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04.04.2025 http://www.gaesteliste.de/zehnpluszehn/show.html?_nr=382 ![]() |
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10+10 |
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L.A. WITCH |
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Auch wenn Sade Sanchez, Irita Pai und Ellie English den Begriff "Psych-Rock" langsam nicht mehr hören können, ist "Doggod" - das dritte Album des kalifornischen Underground-Trios L.A. Witch - erneut ein Musterbeispiel in Sachen psychedelisch aufgedröselter Darkwave-Rockmusik geworden. Dabei gehen die drei Damen auf dem neuen Album einen konsequenten Schritt in Richtung ihrer europäischen Einflüsse. Nicht nur, dass das neue Werk unter dem Einfluss "gotisch/mittelalterlicher" Vibes in Paris eingespielt wurde (weil Sade Sanchez einen Teil ihrer Zeit dort verbringt): Auf "Doggod" beziehen sich L.A. Witch nicht mehr ausschließlich auf ihre psychedelischen Westcoast-Roots, sondern lassen Referenzen an den Brit-Sound aus der Factory-Ecke - etwa von Acts wie Siouxsie & The Banshees, Joy Division oder Magazine - durchschimmern. Durch die Aufnahme-Session in Paris wollten sich L.A. Witch nämlich von ihren Surf- und Garage-Fundamenten lösen und ihre Vorlieben für den frühen europäischen Postpunk-Sound zum Vorschein bringen. Grund genug, die Damen mit unseren zehn Fragen zu konfrontieren. Zumindest Sade Sanchez aus Paris und Irita Pal aus Los Angeles gelingt zu diesem Zweck dabei der Zusammenschluss zu einer Zoom-Konferenz-Schaltung.
L.A. Witch lieben es, in Europa zu touren, weil - so Irita - man hier noch als Künstler und nicht alleine als kommerzielles Produkt wahrgenommen werde. Mit der Aufnahme-Session in Paris wollten die Damen etwas Neues ausprobieren und sich so unter dem Eindruck der europäischen Inspirationen auf ihr Handwerk konzentrieren. Die Songs waren zwar weitestgehend fertig - aber durch die Verwendung von Synthesizern und Effektgeräten kamen bei den Aufnahmen neue musikalische Elemente hinzu, die dann automatisch in Richtungen "europäischer Vibes" lenkten. Hinzu kamen dann Referenzen etwa zu Joan Of Arc in dem Video zu dem Track "777" und andere historische und mythologische Verweise - Dinge also, die es in den USA einfach nicht gibt. "Wir haben ja nur Disneyland", bringt es Sade auf den Punkt. Selbst das Palindrom "Doggod" ist in dieser Hinsicht zu verstehen. "Ja, da gibt es ja Zerberus - den mehrköpfigen Hund - als Wächter der Unterwelt. Hunde sind ja symbolische Kreaturen, die vollkommen in ihrer bedingungslosen Hingabe und Liebe aufgehen, auf die aber auch oft herabgesehen wird - man denke nur an die negative Konnotation des Wortes 'Bitch'. Die Idee des Titels war dann die Hunde als die schönen Kreaturen zu feiern, die sie sind und auch Bezug zu nehmen auf die symbolische Verbindung zu Frauen und Hündinnen. Es gibt da also eine Menge cooler Inspirationen auch spiritueller und mythologischer Natur, denen wir gefolgt sind." Es geht auf dem Album um Themen wie Liebe und Tod - und deren Beziehung zueinander. Da denkt man dann ja unweigerlich an Heinrich von Kleist, der den Selbstmord als romantische Geste zelebrierte. "Definitiv", bestätigt Sade diese Vermutung. "Ich denke, dass ein großer Teil der Liebe eben auch Leiden beinhaltet. Das ist ja schon irgendwie schön und romantisch - denn wenn du nicht leidest, dann ist es nicht real. Es wäre ja auch zu einfach, wenn da kein Leiden mit Hingabe und der Leidenschaft verbunden wäre. Es ist dann eine sehr spirituelle Sache, die sich irgendwie nach Sterben und Wiedergeburt anfühlt - wenn das Sinn macht." Gleich mehrere der neuen Tracks wie "Icicle", "Lost At Sea" oder "SOS" beschäftigen sich dann damit, im Meer verloren zu sein und durch das Ertrinken zu einer Wiedergeburt zu gelangen. Ach ja: Sagten wir eigentlich schon, dass L.A. Witch auch auf dem neuen Album in Sachen psychedelischer Noir-Darkwave-Rock-Ästhetik unterwegs sind? "Na ja, es ist für mich als sensible Künstlerin doch ganz selbstverständlich über Sachen wie Liebe, Leiden und Tod zu schreiben", meint Sade, "worüber soll man denn sonst schreiben? So düster das auch sein mag - es ist dann auch besonders ehrlich. Und dass sich das dann auch musikalisch äußert, ist doch klar." Ein kleiner Hinweis noch für Nerds: Für den speziellen Euro-Noir-Sound des Albums setzten L.A. Witch einen String-Synthesizer namens ARP Solina ein, der dereinst den Sound von Joy Division entscheidend prägte (etwa beim Leitmotiv von "Love Will Tear Us Apart"). Hier nun aber unsere zehn Fragen... |
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1. Was ist eure Definition von "guter Musik"?
Sade: Offensichtlich etwas, das bei mir Anklang findet und mitschwingt. Das kann recht simpel sein. Es hat viel mit den Zwischenräumen und der Dynamik des Songs zu tun. Hauptsache man fühlt etwas dabei - wobei das alles sein kann: Glücklich, wütend, traurig. Das ist gute Musik für mich. Irata: Ich stimme da zu. So lange man einen Bezug findet - etwa zu Erinnerungen aus der Vergangenheit oder zu etwas, was man selbst erlebt hat oder zu etwas, was einen persönlich anspricht, dann ist das gute Musik. 2. Was war der wichtigste Einfluss bei den Aufnahmen zur neuen Veröffentlichung? Sade: Also zumindest in Bezug auf mein Gitarrenspiel ist das Rikk Agnew von der Band The Adolescents, zu der ich immer aufgeschaut habe, seit ich eine Teenagerin war - und der auch bei Christian Death gespielt hat. Für mich ist das in Bezug auf das melodische Songwriting und das fast schon verzweifelte Gitarrenspiel immer eine große Inspiration gewesen - was ganz gut zu unseren eigenen Surf-Rock-Roots und unseren eher düstereren Gothic-Darkwave-Seiten passt. Rikk Agnew repräsentiert für mich der ideale Verbindungspunkt dieser beiden Welten. Irata: Ich habe mir ziemlich viel Roland S. Howard angehört, als wir die neuen Songs schrieben. Das hat sich unbewusst dann auch widergespiegelt. Ich mag aber auch die Wipers und My Bloody Valentine. 3. Warum sollte jeder eure neue Veröffentlichung kaufen? Sade: Naja - wenn die Leute Fans sind, dann werden sie ihren Spaß daran haben. Es ist ja auch cool, physisch etwas in den Händen halten zu können - auch für die Musiker - denn da hast du dann etwas für den Rest deines Lebens. Für mich fühlt sich das an wie ein Stempel in meinem Lebenslauf, wenn ich eine Scheibe mache. Wenn man eine Scheibe in den Händen hält, dann bringt sie dich zu dem Moment zurück, zu dem du sie gekauft hast oder an den Ort, wo du sie gehört hast. Das ist wie ein Foto deines eigenen Lebens. Ich finde, das ist ein guter Grund. Irata: Das ist immer so schwierig in Worte zu fassen. Ich denke, du solltest eine Scheibe kaufen, wenn sie bei dir Anklang findet. 4. Was habt ihr euch von eurer ersten Gage als Musiker gekauft? Sade: Das ist lustig, denn Ellie (unsere Drummerin) und ich waren zusammen in einer Band namens Pow Wow als wir jünger waren - mit der wir dann 100 $ bei einem Battle-Of-The-Bands-Wettbewerb gewonnen hatten. Und wir haben die ganzen 100 $ dann für Alkohol ausgegeben. Das mag dann vielleicht nicht das klügste Investment gewesen sein - aber wir haben das halt gemacht. Irata: Ich habe mir einen neuen Bass gekauft, weil ich bis dahin den Bass meiner Zimmergenossin ausgeliehen hatte und das war so ein beschissener Squire-Bass. Als ich genug Geld beisammen hatte, kaufte ich mir dann meinen eigenen Bass. (Und das ist dann ein Fender-Mustang-Bass.) 5. Gab es einen bestimmten Auslöser dafür, dass ihr Musiker werden wolltet? Sade: Das ist wirklich schwierig für mich festzumachen, weil ich mein ganzes Leben schon Musik gemacht habe - sei es im Kirchenchor oder als Cellistin im Orchester oder eben als Gitarristin. Es ist nicht wirklich ein Zeitpunkt auszumachen. Ich denke, es war einfach die Liebe und die Leidenschaft für die Musik in meiner Familie, die mich dazu gebracht hat. Vielleicht war es auch ein Moment, an dem ich meinen Vater beim Gitarre-Spielen beobachtet habe - wobei ich nicht sagen kann, wann das war. Irata: Musik war für mich als Kind auch immer ein großer Teil meines Lebens, weil meine Eltern immer viel Musik gehört haben - sei es Klassik, Pop oder Rock. Ich habe schon als Kind mit fünf oder sechs angefangen, Klavier zu spielen - also gehörte das zum Leben immer für mich dazu. 6. Habt ihr immer noch Träume - oder lebt ihr den Traum bereits? Sade: Das ist ein Mix von beidem - zum einen habe ich natürlich noch Träume, andererseits realisiere ich aber auch, dass ich meinen Traum lebe. Manchmal ist es echt schwer für mich zu realisieren, dass mir gute Dinge widerfahren, weil wir ja doch oft von diesen ganzen beschissenen Dingen umgeben sind, die uns gerade alle betreffen. Es ist manchmal schwer, die positiven Dinge zu sehen. Ich muss also täglich üben, dankbar zu sein - weil ich mich solcher Sachen immer vergegenwärtigen muss. Auf der anderen Seite habe ich natürlich immer noch Träume, was wichtig ist - alleine um wachsen und sich weiterzuentwickeln zu können. Irata: Dem stimme ich zu. Als wir angegangen haben, habe ich mir gar nicht vorstellen können, dass wir mal in der Lage sein würden, um die ganze Welt reisen und viele Menschen treffen zu können, die unsere Musik mögen. Wir sind sehr dankbar dafür, das mit den Fans teilen zu können. 7. Was war eure größte Niederlage? Sade: Ach, das sind so Sachen wie ein kaputter Van oder dass in unseren Van eingebrochen wurde und Sachen geklaut wurden. Das ist manchmal halt ein Kampf - aber dann musst du dich daran erinnern, warum du das alles machst. Irata: Das hat sich wirklich nach einer Niederlage angefühlt, unsere Instrumente - die für uns ja wertvoll waren - zu verlieren. Manchmal verlierst du ja auch selber Sachen - wie z.B. Lieblings-Kleidung, die dann irgendwo verschwindet. Das ist blöde aber dann machst du einfach weiter. 8. Was macht euch derzeit als Musiker am glücklichsten? Sade: Ich einfach glücklich darüber, das teilen zu können, an dem wir zusammen gearbeitet haben - und dann zu sehen, wie es andere Menschen berührt. Ich denke, dass ein großes Privileg ist, als Künstler Dinge in die Welt zu entlassen und dann zu erleben, wie darauf reagiert wird. Das ist eine sehr coole Sache. Irata: Ich bin definitiv glücklich, dass nun endlich die Scheibe erscheint. Wir haben so lange daran gearbeitet. Das ist fast so, wie ein Baby zu bekommen - man weiß dann ja auch nicht, was auf einen zukommt. Es ist einfach schön, das dann mit der Welt teilen zu können. 9. Welches ist das schlechteste Lied, das je geschrieben wurde? Sade: Alle Songs sind doch irgendwie auf ihre Art auch gut. Es ist schwierig, da etwas festmachen zu können. Wir hören uns ja viele verschiedene Arten von Musik und wenn ich jetzt sagen würde, dass ich eine bestimmte Art wie Country nicht mag, müsste ich doch einräumen, dass es auch gute Country-Songs gibt. Irata: Ich kann mir aber schon ein Genre vorstellen, das ich nicht gut finde - und das ist Easy Listening Jazz - weißt du, diese Art von Musik, die man im Aufzug zu hören bekommt. Das ist wirklich nicht cool und damit kann ich gar nichts anfangen. 10. Wer - tot oder lebendig - sollte auf eurer Gästeliste stehen? Sade: Man kann jeden auf seine Gästeliste packen? Das ist eine coole Frage - aber es gibt da so viele Möglichkeiten. Mir fällt da natürlich gerade nichts ein. Ich denke aber, ich hätte gerne gute Gitarristen, die ich respektiere auf der Liste. Wie z.B. Rikk Agnew. Irata: Ich würde ja David Bowie sagen - aber ich denke, ich wäre dann einfach zu nervös, wenn er vor der Bühne stünde. Ich fand das so cool, was er mit Nine Inch Nails gemacht hat und hätte schon gerne gewusst, was er von uns denkt. |
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Text: -Gaesteliste.de- Foto: -Rhyan Santos- |
![]() Aktueller Tonträger: Doggod (Suicide Squeeze/Cargo) |
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