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14.02.2007
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10+10

CHRIS & CARLA

Chris & Carla
Nachdem die Walkabouts mit "Acytelene" noch mal so richtig schön vom Leder gezogen haben und eine CD präsentierten, die sie als zornige, desillusionierte Realisten zeigte, ist es wohl an der Zeit, einen Moment Luft zu holen und den Träumen wieder mal eine Chance zu geben. Das neue Album des Walkabouts-Kernduos Chris Eckman und Carla Torgerson ist - besonders im Vergleich zu "Acetylene" - eine geradezu heitere, gelassene Angelegenheit geworden. So versöhnlich und optimistisch haben die Songs von Chris Eckman eigentlich noch nie geklungen. Das liegt aber nicht nur an der ausgewogenen, sparsamen Instrumentierung, die sowohl dem Umstand Rechnung trägt, dass die Stücke im Notfall zu zweit aufgeführt werden müssen, wie jenem, dass auf der anderen Seite auch Freunde wie Al DeLeoner oder Jason Victor mitmuszieren sollten, sondern auch an den Texten. "Bei 'Acytelene' ging es um Zorn, die Welt-Sicht, das Chaos außerhalb unserer Kontrolle - das große Bild", erklärt Chris Eckman. "Bei diesem Album geht es mehr um das Individuum. Es handelt davon, Stückchen von Hoffnung zu finden, Gründe, morgens aufzustehen, obwohl nicht alles so ist, wie es sein sollte. Es geht darum, das Schöne zu finden und an irgend eine Art von Morgen zu glauben - aber es geht nicht um das Akzeptieren von Umständen. Es geht um kleine Aktionen mit großer Wirkung." Genug der großen Worte: Stellen wir Chris & Carla mal die zehn wesentlichen Fragen.


1. Was ist eure Definition von "guter Musik"?

Carla: Wenn die Musik gut ist, brauchst du sie nicht zu definieren.

Chris: Das ist für mich schwierig zu sagen, weil ich so viele verschiedene Arten von Musik höre. Momentan arbeite ich an einem Soundtrack und höre viel Klassik. Ich versuche dabei immer, bei Leuten zu stehlen, die wissen, was sie tun. Aber am Ende zählt nur eines für mich: Gefühl. Für mich muss gute Musik zumindest Emotionen erzeugen oder doch wenigstens freisetzen. Technik, Sound, Songwriting - das ist alles interessant, aber das sind nur formale Dinge. Vollkommen zweitrangig in Bezug auf die Art und Weise, wie Musik mich berührt. Die o.a. Gefühle können 1000 Dinge sein. Ich suche dabei nicht immer nach den selben Gefühlen, erwarte aber, dass gute Musik mich bewegt.

2. Was war der wichtigste Einfluss bei den Aufnahmen zur neuen Veröffentlichung?

Carla: Bei mir ging es darum, wieder mal als Duo zu arbeiten - was etwas anderes ist, als in der Band.

Chris: Ich würde sagen, dass die Songs selbst der größte Einfluss waren. Das bedingt natürlich die Frage, was die Songs beeinflusst haben mag. Da würde ich aber sagen, dass dies schlicht alles ist. Das ist eine blöde Antwort, trifft aber das Thema. Das ganze Leben, das Leben deiner Freunde, was in der Welt passiert - das alles schleicht sich in meine Songs. Es ist schwer für mich, da bestimmte Dinge herauszufiltern und konkrete Themen festzulegen. Manchmal sind meine Songs für mich selbst komplette Rätsel. Ich frage mich dann, woher das Zeug kommt, das ich schreibe und weiß es manchmal selber nicht.

3. Warum sollte jeder eure neue Veröffentlichung kaufen?

Carla: Es ist immerhin acht Jahre her seit dem letzten Chris & Carla-Album und es ist wieder mal eine Möglichkeit für unsere Fans, uns in einem anderen Licht zu sehen.

Chris: Weil es das beste Album ist, das du 2007 hören wirst!

4. Was habt ihr euch von eurer ersten Gage als Musiker gekauft?

Carla: Ein Abendessen.

Chris: Eine Guild-Gitarre mit Ahorn-Oberfläche. Ich ging in diesen Gitarrenladen und versprach mir selber, dass ich die Gitarre kaufen würde, die ich wollte, und nicht jene, die ich mir leisten könnte. Natürlich war ich dann für das nächste halbe Jahr pleite, aber ich hatte das Gefühl, dass ich wenigstens dieses wundervolle Instrument hätte, wenn plötzlich alles wieder vorüber sein sollte. Und jetzt, 15 Jahre später, spiele ich es immer noch fast jeden Tag.

5. Gab es einen bestimmten Auslöser dafür, dass ihr Musiker werden wolltet?

Carla: Als ich in der vierten Klasse war, forderte mich ein alter, verwitterter Blueser während seines Auftrittes auf, zu lächeln.

Chris: In den 60er Jahren hatten wir einen Nachbarn, der eine enorme Plattensammlung hatte. Er hatte eine Menge Jazz, aber auch die Rocksachen, die damals rauskamen. Ich habe mich bei ihm mit seinem Sohn rumgetrieben und war ganz fasziniert von dem, was ich hörte. Mein Elternhaus war mehr oder weniger eine musikalische Wüste und was ich damals bei dem Nachbarn hörte, war wie eine Geheimsprache. Ich verstand das damals zwar noch nicht alles, es fühlte sich aber irgendwie wichtig und notwendig an. Von diesem Zeitpunkt an war ich immer von dem Gedanken beseelt, in einer Band zu sein und Musik zu machen. Ach ja: Der Sohn von diesem Typen gehörte später zu den Gründungsmitgliedern von Queensryche.

6. Habt ihr immer noch Träume - oder lebt ihr den Traum bereits?

Carla: Also wenn ich auf mein Leben als Künstlerin zurückblicke, kann ich mit Sicherheit sagen, dass es befriedigend gewesen ist - aber immer noch Raum für mehr bietet.

Chris: Ich denke, dass ich auf gewisse Weise meinen Traum lebe. Aber das hält mich nicht davon ab, rastlos zu bleiben. Ich denke immer noch über all die Dinge nach, die ich tun könnte und vielleicht eines Tages auch tun werde: Einen Roman schreiben, eine Weltreise, Leben auf einer Farm. Das soll aber nicht heißen, dass ich mich nicht glücklich schätzte, das, was ich getan habe, getan zu haben.

7. Was war eure größte Niederlage?

Carla: Eine Phase von acht Jahren miterleben zu müssen, in der wir kein amerikanisches Plattenlabel hatten.

Chris: Das ist eine tolle Frage. Ich tendiere dazu, daran zu glauben, dass alle Niederlagen zu Siegen führen - oder doch zumindest Alternativen aufzeigen. Trotz der pessimistischen Schräglage vieler meiner Songs, versuche ich, ein Optimist zu bleiben. Um so lange in diesem Business überleben zu können, hat man da auch fast keine andere Wahl. Manchmal muss man sich einfach blind stellen - ansonsten würde man mit Sicherheit kneifen. Der Traum ist oft größer als der Lohn am Ende - oder anders gesagt: Der Traum ist manchmal der Lohn. Die einzige wirkliche Enttäuschung für mich war, in den USA nichts auf die Beine bekommen zu haben. Aber andererseits hieße das auch, dass, wenn es in den USA geklappt hätte, ich mit Sicherheit jetzt nicht Europa leben würde und - ehrlich gesagt - kann ich mir momentan gar kein anderes Leben vorstellen. Im Augenblick macht alles Sinn, so, wie es ist. (Chris lebt in Slovenien - während Carla und die anderen Walkabouts in Seattle leben.)

8. Was macht euch derzeit als Musiker am glücklichsten?

Carla: Ich finde es ist ein außerordentliches Privileg, dass ich so oft nach Europa reisen kann um dort aufzutreten.

Chris: Einfach eine Karriere als Musiker zu haben. Nach 20 Jahren ist es aufregend zu spüren, dass ich es immer noch kann. Ich finde es immer noch aufregend, mit Carla - oder auch mit Leuten, die ich kaum kenne - in einen Raum zu gehen, und irgendetwas zu kreieren. Letztes Jahr habe ich mit Steve Wynn und R.E.M. auf der Bühne gestanden. Das war wie der verlorene Traum meiner Jugend, der in Erfüllung ging. 1984 waren R.E.M. und Dream Syndicate meine Lieblingsbands. Es wäre mir damals unmöglich vorgekommen, dass die Dinge sich so entwickeln würden, wie sie es taten. Ich liebe es, einfach so ohne Plan auf die Bühne zu gehen und einfach drauflos zu spielen. Das ist wie ohne Netz und doppelten Boden.

9. Welches ist das schlechteste Lied, das je geschrieben wurde?

Carla: Ich kann mich an den Titel des Liedes nicht mehr erinnern, aber es war dieser Song von DJ Ötzi, in dem er Markennamen wie McDonalds, Pizza Hut usw. auflistete.

Chris: Ich will jetzt mal nicht meine eigenen, bescheidenen Anfänge aufzählen. Aber mein Favorit als schlechtester Song ist ganz klar "Afternoon Delight" von der Starland Vocal Band und die Nummer zwei ist "We Didn't Start The Fire" von Billy Joel.

10. Wer - tot oder lebendig - sollte auf eurer Gästeliste stehen?

Carla: Ich wünschte, die Walkabouts hätten die "Acetylene"-Tour für Bob Dylan, Sandy Denny und Tiny Tim spielen können. Einfach um die Leute, die mir nahe stehen, alle im selben Raum gehabt zu haben.

Chris: Ich wollte keines meiner Idole auf der Gästeliste haben - das wäre zu nervenaufreibend. Ich erinnere mich aber an diesen Typen, der auf eines unserer ersten Konzerte kam und nachher, nach ein paar Drinks, zu mir meinte: "Ihr seid momentan ganz schön schrecklich. Aber ich denke, dass ihr eines Tages ganz okay sein werdet!" Den würde ich gerne noch einmal einladen, um ihm zu zeigen, dass es nicht ganz so schlimm ist...

Weitere Infos:
www.flyhighbravedreamers.net
www.thewalkabouts.com
de.wikipedia.org/wiki/The_Walkabouts

Text: -Gaesteliste.de-
Foto: -Peter Braatz-
Chris & Carla
Aktueller Tonträger:
Fly High Brave Dreamers
(Glitterhouse/Indigo)
 

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