy Ventevogel-
Lewsberg
Aktueller Tonträger:
Out And About
(Lewsberg/Cargo)
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