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11.03.2025 http://www.gaesteliste.de/zehnpluszehn/show.html?_nr=378 ![]() |
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10+10 |
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SUZIE UNGERLEIDER |
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Suzie Ungerleider schwimmt sich frei: Schon mit ihrem letzten Album "My Name Is Suzie Ungerleider" hatte die in den USA geborene, aber in Kanada aufgewachsene Singer/Songwriterin ihren langjährigen Bühnennamen Oh Susanna abgelegt, jetzt ist auch ihr Songwriting im Americana-Dunstkreis persönlicher als je zuvor. Im Juni erscheint ihr neues Album "Among The Evergreens", aber schon jetzt gibt es zwei Vorboten: Mit der just veröffentlichten EP "The Wilds" zeigt sich die inzwischen wieder in Vancouver heimische 55-jährige Musikerin von einer betont eklektischen Seite, wenn es vom sanft psychedelisch umspülten, mit zeitlosen Beatles-Vibes und feinen Harmonien faszinierenden Titelstück zur atmosphärischen Piano-Nummer "Real Estate" geht und es bis zum Finale mit "Sirens" dauert, bis Ungerleiders traditionelle Folk-Wurzeln deutlich zutage treten. Außerdem ist sie - begleitet von dem niederländischen Tausendsassa BJ Baartmans an der Gitarre - ab Mitte März erstmals seit rund 20 Jahren wieder ausgiebig in Deutschland auf Tournee. Die Gastspielreise beginnt am 18. März mit einem Auftritt im JUBB in Essen-Werden und endet neun Shows später im Weidengrund in Lochwitz. Vorab trafen wir Suzie Ungerleider zum Zoom-Interview, um sie mit unseren zehn Fragen zu konfrontieren.
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1. Was ist deine Definition von "guter Musik"?
Das ist eine wirklich schwere Frage (lacht!) Philosophen haben ihr ganzes Leben damit verbracht, diese Frage zu beantworten! Ich denke, gute Musik hat etwas Einzigartiges oder Authentisches. Gleichzeitig kann sie aber auch etwas Spielerisches haben oder eine Fassade, so wie früher David Bowie in verschiedene Rollen geschlüpft ist. Das ist dann wie ein Theaterstück, in dem dich die Fiktion über die Wahrheit oder allgemein dein Leben grübeln lässt. Gute Musik braucht etwas, das dich neugierig werden lässt und dich berührt. 2. Was war der wichtigste Einfluss bei den Aufnahmen zur neuen Veröffentlichung? Ich denke, mit diesen neuen Songs vollziehe ich meine langsame Transformation weg von einer Fassade, einer Kunstfigur hin zum Einfach-ich-selbst-Sein. In der Vergangenheit habe ich den Namen Oh Susanna oder erfundene Geschichten genutzt, um etwas auszudrücken, das in mir schlummert, oder Dinge zu thematisieren, die mir wichtig waren. Viele dieser Lieder reflektieren das, was in meinem Leben vor sich geht - und was zuvor passiert ist. Das kommende Album ist zweigeteilt: Im ersten Teil sinniere ich über die Vergangenheit, der zweite Teil widmet sich der Gegenwart, den Beziehungen zu meinem Ehemann, zu meinem Kind. Die Lieder sind sehr detailliert und sehr persönlich, aber mir ist bewusst geworden, dass sich die Leute gerade davon angesprochen fühlen. Ich trage mein Herz auf der Zunge, indem ich wirklich über die Dinge spreche, die ich erlebe und die mir durch den Kopf gehen. 3. Warum sollte jeder deine neue Veröffentlichung kaufen? Ich würde zögern zu sagen, dass alle sie kaufen sollen, weil ich das niemandem vorschreiben möchte (lacht)! Aber wenn es um die Frage geht, was diese EP und das Album an sich haben, was die Leute interessieren könnte: Ich denke, die Melodien sind wirklich sehr einprägsam. Die Worte sind simpel, aber ich denke, sie können den Menschen helfen, über ihr eigenes Laben nachzudenken. Die neuen Sachen sind schon etwas anderes. Das bin immer noch ich, aber es ist eine andere Seite von mir: Ich spreche zu mir selbst, zu meinen Liebsten, aber ich spreche auch die Hörerschaft an. Angesichts der politischen Weltlage fühlt es sich fast ein bisschen seltsam an, die Leute zu bitten, sich Musik anzuhören, die sich nicht mit der politischen Situation auseinandersetzt, aber vielleicht kann sie ein Refugium sein, in dem man genau die Empathie haben kann, die derzeit angegriffen wird. 4. Was hast du dir von deiner ersten Gage als Musiker gekauft? Vermutlich habe ich die Miete bezahlt, das ist schon so lange her, dass ich mich nicht mehr richtig erinnern kann (lacht)! Nicht mit dem ersten Geld, aber an einem gewissen Punkt habe ich die bewusste Entscheidung getroffen, in Kunst zu investieren, und ich habe einige Fotografien erworben. Ich wollte mich daran erfreuen, diese wunderschönen Objekte betrachten zu können, anstatt mit dem Geld nur die Miete zu bezahlen. 5. Gab es einen bestimmten Auslöser dafür, dass du Musiker werden wolltest? Es gab viele Wendepunkte, aber einen davon gab es nach meinem Studium. Damals war ich unsicher, was ich tun sollte. Ich wollte zwar Musik machen und auf der Bühne stehen, aber in gewisser Weise erschien es praktischer, meine akademische Laufbahn weiterzuverfolgen. Ich hatte damals eine kleine Kassette aufgenommen, die meine in Kalifornien lebende Schwester an einige dortige DJs geschickt hatte. Eines Tages rief sie mich ganz aufgeregt an und rief: "Oh mein Gott, ich habe einen Anruf von Chris Douridas [dem Macher der legendären Radiosendung "Morning Becomes Eclectic" auf KCRW] bekommen, er will dich treffen, er will deine Musik bei Plattenfirmen vorstellen und er glaubt, dass du unter Vertrag genommen werden könntest!" Da war klar: Ich werde nicht zur Universität zurückkehren, sondern den Weg der Musik beschreiten. Das war ein Moment, in dem ein Traum in Erfüllung gegangen ist. 6. Hast du immer noch Träume - oder lebst du den Traum bereits? In gewisser Weise lebe ich den Traum, weil ich die Chance habe, vor Menschen aufzutreten und - weil ich im großen Ganzen nicht sonderlich bekannt bin - sehr intime Konzerte spielen zu können, bei denen eine sehr direkte Verbindung zum Publikum besteht. Was die Träume angeht: Ich habe inzwischen viel weniger Ambitionen als zuvor. Früher habe ich davon geträumt, Rockstar zu sein, aber inzwischen bin ich mir nicht mehr sicher, ob ich das überhaupt mögen würde. Das wäre ein ziemlich schwieriges Leben. Es fällt mir manchmal schon so schwer genug, mit Menschen zu sprechen, wenn ich nicht im Performance-Modus bin. Jeden Tag auf der Straße erkannt zu werden, wäre echt fürchterlich! Ein klein wenig Anerkennung ist dagegen immer sehr schön. Der Traum ist es deshalb, auch weiterhin ein Publikum zu haben, das groß genug ist, um weiter diese kleinen Konzerte spielen zu können. 7. Was war deine größte Niederlage? 07 Ich denke, es sind die Selbstzweifel, die manchmal durchkommen. Ich frage mich oft, ob ich weitermachen soll, oder ich betrachte die Sache mit kapitalistischen Maßstäben: Gibt es genug Nachfrage für das, was ich mache? Ich sehe das als Versagen, die Dinge so zu sehen, auch wenn ich das bisweilen tue. Musik oder Kunst allgemein ist so schwer zu verkaufen! Der Verkaufsaspekt lässt mich überlegen, ob ich vielleicht alles hinwerfen sollte - aber ich weiß nicht, ob ich das überhaupt könnte! Ich bin zwar nicht einer der Menschen, die sagen: Ich würde sterben, wenn ich keine Musik machen könnte, aber inzwischen richte ich mich viel stärker auf die Dinge aus, die angenehm und befriedigend sind und mir weiterhelfen, anstatt mich zu fragen, ob sich das, was ich mache, verkaufen lässt. Der Prozess ist jetzt viel persönlicher. Ich habe auch das große Glück, einen Ehemann, ein familiäres Umfeld zu haben, das mich unterstützt. Das gibt mir die Stabilität, die es braucht, wenn man sich der Kunst widmet. 8. Was macht dich derzeit als Musiker am glücklichsten? Glücklich macht mich, eine tolle Show zu spielen, bei der man das Gefühl hat, dass der gesamte Raum an einen anderen Ort transportiert wird. Gleichzeitig mag ich es aber auch sehr, im Studio zu sein. Ich denke, das Wichtigste ist, präsent zu sein. Du bist den Menschen, du bist der Musik eng verbunden und alles ist im Fluss. 9. Welches ist das schlechteste Lied, das je geschrieben wurde? Das ist vermutlich ein Song, den ich nicht kenne, abgesehen davon, dass viele schlechte Songs echt Spaß machen! 10. Wer - tot oder lebendig - sollte auf deiner Gästeliste stehen? Ich denke, das wäre wohl meine Tante (lacht)! Sie ist nicht berühmt, aber sie war einer meiner wichtigsten Einflüsse. Sie ist vor ungefähr zehn Jahren verstorben, und es wäre toll, sie für einen Abend dabeizuhaben! |
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Text: -Gaesteliste.de- Foto: -Stephen Drover- |
![]() Aktueller Tonträger: The Wilds EP (Stella Records) |
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